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Wie ein Witzebuch, nur witzig: Seinfelds gesammelte Werke

Das Witzebuch aus den Kinderzimmern der 90er hat abgesehen von dem Buchformat nichts mit Jerry Seinfelds „Is this anything“ zu tun. Der größte Unterschied: Seinfelds Werk, das seine gesamten Witze beinhaltet, ist zum Lautlachen. Auch darüber hinaus gewährt das Buch einen einmaligen Einblick.

Ein Gastbeitrag von Markus Hanfler


„Weißt du, was ich mag?“, fragt J.B. Smooth. „Wenn die Leute über die Prämisse lachen, bevor du überhaupt zur Pointe gekommen bist“.

Und Jerry Seinfeld erwidert in der berühmten Netflix-Serie Comedians in Cars getting Coffee: „Das ist das Beste.“, und erzählt von einem Witz mit folgender Prämisse: „Die Stäbchen zeigen, die Chinesen haben Durchhaltevermögen.“ In Seinfelds Buch steht die Pointe dazu: „Natürlich kennen die Chinesen die Gabel … Aber sie sagen: ‚Ja, sehr schön. Aber wir bleiben bei den Stäbchen.‘“

Das Wundervolle an diesem Witzebuch ist die verdichtete Chronologie. Jerry Seinfeld ist bekannt für seinen „Act“, für seine Bühnenperformance, für seine Mimik und Gestik. Aber die 480 gefüllten Seiten an einem Ort, ohne ablenkende Bewegtbilder, geben den Leser٭innen die Möglichkeit sich mit der Essenz und der Struktur eines Witzes zu beschäftigen. Nach 413 Witzen wird deutlich, wie die Prämisse aufgebaut ist, wann sie endet und dass sie oft etwas Absurdes, Gegensätzliches zur Pointe verarbeitet. Auch Seinfelds Entwicklung wird mit dem Buch erfahrbar. Am Anfang, in den 80ern, sind es mehr Wortwitze, am Ende in den 2010ern sind es vermehrt Geschichten. Die Chronologie ist das Einmalige an dem Buch. Das kann ein zweistündiges Stand-up-Programm nicht leisten.

Aber die Wissenschaft des Witzes muss nicht trocken und beschwerlich sein. Das Buch kann auch am Stück durchgelesen werden, so kurzweilig ist es dann auch. Bisher wurde „Is This Anything“ nicht übersetzt und ist nur auf Englisch erhältlich. Am besten sollte es auch dabei bleiben. Was bei dem Witz mit den Stäbchen am Anfang gerade so ging, ist bei vielen anderen Wortwitzen nicht möglich. Das Buch lässt sich auch ohne Englisch-Studium sehr gut lesen.

Es ist aber auch nicht viel mehr als das beste Witzebuch aller Zeiten. Seinfeld gibt eine knappe Einordnung in die Jahrzehnte seines Schaffens, mehr leider nicht. Es ist keine Biografie. Es sind Witze, auch wenn immer wieder biografische Züge durchscheinen. Diesen einmaligen Einblick gewährt Seinfeld. Am Anfang seines Schaffens stehen Reisen, Autos und die eigene Kindheit im Vordergrund. In der Gegenwart geht es um das Verheiratetsein und die eigenen Kinder. Was bleibt, sind Seinfelds Beobachtungsgabe und sein Faible für das Absurde im Alltag. Sein Genie spielt er in pointierten Prämissen aus, die sein Publikum direkt zum Lachen bringen. Es müssen nicht immer Stäbchen sein. Schlüssel gehen auch:

„Neulich saß ich im Flugzeug und dachte: ‚Ich frage mich, ob es Schlüssel für das Flugzeug gibt. Benötigt man Schlüssel, um das Flugzeug zu starten?‘ …“ Die Pointe gibt es dann im Buch.

Ein Trailer zum Buch:

Quelle: YouTube

„Is This Anything“ von Jerry Seinfeld erschien bei Simon & Schuster und hat 470 Seiten.


Markus Hanfler schreibt über Kultur, Sport und Sportkultur und alles, was dazwischen liegt. Als der Traumberuf Dinosaurier nicht funktionierte, studierte er Geschichte und Politik in Aachen und Berlin. Nach Stationen im Journalismus, zog ihn die dunkle Seite der Macht in den Bann und er arbeitet jetzt im Marketing. Schreiben will er aber trotzdem, deswegen ist er hier.

Titelbild: Jerry Seinfeld 1992, © Alan Light (FlickR/Wikimedia Commons)

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