Computerprogramme, die sich verselbstständigen und die Menschheit bedrohen – vor vielleicht zwanzig Jahren wäre eine solche Story noch in das Genre Science Ficiton gefallen. In dem kürzlich erschienenen „Das Erwachen“ von Andreas Brandhorst wird ein von Menschenhand heraufbeschworenes Software-Alien Realität.
Was in Daniel Suarez‘ Thriller „Daemon“ (2009) noch ein bisschen düstere Zukunftsmusik zu sein scheint, wirkt in „Das Erwachen“ so nah wie nie zuvor. Andreas Brandhorst verweist in seinem neuen Werk ausdrücklich auf mögliche Risiken und Nebenwirkungen einer sich fortwährend vernetzenden digitalen Welt. Schwarzmalerei oder dunkles Vorgefühl?
Es braucht nicht viel, um ein virales Programm zu entwickeln und in Umlauf zu bringen, sodass sich das hierarchische Verhältnis Mensch – Maschine umkehrt. Eine solche Bedrohung wird im Thriller bereits im Jahre 2031 real. Wie groß wäre das Dilemma, wenn sich künstliche Intelligenzen zu einer Maschinenintelligenz vereinen und den Menschen mit Leichtigkeit übertrumpfen?
Im Gegensatz zu der digitalen Bedrohung Daemon (“Disk and Execution Monitor”)aus dem gleichnamigen Buch von Daniel Suarez kreiert Brandhorst aus seiner Maschinenintelligenz keine manipulative Killermaschine, allerdings auch keine dem Menschen unbedingt freundlich gesinnte Intelligenz: Die durch ein Versehen freigesetzte digitale Infektion entpuppt sich als Initialzündung, welche die NSA für den Erstschlag eines globalen Cyberkriegs geschaffen hat – und damit beginnt eine nicht mehr aufzuhaltende, unberechenbare Infizierung aller digital verknüpften Geräte weltweit.
Andreas Brandhorst gelingt es vor allem zu Anfang des Thrillers Spannung aufzubauen und zu halten. Die meisten Charaktere kommen jedoch im Laufe der gut 700 Seiten nicht über eine oberflächliche Darstellung hinaus, da Brandhorst diese im Gegensatz zum behandelten Thema an einer kurzen Leine hält; dementsprechend fallen einige Darstellungen wie Dialoge recht hölzern aus.
Der deutsche Thriller thematisiert einerseits die Angst vor dem menschlichen Kontrollverlust durch das „bedrohliche Fremde“, was uns vor allem aus Science Fiction Stories bekannt sein dürfte. Andererseits stellt er einen aktuellen Bezug her, indem mögliche Konsequenzen der Weiterentwicklung unseres jetzigen technischen Stands und damit verbundene globale Auswirkungen facettenreich diskutiert werden.
Wie die Welt in vierzehn Jahren tatsächlich aussehen mag? Andreas Brandhorst hat zumindest einen visionären Versuch gewagt!