LNZNDRF, Grüner Salon, 23.2.2016
LNZNDRF sind auf Clubtour durch Berlin und die Magengegenden ihres Publikums. Warum sollte man das nicht verpassen?
Berlin, eine nasskalte Woche Ende Februar 2016. Mal wieder ist eine The-National-Supergroup in der Stadt. Nach Matt Berningers EL VY erweisen nun auch LNZNDRF der Berliner Clubkultur die Ehre. Und im Falle LNZNDRFs ist die Ehre eine besondere, denn sie nehmen sich Zeit und spielen gar drei ihrer insgesamt nur fünf Europa-Termine in Berlin. Zwei der Konzerte (Donnerstag Kantine im Berghain, Freitag Cassiopeia) stehen noch aus, was die Frage interessant macht, wie denn das erste war. Wir haben uns das also mal angeguckt, Dienstag im Grünen Salon.
Wer sind LNZNDRF? Ihr unaussprechlich anmutender Bandname, der an die Love-Symbol-Phase eines Künstlers, der zuvor mal als Prince bekannt war, oder auch an Namen von Bands wie den guten alten !!! erinnert, löst sich mit Blick auf die Bandmitglieder relativ schnell in seine Vokale auf. Zum einen findet sich im Projekt der Multiinstrumtalist Ben Lanz wieder, am besten bekannt als Tubist und Posaunist von Beirut, aber auch in den Livebands von Sufjan Stevens und The National zugegen. Er taucht auch in einem Video auf, das hier bereits diskutiert wurde. Man sieht ihn beim ersten Kameraschwenk nach links an der Posaune:
Quelle: YouTube
Zum anderen sind die Devendorf-Brüder Scott und Bryan an Bord, ebenfalls bekannt durch The National, ebenfalls im Video, jedoch bekannter als Lanz, da Gründungsmitglieder und als Bassist und Schlagzeuger feste kreative Bestandteile der Band. Und aus Lanz und Devendorf wird eben Lanzendorf, um nicht zu sagen LNZNDRF. Also allesamt Menschen, die man als Indie-Festivalkind schonmal live gesehen haben könnte, die es jedoch als eher weniger zentrale Figuren vielleicht nicht unbedingt in die bleibende Erinnerung geschafft haben. So ist die Erwartung an einen Konzertbesuch dieser Supergroup eher die, auf unbekannte alte Bekannte zu treffen, um sie endlich besser kennenzulernen.
Mit ihren gebatikten Rennfahrerbodys machen sie schon von Beginn an der Show den Eindruck, eine Art Mechaniker zu sein – ein Eindruck, der auch während des Sets nicht verfliegt. Vielleicht betont schon die Schreibweise des Bandnamens die Strukturiertheit ihrer Musik. Denn anders als etwa Radiohead-Schlagzeuger Phil Selway, der sich mit seinem Soloprojekt als verkommenes musikalisches Talent aus dem Rücken seiner berühmten Bandkollegen zu befreien suchte, scheint es keineswegs das Anliegen der Mitglieder LNZNDRFs zu sein, mal in der Mitte stehen und Ansagen machen zu dürfen. Vielmehr betont ihre Musik die Wichtigkeit der unzähligen versierten Musiker an Bühnenrändern oder in Recordingsessions, die unbemerkt den Sound von Generationen prägen.
Dass dann trotzdem einer in der Mitte steht, wirkt bei LNZNDRF eher wie ein notwendiges Übel. Denn eine essenzielle Gemeinsamkeit der Mutterbands Beirut und The National ist doch der prägnante Gesang eines charismatischen Frontmanns, der einem vielseitigen Soundbett eine Mitte verleiht. Dies scheint etwas zu sein, gegen das LNZNDRF von vornherein ankämpfen. Auch wenn Ben Lanz mit Gitarre und Mikrophon den Bühnenmittelpunkt ausfüllt, laufen die Songs nicht auf ihn zu. Die Präsenz LNZNDRFs ist viel grundlegender, viel stärker im Zusammenspiel selbst bestehend. Ihre Songs sind dezentral, sie auf eine Gitarren- oder Gesangsspur zu reduzieren, wäre undenkbar und würde ihr Wesen völlig verfehlen.
Ben Lanz im Grünen Salon
Auch sind sie keine Showband. Selbst die Anwesenheit eines Publikums scheint in der Band eher eine Verlegenheit zu erzeugen, anstatt sie zu Rockstarposen zu beflügeln oder gruppendynamisches Animationspotenzial freizusetzen. Die resultierende Atmosphäre ist eine gemütliche, ungezwungene, in der es völlig in Ordnung ist, direkt vor der Bühne auf dem Boden zu sitzen, oder schon eine Reihe weiter hinten zu tanzen. Sie erzeugen das Gefühl, Teil einer Session zu sein, in der niemand außer der Musik selbst ihr Publikum animiert. Und so gelingt es ihnen fast beiläufig und im freundschaftlichen Sinne, ihr Publikum zu überrollen. Aber sie tun dies nicht sportwagenartig wie eine junge Punkband, sondern effektiv wie ein Traktor, der seinem Verkehrsopfer gemächlich über den Bauch rollt und dabei das Profil seiner Reifen und das Gewicht seiner Karosserie preisgibt. Überhaupt spielt sich die Musik von LNZNDRF vornehmlich in der Magengegend ab, was im Publikum das Gefühl bestärkt, selbst Teil der Musik zu sein. Als wären die dröhnenden E-Bass-Spuren nicht genug, legt sich noch ein Synthie-Bass über sie, über hämmernde Distorted Drums noch ein treibendes richtiges Schlagzeug. Beißt sich eine Spur besonders aggressiv fest, wird sie gesampelt, bis die Bissstelle im Magen genau lokalisiert ist.
Aus einem gekonnt mit Übersteuerungen spielenden Sound, das teilweise math-rock-artige Tendenzen hat, aber weniger chaotisch, dafür benommener klingt, befreien sich immer wieder Grooves in unvorhersehbare Richtungen. Darüber liegen teilweise weiche Gitarrenklänge, teilweise zur Unkenntlichkeit effektüberladene, dissonante Läufe und ab und zu ein abwesender Gesang. Die um ein namenloses Live-Mitglied erweiterte Besetzung klingt so simpel: Schlagzeug, Bass, Keyboard, Gitarre. Den Unterschied machen aber letztlich eine Effektflut aus Loopgeräten, Verzerrern und Synthesizern sowie ein paar Leute, die sich von Berufs wegen wirklich damit auskennen und sich nicht zu schade sind, den halben Auftritt im Dienste des perfekten Sounds auf dem Boden zu knien und Geräte einzustellen. Zwar bleibt das rationale Gefühl, dass der Musik doch irgendetwas fehlt, aber es kommt einfach nicht gegen den Eindruck an, dass das, was da ist, ziemlich beeindruckend ist. Denn sie schaffen es, eine Musik zu erzeugen, die gleichzeitig sphärisch und versiert ist.
Quelle: Vimeo
Merke: LNZNDRFs Musik, die sie selbst als Psych-Prog definieren, wäre im Spiegel der gewöhnlichen Indierock-Assoziationen langweilige Musik, wäre sie nicht so brilliant gemacht und eindrucksvoll präsentiert. Selbst direkt nach dem Konzert fällt es schwer, eines der Lieder anzusingen, doch was noch über Tage bleibt, ist so etwas wie ein Ohrwurm. In der Magengrube. Allein das ist eine spannende Erfahrung. Wer die Gelegenheit hat, sollte einen ihrer anstehenden Auftritte mitnehmen. Oder probieren, beim nächsten Auftritt von Beirut oder The National nicht auf den Gesang zu achten. Der erste Vorschlag erscheint einfacher:
25.2. Kantine im Berghain
26.2. Cassiopeia
Bilder: © Katharina van Dülmen