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„Was für Land, welch ein Männer“ – Ninamarie im Interview

Ninamarie stehen kurz vorm Release ihrer neuen Platte. Neun Jahre nach dem letzten Release bringen sie es erneut auf ganze sechs Songs. Gründe für ihr niedriges Tempo gibt es genug, zum Beispiel, dass die beiden mit ihren noch aktiveren Hauptbands genug zu tun haben: Thomas Götz mit den Beatsteaks, Marten Ebsen mit Turbostaat. Aber auch, weil sie sich viel Zeit zum Experimentieren nehmen.

„Was für Land, welch ein Männer“ ist eine erstaunlich vielseitige kleine Sammlung an nicht ganz ernsten Post-Punk- und Post-Pop-Songs über ernste Themen. Feine Arrangements und tiefe Melancholie treffen auf inbrünstigen, ehrlichen Gesang, starke Bilder auf Dadaismus. Wir trafen Marten zum Interview, sprachen über die Platte, Corona und Konzerte. Und zwar:


Es gibt diese Legende, dass ihr immer zu Silvester zusammen Musik macht und so all eure Songs entstehen. Stimmt das so?

Das stimmt so nicht, aber so hat es angefangen. Irgendwann, 2003 oder 2004, hatten Thomas und ich uns mal darüber unterhalten, wie scheiße wir Silvester und den Feierzwang finden. Er erzählte mir, dass er Silvester immer in den Proberaum geht. Als ich meinte, dass ich das richtig gut finde, hat er mich eingeladen vorbeizukommen. Wir sind dann in den Proberaum gegangen, haben zusammen gespielt und zwei Lieder geschrieben. Um vier waren wir fertig und hatten sie aufgenommen. Die Tradition haben wir einige Silvester aufrecht erhalten. Als ich dann auch in Berlin wohnte, fingen wir an, uns öfter zu treffen.

„Was für Land, welch ein Männer“ ist euer erstes Album seit 2013. War für euch immer klar, dass es mit Ninamarie weitergeht?

Es gab nie irgendwelche Bestrebungen, das nicht zu machen. Das Problem ist, dass die Zeit immer so schnell verfliegt und durch die Hände rinnt. Es hat einfach nur gedauert, bis wir wieder Zeit gefunden haben, und zusammenzutun. Wir haben zwischendurch immer mal an Sachen gearbeitet, die dann aber im Sande verlaufen sind. Der erste Entwurf von „Nackt im Spind“ ist echt schon einige Jahre alt. Wir hatten uns da mal nachmittags getroffen, Thomas hat Klavier gespielt und ich Gitarre. Da hatte er das Riff mitgebracht und es lag danach jahrelang herum, ohne dass es eine Überlegung gab, was man dazu singen könnte. Danach haben wir jahrelang keine Zeit gefunden, uns zu treffen. Thomas ist ja auch wirklich ein Hansdampf in allen Gassen und macht alles Mögliche. Und ein bisschen was mach ich ja auch.

Wann und wie ist der Rest des Albums entstanden?

Der Zug zum Tor fing kurz vor Corona an. Wir hatten im Herbst schon angefangen und als Corona dann anfing, hatten wir uns gegenseitig als Kontakt eingetragen. Und wir haben dann vor allem die Coronazeit zum Schreiben genutzt, haben uns zwar nicht jede Woche getroffen, aber von Zeit zu Zeit zusammen Musik gemacht.

Und schreibt ihr die Songs einzeln oder komponiert ihr alles zusammen?

Es bringt immer wer eine Grundidee mit – wie zum Beispiel das Riff bei „Nackt im Spind“. Den Refrain haben wir dann zusammen gemacht und dann bauen sich die Songs so mit der Zeit auf. Das ganze Arrangieren und wie das Lied abläuft, passiert relativ schnell und intuitiv. Weil wir ja nur zu zweit sind und das nicht einfach als Band zusammen spielen, passiert das immer peu à peu. Wir haben dann im Proberaum zusammen Gitarre und Schlagzeug eingespielt, Bass hab ich glaub ich hier zuhaus eingespielt. Sowas passiert dann immer mal, dass man dann mal einen Nachmittag lang einen Bass einspielt.

Ninamarie – Nackt im Spind:

Quelle: YouTube

Und ihr habt das alles selbst produziert?

Genau, Thomas hat ja ein Studio, in dem wir uns öfter getroffen haben – oder im Beatsteaks-Proberaum. Teilweise hab ich auch bei mir hier Sachen aufgenommen, zum Beispiel mal einen Haufen Akustikgitarren, die wir uns dann zugeschickt haben, weil grad richtiger Lockdown war und wir uns nicht sehen konnten. Das waren aber eher Ausnahmen.

Ihr habt nie mehr als sechs Songs gleichzeitig veröffentlicht. Warum eigentlich?

Das weiß ich nicht. Eine 12-Inch, die man auf 45 rpm abspielt, ist so eine überschaubare Sache. Wir machen das ja immer nebenbei und haben nicht den Drang, viele Lieder zu schreiben. Die Songs entstehen eher aus Experimenten. Bei einem Song zum Beispiel hatten schon die Abfolge fertig und dachten uns, es wäre cool, wenn das jetzt einen Chor hätte. Also haben wir uns ein Chor-Board gebaut und haben mit einem Freund zusammen den ganzen Sommer lang jeden Ton der Tonleiter über zwei Oktaven aufgenommen, sodass wir unseren Chor selber spielen konnten. Und dafür geht dann halt mal ein ganzer Sommer drauf.

Bei einem anderen Song waren wir eigentlich fertig, hatten aber das Gefühl, uns fehlt noch etwas, und haben noch ewig daran weitergearbeitet. Wenn du eine Platte mit einer ganzen Band machst, mit Deadline und so, hättest du das einfach so gelassen. Aber hier haben wir dann nochmal richtig viele Gitarren aufgenommen. Wir haben immer um ein Mikro herum verschiedene Gitarren in verschiedenen Oktaven eingespielt, bis wir eine riesige Wand an Gitarren hatten, die wir zusammenmischen konnten. Danach haben wir nochmal einen Nachmittag herumprobiert, ob das cool ist.

Und diese Zeit kann man sich mit einer anderen Band nicht nehmen?

Nein, das würde ich mit Turbostaat nie machen.

Ist diese Freiheit auch das, was Ninamarie für dich ausmacht?

Dieses Experimentieren: ja. Ich weiß nicht, wie es bei den Beatsteaks ist, aber bei Turbostaat muss das ein sicherer Schuss sein. Wenn wir ins Studio gehen, dann ist alles fertig und wir alle wissen, dass das klappen muss. Wir spielen meistens eine ganze Platte in vier bis fünf Tagen ein. Und wenn man da ankommt und sagt, ich könnte mir vorstellen, wenn man da jetzt zwei, drei Tage dran arbeitet, dann wären die ersten schon bei dem Satz rausgegangen. Und bei Ninamarie ist das halt egal, dann kannst du wirklich mal ein paar Tage herumprobieren – und wenn’s nichts ist, ist es halt nichts.

Und es sind ja nur sechs Songs, aber die sind schon alle auch sehr unterschiedlich und unterschiedlich instrumentiert – teilweise nur Synthies, teilweise Akustikgitarren: Gibt es auch konkrete Bands, die euch besonders beeinflusst haben?

Wir machen ja nicht erst seit gestern Musik und es gibt ja tausende Bands, die einen inspirieren. Da kannst du mit Beethoven, Bob Marley und den Beatles anfangen.

Es klingt ja teilweise auch sehr Eighties-mäßig.

Findest du? Wir hatten eher so ein Seventies-Gefühl – außer bei „Käsejunge“. Das ist ja eher daraus entstanden, dass ich angefangen hab, mit Synthesizern rumzuspielen. Aber bei den ersten Liedern hatten wir eher ein Supertramp-Gefühl.

Um einmal in die Songs reinzugehen: Wer ist der Käsejunge und wovor hat er Angst?

Ein bleicher Junge, der Angst hat um seine Privilegien.

Der Song bringt ja auch den titelgebenden Vers „Was für Land, welch ein Männer“ mit.

Genau, „Welch ein Land, was für Männer“ ist ja ein Plattentitel von Extrabreit. Und das passte einfach so gut: Was für Männer – der Käsejunge, der Angst hat. Wenn du zum Beispiel – ohne die Stimmung herunterreißen zu wollen, den Attentäter von Halle anschaust: ein kleiner bleicher Junge, der Angst hat, dass eine Privilegien verschwinden, der sich überfremdet oder von Frauen angegriffen fühlt, der nicht mit Menschen auf Augenhöhe agieren kann. Das war für uns der Käsejunge. Und dann diesen Ausruf „Welch ein Land, was für Männer“ umzudrehen zu „Was für Land, welch ein Männer“, ist ja eigentlich ganz klassisch dadaistischer Kram: Sachen umdrehen und sie dadurch automatisch lächerlich machen.

Auch bei „Nackt im Spind“ geht es um ein gewisses Land, es werden Bewegungen im Volk angesprochen und die Frage gestellt, wie man mit ihnen umgehen sollte.

Genau, es geht auch um Flucht, also das Pro und Contra von Realitätsflucht. Der Text ist zum größten Teil auf Thomas’ Mist gewachsen.

„An der Hand“ ist der melancholischste Song der Platte. Wessen Hand wird hier besungen?

Die Hand eines oder einer Liebsten.

Mit der Angst um Verlust?

Nein, es geht eher um das stoische Warten – mit einem leichten Hauch Melancholie. Dieser Song ist schon ganz alt. Die Strophen und den Refrain hab ich schon 2004 geschrieben. Und es gab noch nicht so viel Text, ich hatte nur diesen Satz im Kopf und fand den schön: Ich warte bei dir an der Hand. Dahinter ist eigentlich gar nicht so ein wirklich verkopftes Konzept, sondern wir haben einfach aus dem Bauch heraus geschrieben, aus der Wirkung der Musik. Auch das ist ja häufig nicht zu unterschätzen. Musik zu machen hat ja auch viel mit Gefühl zu tun. Also nicht nur mit einem guten Plan, sondern einfach nur mit dem Gefühl.

Und was habt ihr gegen Kalendersprüche?

Was sollen wir denn gegen Kalendersprüche haben? Das ist doch das Beste auf der Welt: „In allen vier Ecken soll Liebe drin stecken“. „Ich lebe glücklich, ich lebe froh wie der Mops im Haferstroh“. Ich weiß nicht, was du meinst.

War nur so ein Gefühl, dass es da Aversionen gibt.

Ne klar. Du meinst jetzt den Text „Kalenderspruch zum Abendbrot und dankbar sein“, dass man abgespeist wird mit ein paar halb ernstgemeinten Worten? Dafür steht der Kalenderspruch. Ein Kalenderspruch ist ja einfach ein Satz, der nicht an dich gerichtet ist, sondern allgemein so ist.

Und solche Sprüche zu verdrehen, macht ihr auf der Platte ja an vielen Stellen. Würdest du sagen, eure Texte sind auch eine Abrechnung mit abgedroschenen Phrasen?

Jein. Thomas und mich fasziniert immer, dass es in der erfolgreichen deutschen Popmusik, also den deutschsprachigen Songs in den Charts, immer darum geht, bekannte Phrasen zu nehmen, die jeder kennt, um gleich einsteigen zu können. Unsere Aufgabe sehe ich eher darin, das mit dem Arsch einzureißen, umzudrehen und ein Fragezeichen dahinter zu setzen. Und dann eben auch Sachen komisch zu machen, damit sie nicht einfach nur wegzukonsumieren sind. So begreif ich das jedenfalls. Aber es macht doch auch einfach Spaß. Wenn ich jetzt die ganze Zeit nur Texte wie „Das große Gefühl, dieser Moment, lalalala“ schreiben würde, hätte ich da einfach gar keine Lust drauf. So bin ich einfach als Person nicht.

Ninamarie – Kalenderspruch:

Quelle: YouTube

Bei „Es strahlt“ besingt ihr eine vergangene Jugend, bei „Die Geister“ scheint es ja auch um ein Vermächtnis zu gehen. Sind Wehmut und Älterwerden für euch Motive der Platte?

Ja bestimmt. Wir werden als Personen älter und wehmütiger. Aber man sitzt ja nicht da und sagt, ich würde gern ein Lied übers Älterwerden machen, am besten eine ganze Platte, zu der ich mir mal einen Plan mache. Sondern wir schreiben einfach irgendwas, das uns beschäftigt, werfen uns Bälle zu, die auch relativ viel mit Humor zu tun haben. Nicht mit klassischem Humor, aber unserem eigenen Humor. Thomas sagte auch schon ein paarmal in Interviews: Für ihn war das Interessante, dass wir mit dem Fahrrad zusammen zum Studio nach Köpenick gefahren sind, an der Rummelsburger Bucht entlang, und uns immer schon über alles mögliche unterhalten haben. Von Familie, was so ansteht, Quatsch, aber auch, was wir gelesen haben, was wir gehört haben, welchen Film wir gesehen haben oder was uns grad interessiert oder passiert ist. Die Songs sind dann auch immer ein bisschen das Produkt durch die verschrobene Brille, die wir schon auf dem Weg zum Studio aufsetzen.

Würdest du dennoch sagen, dass eure neuen Songs melancholischer geworden sind als die früheren?

Nein, ich fand ehrlich gesagt die alten auch immer schon melancholisch und teilweise depressiv. Sie hatten immer eine traurige Komponente, aber eben auch diesen Humor. Das ist das, was eigentlich automatisch passiert wenn Thomas und ich in einem Raum sind und Sachen machen. Weil wir beide diese Persönlichkeit haben. Wir haben diese melancholische Seite, aber können auch nicht eine Minute ohne einen schlechten Witz aushalten.

Welche Rolle hat denn die Pandemie-Phase für die Platte gespielt?

Durch Corona hatten wir einfach nur ein bisschen mehr Zeit und dachten, dass wir sie dem Projekt widmen konnten. Und jetzt stürzt wieder alles auf einen ein. Die Platte haben wir zum Glück rechtzeitig fertig bekommen – eigentlich schon letztes Jahr, wir haben jetzt nur noch auf die Pressungen gewartet.

Thomas und du spielt ja beide in zwei sehr aktiven Livebands. Wie geht es denn dem Konzertbetrieb, euren Live-Crews und den Venues nach diesen zwei Jahren?

Das kann ich gar nicht richtig beantworten, ich war selbst so ein bisschen von allem abgeschnitten. Mit den Leuten von Turbostaat hab ich zu tun gehabt, aber natürlich auch nicht so viel wie vorher, weil man sich ja jetzt anrufen musste, um miteinander zu sprechen. Dann hat man so einmal im Monat mit den Leuten telefoniert, vielleicht noch weniger. Das haben die schon alle irgendwie rumgekriegt.

Aber das dicke Ende, auch für viele Läden, kommt ja erst noch. Es hat sich so vieles verschleppt und die Auswirkungen werden jetzt erst sichtbar. Du hast ja jetzt teilweise Festivals, die nicht stattfinden, weil sie keine Leute haben, die dort arbeiten können. Weil die alle sich in der Pandemie etwas anderes suchen mussten und auf einmal gemerkt haben, wir können ja am Wochenende zuhause bleiben und haben trotzdem einen schönen Job, der auch noch besser bezahlt ist. Manche haben das ja auch mit diesen Streaming-Konzerten versucht, aber das ist ja alles für die Katze. Das ist ja nur eine Fernsehaufnahme vom Konzert, bei dem du nicht da gewesen bist.

Und man selbst ist ja durch die zwei Jahre auch in so einen Tran gekommen, ist abends nach Haus gekommen, hat sich was zu essen gemacht. Man muss ja erstmal wieder auf die Idee kommen, abends Leute einzuladen abends oder mal irgendwo hinzugehen. Und bei Konzerten wird ja grad all das nachgeholt, was ausgefallen ist. Das nächste halbe Jahr wird vollgestopft sein. Das ist wirklich verrückt. Ein Bekannter von mir, mit dem ich neulich geschnackt hab, hat grad mit seiner Band eine Platte herausgebracht, und die können gar nicht auf Tour gehen, weil alles ausgebucht ist. Noch mit Konzerten von 2021. Mal gucken, wie sich das entwickelt, ich hab bisher zu wenig Erfahrung. Wir waren einmal auf Tour, haben zwei Festivals gespielt. Das eine war gut, das andere beschissen. Auch unsere Konzerte waren jetzt am Anfang ein bisschen leerer als vorher. Aber auch das kam wieder und jetzt müssen wir beobachten, wie es sich weiterentwickelt. Es fällt mir unheimlich schwer, daraus schlau zu werden.

Und wird es Ninamarie-Konzerte geben?

Wir hoffen das. Wir würden es jetzt gerne machen. Vorher hatten wir nie drüber nachgedacht, jetzt haben wir angefangen, darüber nachzudenken, dass wir das gerne machen würden. Wir sind bisher einmal aufgetreten, bei einer Feststunde in Potsdam. Da haben wir zwei Lieder gespielt, Thomas am Klavier, ich an der Gitarre. Aber jetzt überlegen wir grad, ob wir eine kleine Band zusammenstellen und ein paar Konzerte zusammen spielen. Die Ideen schießen wieder quer und man braucht auch entsprechende Leute dafür.

… und Venues.

Das ist Schritt zwei, wir sind noch nichtmal bei Schritt eins. Aber der Wille ist im Moment da und wir reden, wenn wir uns treffen, darüber, dass wir das gerne machen möchten.
Inzwischen habt ihr ja auch genug Songs für ein Konzert.
Genau, dann können wir einmal alles durchspielen. Vielleicht schaffen wir es zum Zwanzigjährigen. So lang gibt’s uns ja auch schon fast wieder.

Vielen Dank für das Interview!

Vielen Dank für das Interesse.


 

„Was für Land, welch ein Männer“ von Ninamarie erscheint am 17. Juni 2022 bei Rookie Records.

 

 

Beitragsbild: © Gregor van Dülmen

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„Innenansichten eines Außerirdischen“ – Teil 8-11

zwischen den dingern …


guten tag. mein name ist tobert knopp und ich spiele bassgitarre in der gruppe turbostaat. seit 21 jahren. ich war 19, als das alles anfing. in husum. unsere neue platte „uthlande“ wird ab jetzt bespielt, hier da und dann dort und ich bin aufgeregt wie sau. das ist mir tatsächlich neu …

berlin ist ein seltsamer ort – ich werde immer dazwischen bleiben. sollte mal hierherziehen, war ne dunkle zeit. suchte schuldige, erst in hamburg, dann berlin. dann fand ich mich. schuldig. generelles thema zwischen all den gleichen teilen, den großen städten. kim gordon erzählt in ihrem buch „girl in a band“ viel vom new york der 80er – da wollte ich immer mal hin, habs aber nur bis berlin geschafft, bis pfaffenbötel und raus aus nordfriesland. auch ganz geil.

berlin war bestimmt auch mal richtig prima; seit ich hier rumrenne, ist es für mich irgendwie gleich. groß. bedrohlich. aber voll mit freunden und seelen; geliebte freunde. jan wohnt hier auch und er singt jetzt vor vielen leuten und nicht mehr auf meinem sofa. wie toll das leuchtet. zum arbeiten macht das stets sinn und spaß in berlin, platten aufnehmen, pizza essen, sich alt fühlen bissn – dann wieder wegfahren. die konzerte sind ausschließlich immer wahnsinn. die erste show im ausverkauften festsaal kreuzberg haut mich doll um, weg vom SO36 macht mich nervös und es kommt ganz viel zurück. als wäre die neue platte schon jahre raus … und mich überkommt das seltene gefühl, dass das ganz ok ist, was wir da so machen …

suse und ich pennen auf eigene faust im hotel – wir sind eine seltene art wesen, die in gemieteten räumen zu etwas besonderem werden. außerdem ist karneval. ich gehe heute mit frida kahlo ins bett.

morgens gemeinsam ohne jan zu bis aufs messer, ein guter plattenladen. ich bin schon früher vor ort und fühle mich verstanden. mein krass ist dein krass und ich finde eine single der band neanderthal. ulf weiß, warum. außerdem kaufe ich ungehört eine platte namens „field recordings of madagascar“ und beschließe wieder anzufangen, experimentelle musik zu veröffentlichen.

© Tobert Knopp

das zweite konzert im festsaal lässt sich für mich nicht ausreichend beschreiben, es war sehr sehr gut zu uns – drei minuten vor anfang beschliessen frida kahlo und die schwangere gute dinge – wir spielen frieda und die bomben. ich glaube, dass arnim sehr glücklich war, ein bisschen rumzuhüpfen und zu brüllen mit uns – seine augen werden dann ganz klein. das ist so ein rockreptilblick. der piekst dich an. ich beschließe, mehr rockmusik zu veröffentlichen. du bist ein hypergeiler dinosaurier, ich weiß, wo dein herz knallt.

tags drauf, tante ju … der bürgermeister von dresden bestimmt seit jahren das geschehen um diese band hier und außerhalb der grenzen der vorstellung. in wirklichkeit ist er ein konzertveranstalter oder so, aber er regiert in unserem herzen das land auf beste weise. eine herzgestalt, so schroff wie der osten am rand und so liebenswert, wie der hund von böhler. dort fühl ich mich gänzlich unbeobachtet und gehe in die neustadt zur groovestation, wo ich schon so oft gewesen bin. ein teil von mir wohnt hier, heimlich im keller. ich bringe ihm eine heiße suppe und etwas geld.

© Tobert Knopp

busaussteigen nervt. der wecker, dann die tasche, und es regnet auf st. pauli. bassman rein und taschen, ab aus der stadt, da steht das schloss mit seinen spitzen. ich muss erdnüsse rausstellen, die hörnchen und häher warten. wenn ich durchatme, zittern meine augenlider, ich kann aus irgendeinem grund nicht mehr so richtig greifen. außerhalb meiner selbst betrachte ich dieses leben und seine possen. ricochet. wer mich erwischen will, muss gestern losfahren. bis bald …

tobert knopp


„Innenansichten eines Außerirdischen“ – ein Gast-Blog aus Turbostaats Tourbus. Morgen geht das weiter. Hier geht’s zurück zu Teil 7.

Festsaal vorm Fest:

Beitragsbild: © Tobert Knopp

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„Innenansichten eines Außerirdischen“ – Teil 7

ich habe einen kater. er heißt klaus und wohnt in meinem kopf. klapperklapperklapperklaus.


guten tag. mein name ist tobert knopp und ich spiele bassgitarre in der gruppe turbostaat. seit 21 jahren. ich war 19, als das alles anfing. in husum. unsere neue platte „uthlande“ wird ab jetzt bespielt, hier da und dann dort und ich bin aufgeregt wie sau. das ist mir tatsächlich neu …

kinder, werdet keine punkmusikanten, das tut nur weh. es wird laut gesungen und leute liegen sich in den armen, die alten freunde kommen vorbei, einige werden 50/51 heute. hans schwäger ist da, wegen ihm hab ich einen schulabschluss. ich wollte 99 auf tour fahren, die schule mich nicht gehen lassen. hielt ich für mumpitz und fuhr. sah die welt, kam zurück und sollte gehen. als wär ich überhaupt noch anwesend. hans hat damals grade lehrer gelernt und sein erstes jahr an der fachhochschule in husum absolviert, außerdem hat er mit roli und peter zusammen gewohnt, ist dann schnell mein tutor geworden und hat das ruder nochmal gerissen. 3,6, zeugnis beim umzug danach verloren, nie wieder gefunden.

kinder, werdet keine punkmusiker und alt damit, es ist da nix zu holen außer liebe und leidenschaft, außer gemeinsamkeit, und die zeit vergeht. die ganze markthalle hat gesungen, bestimmt so laut wie bei kreator – ich war so glücklich gestern, dass wir das machen können, so lange schon und so viele gesichter schon so lang. dass man uns zuhört und eine bühne gibt, fürstlich bekocht und allerorts freundlich behandelt. dass die plattenfirma dann zu wenig schallplatten gepresst hat und wir nix zum verkaufen haben, is zwar kacke, aber irgendwie latte.

Tobert Knopp


„Innenansichten eines Außerirdischen“ – ein Gast-Blog aus Turbostaats Tourbus. Morgen geht das weiter. Hier geht’s zurück zu Teil 6.

Beitragsbild: © Tobert Knopp

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„Innenansichten eines Außerirdischen“ – Teil 6

drinnen draußen dies und das …


guten tag. mein name ist tobert knopp und ich spiele bassgitarre in der gruppe turbostaat. seit 21 jahren. ich war 19, als das alles anfing. in husum. unsere neue platte „uthlande“ wird ab jetzt bespielt, hier da und dann dort und ich bin aufgeregt wie sau. das ist mir tatsächlich neu …

es ist seltsam, zwei offdays zu hause zu haben, da kommt man ja richtig an. so mit abwaschen und so – englisch lernen mit sohn. voll geglotzt. hart real. aber die nacht war gut: ich wache auf, weil mich ein schlecht gekleidetes eichhörnchen weckt. ich weiß, dass das natürlich blödsinn ist und lege meine gliedmaßen ab. ich gleite zwischen den dielen aus dem haus, hinunter an der regenrinne, unterm zaun des nachbarn richtung autobahn und überquere diese. kein verkehr. auf der anderen seite schlängel ich mich in eine unterspülung der fahrbahn, sie wird immer enger, am ende liegt so ein grüner stein aus dem playstation-1-spiel vandal hearts. ich wach auf. das eichhörnchen sagt, ich muss frühstück machen. es ist 12 und mein sohn. er braucht eine frisur.

früher haben ausschließlich kreator in der markthalle gespielt, die kommen aus essen und sind eine der besten metal bands der welt. so hab ich das damals wahrgenommen … ich durfte deren shirts nicht haben oder anziehen – geschweige denn nach hamburg auf konzerte fahren. mein erstes metal-shirt war ein benediction-„transcend the rubicon“-shirt, welches als gratisbeilage der großbestellung meiner metalbauernfreunde übrig blieb und mir überlassen wurde. dann „use your illusion 1+2“, beides auf einem shirt, musste sparsam sein und vor mutter verstecken. ist fast so unglaublich wie die tatsache, dass jetzt wir in der markthalle spielen dürfen und dass da hammerviele leute kommen – irgendwie fühlt sich das komischer an, als seine gliedmaßen abzulegen.

tobert knopp


„Innenansichten eines Außerirdischen“ – ein Gast-Blog aus Turbostaats Tourbus. Morgen geht das weiter. Hier geht’s zurück zu Teil 5.

Neu: weiter zu Teil 7.

Eindrücke aus der Markthalle:

Quelle: Instagram
Titelbild: © Tobert Knopp

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„Innenansichten eines Außerirdischen“ – Teil 5

space bleibt the place – und wir heute weltlich.


guten tag. mein name ist tobert knopp und ich spiele bassgitarre in der gruppe turbostaat. seit 21 jahren. ich war 19, als das alles anfing. in husum. unsere neue platte „uthlande“ wird ab jetzt bespielt, hier da und dann dort und ich bin aufgeregt wie sau. das ist mir tatsächlich neu …

kurz gefasst, es wird heute nicht viel passieren. der friese ist krank, sein ladegerät im bus, der bus in der hafencity oder so und wir sind in bergedorf. marten und tobert gehen spazieren zur sternwarte. wir bestaunen diesen ort, er ist mir heilig. dass hamburg so wenig übrig hat für den ausblick in die sterne, mag mir nicht einleuchten. weltkulturerbe auf aussicht, engstirniges kleines pfeffersackloch. finsterer ausblick, blöde elbdings – ich bin in die vorstadt gezogen. hier sagen die eichhörnchen noch moin und marten gefallen die teleskopnamen und der verfall. ideen zu einem space album, nach all dem konkreten auf uthlande – ich seh die augen der anderen. seine glänzen.

ich koche dem kranken friesen eine hühnersuppe und wir freuen uns darüber, dass kapern jetzt lecker, milka aber bäh ist. ich bin lazy, du bist müde. morgen geht der wahnsinn weiter.

tobert knopp


„Innenansichten eines Außerirdischen“ – ein Gast-Blog aus Turbostaats Tourbus. Morgen geht das weiter. Hier geht’s zurück zu Teil 4.

Neu: weiter zu Teil 6.

Titelbild: © Tobert Knopp

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„Innenansichten eines Außerirdischen“ – Teil 4

rentnerschwemme und rastenhass, dann nudeln. 8 reisebusse voller rentner verstopfen die raste, 97 km vor hamburg. es ist 7 uhr früh, heute ist off day zu hause.


guten tag. mein name ist tobert knopp und ich spiele bassgitarre in der gruppe turbostaat. seit 21 jahren. ich war 19, als das alles anfing. in husum. unsere neue platte „uthlande“ wird ab jetzt bespielt, hier da und dann dort und ich bin aufgeregt wie sau. das ist mir tatsächlich neu …

nightliner drop, das geht so: bus hält. alle raus. sachenpack. regennass. weg der bus. ran der smart. alle rein, abfahrt.

marten, der friese und ich pennen heute bei mir. an offdays gehen wir eigentlich im egalwo ins kino und essen wirsingpizza – heute spielen wir mit suse und meinem sohn „nemesis“ am küchentisch. das ist son brettspiel, so wie alien, aber bissn anders, hat der friese gecrowdfundet. unzählbar viele steinchen und karten, das große monster sieht super aus. wir müssen raus aus der tiefkühle und das schiff reparieren. rumo will waffen sammeln, ich mach nix und bin als erster fertig damit. wir überleben alle und dann koch ich bolognese. lorbeer vom dach schmeckt anders als aus der tüte. der wichtigste bestandteil ist zitrone – und nur tomatenmark nehmen.

als wir noch in schleswig geprobt haben, auf der freiheit, von stadt der angst bis abalonia, da haben marten und ich dort zu zweit gepennt, jedes mal. er aufm boden, ich im feldbett, zwischen den kisten im lager. meist haben wir äthiopischen jazz und kate bush gehört und waren ganz lange wach, waren ganz fuselig und duselig von der freiheit auf der freiheit, nachts ist da ja nix und es war ein schloss für uns. kann ich im nachhinein schon verstehen, dass der rest der band am nächsten tag meistens nichts mit den erkenntnissen unseres vorabends anfangen konnte – muss man dabei gewesen sein. da hab ich auch immer spaghetti bratwurst oder carbonara gemacht oder marten hatte selbstmachpesto dabei, an den fenstern unzählige hornissen und ich durfte mal mit helges mofa fahren. kontaktmann rolf hat uns besucht und richtig geholfen, damit wir immer neue saiten für die gitarren haben … letztes waren wir mal kurz da, ist alles umgebaggert und die hornissen sind bestimmt tot. hatte ich aber auch ne heidenangst vor …

draußen stürmt es, freiheit war gestern, aber hier wohnt die liebe – ist schön, dass ihr zu besuch seid. eichhorn statt hornisse.

tobert knopp


„Innenansichten eines Außerirdischen“ – ein Gast-Blog aus Turbostaats Tourbus. Morgen geht das weiter. Hier geht’s zurück zu Teil 3.

Neu: weiter zu Teil 5.

Beitragsbild: © Tobert Knopp

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„Innenansichten eines Außerirdischen“ – Teil 3

auge+beule.


guten tag. mein name ist tobert knopp und ich spiele bassgitarre in der gruppe turbostaat. seit 21 jahren. ich war 19, als das alles anfing. in husum. unsere neue platte „uthlande“ wird ab jetzt bespielt, hier da und dann dort und ich bin aufgeregt wie sau. das ist mir tatsächlich neu …

mainz. waren wir schon mal in mainz? meins erinnert sich nicht … ich möchte einen hut kaufen und gerate in karnevalsmusikanten in der einkaufszone, ich verstecke mich in einem plattenladen und kaufe verlegenheitsjazz. die hüte sind alle scheiße und später verschneide ich meinen bart schief und dann zu kurz. ich will mir heute nicht gelingen. ich treffe 2 freunde und wir spielen mit unseren fantasykarten. das macht mich sehr glücklich, denn ich halte mich heimlich für einen wizard aus kotz und das begieße ich mit zu viel whiskey.

dann muss ich rennen, meine schuhe holen, weil es auf die bühne geht, in 2 minuten. raus aus den botten, rein in die slipper, dann hammer laut und doll und an der eins vorbei. es macht heute richtig spaß! ich möchte jan etwas von dem rauchigen getränk auf das shirt spucken (er mag den geruch nicht) und der gag geht in die hose, bzw. ins auge. müssen wir später spülen. er is böse, ich n bissn zu besoffen.

später sind ganz viele leute im backstage und ich muss irgendeiner eule sagen, dass sie mal nicht am catering rumsauen soll …

ich bin übrigens erstaunt, dass uthlande live so gut läuft, es wirkt so, als hätte das publikum schon viele lieder ganz oft gehört und sich freut, dass wir die spielen. ich erlaube mir keine einschätzungen vorab und erwarte nichts, ich wäre vollkommen ok damit, wenn es niemand interessiert, was wir tun – dann ist die überraschung riesig! auf der bühne merkt man, dass es schön ist, wieder unterwegs und laut zusammen zu sein. so viel scheiße fällt aus dem kopf. peter schaue ich heute die ganze zeit an und ich hab ihn so lieb – das ist übrigens erstaunlich: nach 21 jahren mögen sich alle noch und ich glaub, langsam sogar noch mehr. mag am alter liegen …


„Innenansichten eines Außerirdischen“ – ein Gast-Blog aus Turbostaats Tourbus. Morgen geht das weiter. Hier geht’s zurück zu Teil 2.

Neu: weiter zu Teil 4.

When in Mainz:

 

Beitragsbild: Tobert Knopp

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„Innenansichten eines Außerirdischen“ – Teil 2

kebapträume …

es ist kein verlass auf die zukunft von morgen. es ist kein verlass auf mich.


guten tag. mein name ist tobert knopp und ich spiele bassgitarre in der gruppe turbostaat. seit 21 jahren. ich war 19, als das alles anfing. in husum. unsere neue platte „uthlande“ wird ab jetzt bespielt, hier da und dann dort und ich bin aufgeregt wie sau. das ist mir tatsächlich neu …

heute sind wir in köln, nachdem gestern das soundsystem in jena flöten ging, will sagen: alles üben wurde auf die probe gestellt, die teuren ohren einfach aus, oh weh. blindflug …

hauke ist übrigens unser soundmann, seit weit über 10 jahren. wie lange genau, das weiß ich nicht mehr. ich kenne hauke schon mein halbes leben. er hat früher bei akephal gitarre gespielt, im speicher husum konzerte gemischt und in seinem spärlichen wg-zimmer hab ich das erste mal kyuss gehört, danach war einiges anders. wir kachelten immer über alle landstraßen zu schnell, schwammen im lundener schwimmbad nachts und nackt und sven treubmann hatte da reingeköppert mit offenen augen, aber konnte dann doch recht schnell wieder sehen. auf dem weg in die umliegenden diskotheken beklauten wir über nacht angelieferte supermärkte und die reste vergammelten danach in unseren küchen, wochenlang. explodierende milchflasche macht quark an decke, bass zu laut macht sound scheiße, ego macht stimmung kaputt. irgendwann waren deine haare mal ganz weiß und weg und dann ging alles wieder von vorne los.

noch mehr schätzen gelernt hab ich ihn aber über die jahre auf ganz andere weisen: auf hauke ist verlass und gestern war ich ein arsch. für den ausfall des bühnensounds kann er gar nix und das müsste ich eigentlich wissen – unser busfahrer franklin hat gesagt, da muss man als profi drüberstehen. mein ego ist mir wichtiger als deutschland … heute tut mir das leid.

was noch viel wichtiger ist: jetzt ist das wieder egal. wir nehmen uns zeit und basteln alles wieder zurecht, aus dem grundvertrauen heraus, dass uns ja eigentlich nix passieren kann dabei, ist ja punkband und fehler is king …

wir versöhnen uns, indem wir in köln tun, was wir immer gemeinsam tun. auf das wir uns seit tagen freuen: wir fahren zum kebapland. wir heizen dahin und bestellen immer dasselbe, lammspießteller. das brot eingeschmiert mit schmeckiger marinade, gegrillt über der holzkohle, ganz heiß, und es dampft und riecht so gut. es ist ganz voll drinnen und alle wollen sitzen und auch und wir schmausen und loben verliebt. auf das kebapland ist genauso verlass wie auf den ausfall der technik, die zuversicht auf besserung meinerseits und auf hauke albrecht.

tobert knopp


„Innenansichten eines Außerirdischen“ – ein Gast-Blog aus Turbostaats Tourbus. Morgen geht das weiter. Hier geht’s zurück zu Teil 1.

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Inside Kebapland:

Bilder: © Tobert Knopp

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„Innenansichten eines Außerirdischen“ – Teil 1

der weltraum – unendliche weiten.


guten tag. mein name ist tobert knopp und ich spiele bassgitarre in der gruppe turbostaat. seit 21 jahren. ich war 19, als das alles anfing. in husum. unsere neue platte „uthlande“ wird ab jetzt bespielt, hier da und dann dort und ich bin aufgeregt wie sau. das ist mir tatsächlich neu …

heute sind wir im kassablanca in jena. kaum ein ort, den ich mehr verehre, als das café im turm, mit seinen balken und der steinernen bank und dem airbrushgemälde vom vollständigen universum (teilhaft) an der decke. ein freundlicher ort, martin empfängt uns immer mit offenen armen und ich fühle mich auf eine art zu hause und bin sehr dankbar. hinten rein und dann hoch und vorbei an der küche, hallo nach oben, in die unendlichkeit. das eigens zubereitete essen is stets fantastisch und man spürt, dass sich hier immer mühe gegeben wird für die reisenden bands. das ist nicht immer selbstverständlich, unterwegs. 

der erste tag ist immer etwas stressig. obwohl jeder eigentlich weiß, was er zu tun hat, kommt meist einiges durcheinander. überall liegen die deckel von kisten und der inhalt davor. ich suche klett. ich muss ein echogerät befestigen, ich habe mir fest vorgenommen, an unvereinbarten stellen auf das ding zu treten und mächtig krach zu machen. ich mag die gesichter, die werden mit den tagen nämlich länger. je mehr routine in den ablauf kommt, desto erstaunter schauen sie. ein sample an komischer stelle oder der viel zu lange hall: es hat etwas ulkiges, dass musik so berechenbar zu wiederholen ist. 

Eindruck eins von zwei aus Jena:

 

ich frage mich stets, ob mich auch jemand beobachtet, wenn ich dort oben stehe, allerdings halte ich mich meist für unsichtbar. das ist übrigens ein geheimnis: ich war früher sehr aufgeregt vor konzerten. da mein gehirn nur mässig in der lage ist, sich anzupassen, habe ich mit den jahren meine multitasking-fähigkeit in vielerlei punkten kürzen müssen, um klarzukommen. als ich jahrelang nur traurig war, konnte ich den menschen nicht mehr in die augen sehen – ich habe mir dann meine sehstärke abtrainiert und keine brille getragen. lange konnte ich nur ahnen, was vor der bühnenkante passiert. ich bin ein sturer nordfriese und was ich nicht sehe, das existiert auch nicht. keine beweise, keine angst.

aufgeregt bin ich jetzt tatsächlich wieder, obwohl anders und erneut zum ersten mal. alles klappt momentan mit turbostaat. ich muss gar nicht hingucken beim spielen und ich habe mir abgewöhnt, alles analysieren und hören zu wollen, was ich da genau tue: auf meinem monitor mix sind jetzt wieder alle aus der band gleichmäßig laut vertreten, ich höre uns zusammen zu, das mag ich wieder gerne, denn die neue platte ist irgendwie ganz anders, als ich hätte ahnen können. ich empfinde sie als einfach und damit übernehmen wir uns irgendwie nicht. es ist etwas uneitel und das eigentlich gar nicht meine art. 

wenn da nicht der stete kopfschmerz wäre, der mich am ersten tag immer langsam macht und klapprig, und ich mich so alt fühle, wie ich wirklich bin, die ticks mich treppen zweimal und schmerzmittel viermal nehmen lassen, ich jeden tack zerzähle und dinge durch 5 teile, dann hätte ich nichts zu klagen. ach jena …

tobert knopp


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Eindruck zwei von zwei aus Jena (mit Buchtipp):

 

Quelle: Instagram
Bilder: © Tobert Knopp

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„Innenansichten eines Außerirdischen“ – Teil 0

erst die hose, dann die schuhe. ein erster schuh, dann die hose: und dann die schuhe. was einst nonno hätte helfen können, soll heute mein hirte sein, ich weiss ja gar nicht mehr von vorn und hinten und wo das eigentlich ist. morgen bin ich in jena. (nonno hat mit peter und kwixi bei zack ahoi, gespielt. geile band … der konnte schreien wie son viech, im sitzen …)


guten tag. mein name ist tobert knopp und ich spiele bassgitarre in der gruppe turbostaat. seit 21 jahren. ich war 19, als das alles anfing. in husum. unsere neue platte „uthlande“ wird ab jetzt bespielt, hier da und dann dort und ich bin aufgeregt wie sau. das ist mir tatsächlich neu …

bevor ich um 23:05. zuerst einen bus, dann eine bahn, dann eine andere nehme und dann in einen richtig großen bus steige, muss ich etwas sortiertes vorstellen: den versuch, jeden tag ein kleines bisschen einblick in den ablauf dieser schönheit zu geben, den ich rollbettfahren nenne. dazu braucht es eine band inkl anhang, einen schlafbus, etwas gerät, frische bettwäsche (olfaktorisch unbedenklich), etwas tigerbalm, silikonohrstöpsel. ingwer. statt star trek diesmal ein buch von david byrne: „how music works“.

deswegen auch dies hier. wie das genau funktioniert, mit soner band, versteh ich seit jeher nämlich eher wenig und ich betrachte den ablauf stets mit staunen. es wird laut und kracht und blinkt und knackt und da kommen ja leute hin irgendwie und freuen und gehen und dann fährt das ding weiter und ich riech nach kampfer und hör ja gar nichts mehr – da muss man mit den füßen nach vorne schlafen, ich vorneuntenlinks und es wackelt dann … 

in einigen städten die lichter, woanders ein imbiss, hinterm-eck-versteck, ganz lang muss man anstehen. oder der weinmann immer mit seinen geschichten oder gluffke mal wiedersehen und vielleicht kommt ja olli, wenn er noch lebt. aber das kann carsten auch erzählen bestimmt. ein piratenhauptmann – noch ein piratenhauptmann.

in jena dann die sterne, oben im holz. die hat er gesprüht und ich hab seine namen verloren und ich will ihn da wieder treffen und diesmal mein ich es ernst, aber dazu morgen mehr … 

tobert knopp


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Ein erster Einblick:

Quelle: Instagram
Beitragsbild: © Andreas Hornoff

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