Eine Kritik der Kritik zur Netflix-Serie Stranger Things: Ihr habt da was übersehen. Und es ist ziemlich laut.
Es ist von Gevatter Internet in sehr kurzer Zeit sehr viel gesagt worden zu Netflixens ultrastimmiger und gigagemütlicher Samstagabend-kocht-Mama-Pizza-und-Papa-trinkt-ausnahmsweise-nur-ein-Bier-Hommage an das geniale Kino und utopische Feeling der 80er (inkl. „Twin Peaks“ & „Under the Skin“). In ihrer überwiegend positiven analytischen Zerroppung des nicht zuletzt auch mit feinem Synth-Score (der perfekt designte, ominöse Vorspann ist vielleicht einer der besten aller Zeiten!) punktenden Phänomens haben die Kritiker bisher allerdings wenig Worte über Folgendes verloren:
Ein Großteil der Serie besteht aus Geschrei. So hat Joyce (Weinona Ryder), die Mutter des verschwundenen Jungen Will, ihre Hysterie überhaupt nicht unter Kontrolle. Sie schreit ihren Sohn an, der Sohn schreit zurück, sie möge sich beruhigen. Und Wills drei NerD&D-Freunde schreien entweder sich gegenseitig oder E11even (möglicherweise den einzigen Ruhepol der Serie) zusammen. Vor lauter Vorlautheit darf niemand einen Satz zu Ende sprechen, es wird übers Maul gefahren wie über die B9. Vor allem der mit Vorurteilen nur so um sich sch(m)eißende Lucas lässt gar niemanden ausreden und weiß eh alles besser, was eine ganz schöne Leistung ist, da Mike und Dustin, seine alles andere als konfliktscheuen Krawallkumpels, jeweils auch alles besser wissen.
Die insgesamt siebenundzwanzigmalklugen Kinder stellen aufgrund ihrer enthemmten Kommunikationsform somit ein dramaturgisches Unding dar, was der Erträglichkeit Abbruch tut. Bei so viel Gemenge wird einem das Hirn rasch gasförmig und entweicht ins Upside Down, wo es dann anstelle von Arsch auf Grundeis geht. Oder haben die Duffers lediglich versucht, das Trauma einer pathologisch dBilen Kindheit (Schnuller aus Megaphonbauteilen) aufzuarbeiten?
Quelle: YouTube
Und dass der an sich ganz nette, mit seiner Pädagogikbegeisterung relativ knallhart an der schulischen Realität vorbeiidealisierte Physiklehrer – nach „Event Horizon“ und „Interstellar“ – schon wieder ein metaphorisch gefaltetes, vierdimensionales Blatt Papier mit einem Stift durchstößt, ist irgendwie undufte. Ist wahrscheinlich als Reverenz vor erschreckend prätentiösen Wissenschaftlertypen gedacht, die ihr repressives Physikwissen mit jovialem Pathos für den albernen Arschlochamateur herunterbrechen.
Aber mal abgesehen von diesen umsetzungstechnischen Mängeln, die zumindest meine Nerven abzutöten vermögen, ist die Operation „Stranger Things“ gelungen – der Achtteiler ist immerhin ein schmuckes, herzlich collagiertes Zitatfeuerwerk mit schwerem Retroästhetik-Nostalgiefaktor und viel Liebe zum Detail. Und das Monsterdesign („Silent Hill“ und „Resident Evil“ lassen grüßen) ist auch schön grotesk geworden.
Titelbild: © Netflix
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