Wie diskutiert man mit Zombies?

Zombies erobern die Schaubühne. Von starken Bildern und Klängen begleitet sprechen, tanzen und schreien acht Schauspieler٭innen das Grauen der Rechtspopulist٭innen Deutschlands. FEAR illustriert diese Angst in einer Kollage aus Medienbeiträgen, Bürgerbefragungen und Parteiprogrammen.


Längst hatte man sie tot geglaubt. Die, die gegen Menschenwürde und Gleichberechtigung in Europa anschreien. Doch sie sind es nicht. In seiner Uraufführung von FEAR stellt Falk Richter die Frage nach der Angst. Angst vor dem Fremden, Angst um die vermeintlich eigene Identität und Angst vor Veränderungen und der Zukunft im Allgemeinen, die sich zur Panik steigert. Sie spiegelt sich in den Gesichtern der Beatrix von Storch, der Beate Zschäpe, der Frauke Petry und weiterer Gleichgesinnter. Portraitiert werden sie als Anführer٭innen einer Zombie-Armee aus perspektivlosen und menschenfeindlichen Bürger٭innen. Diese schwadronieren unentwegt von einem „Deutschland“, das sich verändere. Das entfremdet werde. Das zu retten sei.

Während sich in Zeitungsfetzen und Lumpen gekleidete Schauspieler٭innen über den Bühnenboden wälzen und immer unverständlichere Parolen der Fremdenfeindlichkeit ausstoßen, schwillt unerträglicher Lärm aus großvolumigen Boxen am Bühnenrand. Das sich unaufhörlich steigernde Spektakel wird durch eine Videoinstallation im Bühnenhintergrund vervollständigt. Gezeigt werden, in rasender Folge, Bilder von deutschen Landschaften, Hobbyornithologen und aus Matsch emporsteigende Zombiefiguren.

Und plötzlich: Stopp!

Musik und Video brechen ab und die Zombie-Menge verschwindet von der Bühne. Einzig ein wohlgekleideter Mann bleibt zurück. Er schildert in gesetzter Sprache, wie es dazu kommen konnte, dass längst überkommen geglaubte Ideologien wieder salonfähig werden.

Dieses Wechselspiel zwischen intensiv ausgespielten, von Video- und Audioinstallationen unterstützen Szenen und anschließenden behutsam gezeichneten Gesellschaftsbildern begleitet den Zuschauer durch das zweistündige Stück. Immer wieder bahnen sich die „Zombies“ ihren Weg und immer wieder entsteht die Frage: Wie kann man gegen Totgeglaubtes kämpfen? Diese Totgeglaubten lässt Richter für sich selbst sprechen. Indem er die Zuschauer٭innen mit Originaltönen aus Medienberichten konfrontiert, stellt er immer wieder eine Frage: Wie geht man mit diesen Menschen um? Sind es die Flucht in eine Art Biedermeiertum, die studentische Revolte, die passenderweise in einem Glaskasten auf der Bühne stattfindet, oder gar Gewalt eine Antwort?

Quelle: YouTube

Acht Schauspieler٭innen weben ein dichtes Netz aus Tanz, Gesang, Geschrei und Gespräch, auf dem sie sich mit beeindruckender Energie bewegen, in dessen Maschen sie sich allerdings auch verfangen. Keiner von ihnen spielt nur eine bestimmte Rolle. Alle sind sie mal Hassprediger٭innen, mal wütende Bürger٭innen und mal ratlose Betrachter٭innen. So gibt es Szenen, für das Publikum schwer zugänglich sind und im letzten Drittel des Stückes nur noch dadurch aufgefangen werden, dass die Schauspieler٭innen anfangen miteinander zu spielen. Auf diese Weise wird in letzter Minute auch noch die Ebene der Improvisation eingezogen. Inwieweit eine solche Wendung nach eineinhalb Stunden noch mitvollzogen werden kann, bleibt jedem selbst überlassen. Was bleibt, ist: FEAR ist ein beeindruckendes Stück, das seinem Namen alle Ehre macht. Zu begreifen, dass die Zombies der Menschenverachtung mitten unter uns sind, ängstigt. Dies zeigt das Stück, ohne erhobenen Zeigefinger und ohne Relativismus. Ohne geheucheltes Verständnis für sogenannte „besorgte Bürger٭innen“ stellt es dem Publikum eine grundlegende Frage.

Wollen wir (wieder) in einer Welt leben, in der Menschen in Kategorien eingeordnet werden? Da die Antwort auf diese Frage klar und deutlich ausfallen muss, verzeiht man dem Stück gerne seine teilweise plakativen Darstellungen. Alles in allem regen Bernardo Arias Porras, Denis Kuhnert, Lise Risom Olsen, Kay Bartholomäus Schulze, Alina Stiegler, Tilman Strauß, Frank Willens und Jakob Yaw zu gesellschaftskritischen und klaren Überlegungen an, ohne das Publikum zu bevormunden.

Titelbild: Arno Declair

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