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Ann Cotten – Lyophilia

Lyophilia ist ein zähes, schwer lesbares und stellenweise ganz wunderbares Buch. Der Suhrkamp-Verlag, der die Bücher der österreicherischen Autorin verlegt, nennt es Science-Fiction auf Hegelbasis. Das meint wahrscheinlich, dass das Buch dialektisch angelegt sei. Tatsächlich besteht Lyophilia hauptsächlich aus zwei längeren Erzählungen, die sich antithetisch gegenüberstehen. In der Erzählung „Proteus“ geht es um eine Dreiecksbeziehung des Musikers Zladko zur slowenischen Politikerin Ganja und ihrem Sohn Igor. Die Geschichte ist in einer nahen Zukunft angesiedelt in der es Sex-Roboter gibt, aber die Menschen noch auf der Erde leben.


Diese Zukunft hat die bekannten Fragen und Probleme der Gegenwart zugespitzt: „Die Unruhigen übertünchen ihre krankhafte Unruhe, indem sie die Ziele ihres Strebens mit den Vorschlägen der Werbung streamlinen. Der Werbung oder ihrer Eheleute. Die können genauso wenig wie ich Ordnung schaffen und in der Sonne liegen, aber ihr Chaos und ihre Unruhe wird in Anzüge, Villen, automatische Autos oder gedankenabwesende Kinderbetreuung gespeist.“

Zladko, der Ich-Erzähler in „Proteus“ spielt Saxofon in einer Band, deren größter Hit „Lyophilia“ heißt. Das Wort bezeichnet die Gefriertrocknung und ist eine Möglichkeit Körper für die Ewigkeit zu konservieren. In der Erzählung „Proteus“ spielt dieses Prinzip kaum eine Rolle, dafür in der zweiten längeren Geschichte „Mitteilungen vom Planeten Amore [KAFUN]“. Die Protagonist٭innen leben auf einer weit entfernten Kolonie, die sie durch eine Zeitreise erreicht haben. Für diese Zeitreise wurde ihr Geist gefriergetrocknet – lyophilisiert.

Diese Erzählung ist deutlich hermetischer. Verschiedene Protagonist٭innen einer Gruppe von Siedler٭innen des Planeten Amore [KAFUN] berichten von ihrem Leben auf diesem Planeten und ihren Beziehungen untereinander. Jetzt fährt Ann Cotten das komplette Science Fiction-Arsenal auf: ferne Planeten, Zeitreisen, Klonen. Die Haupterzählerin nimmt ihren Lebenspartner „Emile“ nur im Plural wahr. Dadurch entstehen Sätze wie: „Emile rollen, bleiben auf den Rücken liegen, die Knie verlangsamt wie bei einer nachdenklichen Spinne. Er scheinen zu überlegen, ob er weiterrollen sollen oder wollen, picken sich einen Grashalm vom Pullover. Rollen plötzlich wieder los, aber fast zitternd vor Unentschiedenheit.“

Solche Einfälle machen Lyophilia zu einem interessanten Prosawerk. Frustrierend sind dagegen die zahlreichen anderen Einfällen, die sich zwischen den Zeilen andeuten. Teilweise sind sie in den begleitenden kürzeren Texten versteckt. Eine dieser Theorien ist, dass die Außerirdischen den Menschen das Sprechen beigebracht haben. Doch wahrscheinlich haben die meisten Leser٭innen frustriert von zu viel Verrätselung aufgegeben, bis sie sich diese Konstrukte erschlossen haben. Zudem konnte Ann Cotten der postmodernen Versuchung nicht widerstehen, aus Lyophilia ein Buch über das Erzählen selbst zu machen. Die Figuren in „Mitteilungen vom Planeten Amore [KAFUN]“ gründen zum Beispiel einen Literaturclub. Ob sie dort Lyophilia lesen würden, ist unwahrscheinlich. Damit entgehen ihnen einige interessante Einfälle, aber sie ersparen sich eine Menge Frust.

Coverbild: © Suhrkamp Verlag

Der Fremdkörper im Deutschrap

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins JAW

Nachdem der Rapper jahrelang immer wieder Hinweise in Form von einzelnen Tracks oder Ausschnitten streute, aber sonst wenig von sich hören lies, stellte sich langsam die Frage, ob es überhaupt ein Come-Back geben würde. Die treuen Fans blieben allerdings geduldig und wurden mit einer weiteren Reise durch Jottas Seelenleben belohnt: Die unerträgliche Dreistigkeit des Seins.

Ein Gastbeitrag von Annabell Lamberth


Während TOA von JAWs Kampf gegen seine eigenen Dämonen in Form von Selbstzerstörung, Mordfantasien, dem Widerspruch zwischen Täter und Opfer, Schuld und Sühne handelte, so betrachtet sein neues Album nach sieben Jahren Pause das Geschehen um ihn herum auf eine gereifte, auf eine bodenständige Art. Den besonderen Blick auf die Abgründe des menschlichen Seins hat er aber nicht verloren. Im Gegenteil, in den Tracks Fremdkörper und Lost in Space gibt er nach wie vor auf eine Weise wie kein anderer es vermag wieder, wie es sich anfühlt, gesellschaftlich außen vor zu sein und sich nicht in einen Kreis, wie den der deutschen Rapszene integrieren zu können. Wie ein Außerirdischer der die menschlichen Konventionen zwar imitieren kann, aber keinen Mehrwert darin sieht ein Teil von ihnen zu werden. „Menschenwesen fragen oft ‚Wie geht’s?‘/ – doch eine Antwort würde Erdenjahre dauern, darum sag‘ ich: Okay.“

Der Rapper Maeckes, dem es ähnlich geht, ist auch auf dem Album mit einem Gasttrack vertreten und liefert einen gelungenen Beitrag zu JAWs Beschreibungen sozialer Ordnung. JAW ist bekannt für seine intimen Einblicke in den menschlichen Wahnsinn und auch deren medikamentiöser Behandlung, welche er schon in seinen vorherigen Alben auf sarkastische Weise kritisierte. Sein Track Entzugsoptimismus lässt seine Versuche der Heilung ohne pharmazeutische Mittel Revue passieren und den Wunsch nach einem normalen Leben deutlich werden „Ich bin so nah an den Dingen wie schon lange nicht mehr“. Doch neben seinem Optimismus kommt auch die Erkenntnis: „Mir wird letztendlich klar, ich kann nicht ohne sie sein,/ kipp die 150mg wie gewohnt in mich rein./ Es bleibt wohl immer noch ein langer Weg, bis ich am Ende meine Seelenverwandlung steh“.

Experimenteller Sound

Darüber hinaus bietet das Album, wie von Jotta gewohnt, bissige, eloquente Stücke wie Nichts, aber auch ganz untypisch eine Ballade, in der er die Höhen und Tiefen der eigenen Beziehungen auf emotionale und gar nicht mal kitschige Weise beschreibt. Der emotionale Höhepunkt findet sich in Bye Mama. Hier verabschiedet er seine verstorbene Mutter auf ergreifende Art. Besonders passend ist hierbei der reduzierte Piano Beat, welcher den Worten noch mehr Raum gibt.

Quelle: Youtube / JAW Official

Auch musikalisch schlägt JAW mit dem neuen Album einen neuen Weg ein. Gemeinsam mit seinem jahrelangen Begleiter Peter Maffya wagt er eine experimentelle, ungewöhnliche Produktion. Bisher war man von JAW eher düstere Synthie- und Samplebeats gewohnt, welche durch ihre unsystematisch, sympathisch schrille Art den Wahnsinn wiedergeben. Die unerträgliche Dreistigkeit des Seins dagegen liefert einen sich stringent durch das Album ziehenden Duktus aus experimentellen Arrangements, welche aus echten, teils verzerrten Instrumenten bestehen. Ebenfalls ungewohnt sind JAWs Gesangseinlagen, unterstützt durch Autotune. Diese fanden eher weniger Anklang bei den Fans, deren Ansprüche nach der langen Wartezeit natürlich enorm hoch waren.

Sich mit den Vorgängern, voller unvergesslicher Höhepunkte zu messen, ist außerdem auch eine nahezu unmögliche Aufgabe. Vielleicht ist JAW auch mit seiner aufwendigen Produktion über das Ziel hinaus geschossen. Denn oft sind es doch die einfacheren, textlastigen Tracks, die mitten ins Mark treffen. Trotzdem sticht Jotta nach wie vor in der Rapszene durch seine wortgewaltigen, emotionalen Tracks hervor. Insgesamt hat JAW mit seinem neuem Album weitgehend positiv überrascht, man merkt aber, dass auch er sich in den sieben Jahren weiterentwickelt hat und die Dinge in einem nicht weniger düsteren, aber doch anderen Blinkwinkel betrachtet. Damit geht sicher nicht jeder d’accord, aber das macht gesellschaftskritische Musik ja auch aus.


Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins JAW

Titel: Die unerträgliche Dreistigkeit des Seins
Interpret: JAW
Label: JAW (Groove Attack)
Datum der Veröffentlichung: 25. Mai 2018
Erschienen als: Audio CD, Vinyl, Mp3 download

 

 


Annabell Lamberth, geboren 1995, stammt aus Frankfurt am Main und ist Studentin der Soziologie und Psychologie an der TU Darmstadt. Sie schreibt zu Musik und Film. In ihrer Freizeit macht sie gerne Musik, geht auf Konzerte und Ausstellungen oder genießt einen guten drink. Sie bleibt aber auch gerne mal zuhause um ihre Film- und Seriensucht auszuleben.

Wurst of metal

Auf der einen Seite gibt es da draußen so richtig gute Alben wie etwa Obscuras Cosmogenesis, Dendemanns Vom Vintage verweht, Mörglbls Grötesk, Prögressors Groovium ad Infinitum oder VAs Furi OST

Von Jens Marder


Misery Signals: Mirrors

MISERY SIGNALS fahren ein recht breakiges Sperrmüllcore-Brett auf, das allerdings nicht mit Vergleichsbands wie den gnadenlosen The Dillinger Escape Plan mithalten kann, da zu viel sinnfreies Gebrüll im Spiel ist. Prägnanz und Wiedererkennbarkeit müssen sich hier hinter Härte und gewiss nicht abzusprechendem handwerklichem Geschick der Kanadier (nicht die Nation) verstecken. Somit ist das Album selbst aufn dritten und vierten Hör eher quälend und auf eine unfeine Art sperrig. Sogar ein fanatischer Marder ist nicht in der Lage, auch nur eine einzige echte Großartigkeit in den Riffs und Klicks dieser Schwachkracher auszumachen. Daher fällt es auch schwer, Songs zum Testhören herauszufiltern. Vielleicht kann man den brachialen Opener „Face Yourself“ und den verschachtelten Titeltrack am ehesten empfehlen, wenn es denn unbedingt sein muss. Da das aber nicht unbedingt sein muss, empfehle ich eher, die Finger in Richtung Unearth, With Passion oder Co(ol). zu lassen, denn Metalcore darf ja auch Spaß machen.

TYP1: Ich ist ein Anderer

TYP1 kommt aus Deutschland und spielt ziemlich harten Alternative/Nu Metal. Was streckenweise noch weniger befriedigt als die Produktion, ist der heulsusene Gesang von Sue Bähring, die mit dem anderen Vokalisten nicht mithalten kann. Die nicht selten guten musikalischen Einfälle hätten eine mächtigere stimmliche Umsetzung verdient. „Morbid“ ist ein solide wütender Einstieg mit guten Brat-Gitarren. Danach folgt das textlich leicht angeskurrilte, melancholische „Kinder“, das durchaus zu beeindrucken weiß. „Phobie“ ist wieder die volle Doublebass-Härte, ein guter, energischer Song mit coolem Bang. Dasselbe gilt für „Allein zu zweit“ und „Liebe und Zorn“, die mit dem einen oder anderen Einfall aufwarten. Der Rest der Platte geht in Ordnung, eine nicht untalentierte Band.

THEODOR BASTARD: Sueta

THEODOR ist ein russischstämmiger BASTARD aus Electro/Gothic Rock, Weltmusik und einem Schuss Avant. Auf der Promo-Packung steht: „This album is waiting for a label to be released.” Dieser Satz ist nicht nur grammatikalisch schwierig, denn so gut wie jeder der auf diesem bereits siebten Album („Suetá“ = russ. Hektik, Wirrwarr) vertretenen Songs ist dermaßen gähnial, dass ich an dieser Stelle mehr Lust darauf habe, „gähnial“ zu googeln und zu gucken, wie viele Personen vor mir schon darauf gekommen sind (es sind nicht wenige, wie ich feststellen muss, was meinen Gag wohl recht gähnial macht), als mich weiter mit dieser LP (= langweilige Platte) auseinanderzusetzen. Na gut, der Fairness halber sei gesagt, dass der Titelsong halbwegs leer ist. „Under The Rain“ weiß ebenfalls durch eine Lullodie zu gefallen, auch wenn das Sigur-Rósige Lullement insgesamt etwas zu präsent ist. „Aliah“ hat was von der Abstraktheit Omelette Lullmans, ebenfalls ein Plus. Doch insgesamt dominiert das Stilmittel der Eintönigkeit, sodass dieses Album genau dort anzusiedeln ist, wo Melancholie und Monotonie sich Guten Tag sagen. Spezialtipp: Objectionable Apparatus von Kol Belov.

THE ALIEN BLAKK: Modes Of Alienation

Relativ eigenartiger Instrumetal, der uns hier von Joshua Craig (Komponist, Gitarrist und Produzent), David Ellefson (Ex-Megadeth) und Craig Nielsen (Flotsam & Jetsam) geboten wird. Totaler Crossoverkill, vom hart riffenden „Replihate“ (die Nummer ist fast so gut wie das lame Wortspiel) bis hin zu der ultrasüßen Zuckerballade „Sol Amente“ (die Hauptmelodie ist klischeegeladener als so manch ein russischer oder chinesischer Popsong), von dem Country-Strike „Twin Twang Twung“ bis hin zum flamencodierten „For Max“ ist so einiges an Genres dabei. Bei Modes Of Alienation handelt es sich um ein in Ansätzen interessantes Album, das oft mitreißender und nicht so unterproduziert hätte ausfallen können. Außerdem ließ ich mir sagen, dass der Gitarrensound kaum Vibrato hat, was wohl irgendwie scheiße ist.

SPIRITUS MORTIS: Fallen

Seit fast zwanzig Jahren frönen SPIRITUS MORTIS dem Untergang und sind noch immer nicht untergegangen. Gut Doom will Weile haben. Doch so ganz doomig geht es auf „Fallen“ eigentlich gar nicht zu. Es ist oft ein ziemlich rockig rollendes Album, das die Traditionen des langsamen und umso schwereren Metalls mit denen des Classic Rock verbindet. „Leave Me“, „Something Came And Killed“ oder „All This In The Name Of Love“ (dieser Anspieltipp ist trauriger als eine Trauerweide) sind dabei allesamt gelungene Stimmungskanonen: Sie heben die Stimmung des Rezensenten, indem sie sie auf einen ordentlichen Doom-Level senken. Leider gibt es auf dem Album auch so manche aussageschwache Stelle, und das Eröffnungsriff von „Sleeping Beneath The Lawn“ ist nun wirklich alles andere als neuwertig.

SÓLSTAFIR: Masterpiece Of Bitterness

7 Lieder in 70 Minuten ist schon mal ordentlich episch. Die Reise durch dieses finnische „Meisterwerk [?] der Bitterkeit“ beginnt mit „I Myself The Visionary Head“. Man möchte dem Track keinesfalls einen gewissen Tiefgang mit phantastischem Potential absprechen, doch gehen diese Attribute, falls vorhanden, mit fast auf 20 Minuten gezogener Langeweile einher. Trotz Doublebass und Blastbeat schaltet man schon mal ab, denn viel passiert da nicht. Ähnlich unterpointiert-zeitverschwenderisch wirken Track 2 und 3. „Ghosts Of Light“ bringt aber doch noch etwas Abwechslung und Griffigkeit in die Sache, wenn auch nicht in Überdosis. Dann kommt „Ljósfari“, das durch seine umfassende, energische Trauer mitreißt, was wahrscheinlich vor allem am flotten Schlagzeug liegt, das der nicht unbedingt Paradigmenstruation verursachenden Hauptakkordfolge den nötigen Zusammenhalt verleiht. „Ritual Of Fire“ ist wieder ruhiger konzipiert, und mit „ruhiger“ ist eine Musik gemeint, die vor allem für Leichen (und solche, die es werden wollen) interessant sein dürfte. Nichts für ungut, aber diese Partymucke ist trotz einer gewissen nordischen Schönheit und origineller Drums kein Muss. Das Outro „Náttfari“ schließlich überrascht mit einer gewissen Wüstenrockigkeit, kann aber ansonsten nicht das mittlerweile gefestigte Urteil beeinflussen, dass es sich bei diesem Album leider um keine Kaufempfehlung handelt. Wer auf prachtvoll-begnadete Epik steht, der möge sich etwa „Sapphire“ von Redemption ans Herz wachsen lassen, kein unschmerzvoller Vorgang übrigens.

SARALEE: Darkness Between

Die Finnen SARALEE spielen einen leicht angegothten, melodisch-melancholischen Rock/Metal-Hybriden. Der Opener „Everytime“ ist ein hübsches Pop-Lied, das den Stil und die Stärken der Band gut auf den Punkt bringt. „Black & Hollow“ ist ebenfalls prima geglückt, elegante Klavierbegleitung sorgt für ein sympathisches Stimmungstief, welches dem Bandsound eine eigene Wärme verleiht. Der titelgebende Track kommt mit einem echt hitverdächtigen Refrain und einer ehrlichen Sentimentalität daher, sodass man auch hier mit durchausem Respekt nicken darf. „My Sweet Craving“ überrascht trotz aller Depriphilie mit flippischem Hard’n’Heavy-Riffing, das dann aber doch in langweiligere Gefilde abdriftet, was wohl auch das Manko von Darkness Between insgesamt sein dürfte: Solide Songs stechen aus den ansonsten lauen Kompositionen heraus, weswegen alles in allem ein gut gemachtes, aber immer wieder albernes Album das Resultat ist.

PLATITUDE: Silence Speaks

Wie kann sich eine Band PLATITUDE nennen, wenn sie als Ausgleich zum verhängnisvollen Bandnamen nicht mindestens so originell und aufregend klingt wie etwa Ark auf Burn The Sun? Na ja, ganz so schlecht ist deren Musik ja nicht. Die Schweden haben einen guten Sound, einen guten Sänger und gute Instrumente. Aber ein Gemeinplatz-Hasser muss schon genauer hinhören, um festzustellen, dass das alles nicht so ganz platt und abgegriffen ist, wie es zunächst klingen mag. Nach reiferer Überlegung stellen sich Songs wie „Tell The Truth“, „Nobody’s Hero“, „Silence Speaks“, „You“ (Refrain-Qualität beachten!) und das überaus cool und dramatisch riffende „Don’t Be Afraid“ (Anspieltipp!) als grundsolide heraus. Also ein zweitklassiges Album, das zum Glück nicht frei von einigen erstklassigen Momenten ist.

Face Down: The Will To Power

FACE DOWN sind wieder da und richtig derbe drauf, genau so, wie es sich für eine Thrash/Death-Metal-Band gehört. Da drastische Drums und rigorose Riffs auf The Will To Power keine Ausnahme sind, kann das Album schon mal nicht schlecht sein. „Blood Tiles“ ist ein erbarmungsloser Wegfeger, „Insanity“ und „Warhog“ sind viehisch, brutal, direkt. „Will To Power“ ist gnadenlos und bietet abwechslungsreiches Gitarrenspiel, das am Ende überraschend in einen düsteren Pianopart übergeht. Auf der anderen Seite haben wir jedoch auch so Sachen wie z. B. „Drained“, „Heroin“, „Heretic“ und „The Unsung“, die entweder zu wenig oder zu viel Wiedererkennungswert haben, was in beiden Fällen nicht gut ist. Insgesamt ist die Platte echt nicht übel, schließlich kriegt man bei jedem Song eins in die Fresse. Doch manchmal geht die Thrash-Gleichung (Thrash = derb + fies) nicht ganz auf: FACE DOWN sind oft einfach nicht fies genug, was dieses Album unterm Strich schlechter als gut macht.

Circle of Dead Children: Zero Comfort Margin

CIRCLE OF DEAD CHILDREN machen Grind, Death und Crust. Dass die hier praktizierten Riffs besonders simpel sind, kann man nicht behaupten. Wie bei vielen Extrem-Metal-Gruppen trifft man auch hier auf Breaks en masse. Allerdings blubbert die grindige Brühe im Endeffekt ideenlos daher, Tempowechsel & Schmankerl vermögen nicht über die Tatsache hinwegzutätscheln, dass die vorliegende Platte nicht viel mehr zu erzeugen vermag als irgendeine undifferenzierte Art von morbiden Gruselantien. Während andere vergleichbare Bands in 20 Minuten eine dichteste Kugelpackung aus Harmonie und Dissonanz abliefern, hat das vorliegende Album eher was von einer Fehlzündung. Natürlich kann man zu dieser Mucke viel besser bangmoshen als zu einer Fehlzündung, aber es gibt ja auch genug andere Bands, die nicht nur knüppelkotzen, sondern auch formidable Strukturen erschaffen. Wer als Kind genug Brei hatte, darf auf Zero Comfort Margin verzichten.

SWITCHBACK: Angel Of Mine

Thrash, Death, Mathcore. Auf der Erstlingsrille der Schweizer SWITCHBACK kommt einiges an Extrem-Metal zusammen, und es entsteht eine (head)bange machende, immer wieder recht originelle Fleischhausubstanz namens Angel Of Mine. Die Promoter sprechen hier von „Elf-Track-Weltenbrand“, was nicht ungewagt, aber irgendwo verständlich ist. In der Tat werden hier jede Menge Bolzen verschossen. Während der Opener recht unspektakulär weht, blasen Songs wie „Ironic Sensation“, „In The Deep Of My Soul“ oder „Eco“ die pure Ästhetik des gemeingefährlichen Thrash-Riffs auf eine nett dagewesene Art und Weise. Der Titelsong geht los mit einem flink gezockten Gitarrenintro, das auf mehr hoffen lässt, als dann tatsächlich kommt. Nach dem zweckdienlichen Akustik-Instrumezzo gibts mit „The Flames Of The Beyond World“ und „Esperanza“ noch zwei anständige Attacken, bevor sich das Album auch schon dem Ende zuneigt und den Hörer mit ein paar blauen Metalflecken im [empfindliches Körperteil] nicht unzufrieden zurücklässt.

VOODOMA: Reign Of Revolution

Nicht überragend, jedoch gut tut das zweite Album der deutschen Power-Metaller VOODOMA. Mit Oma hat das hier nix zu tun, denn Reign Of Revolution knallt epischwer-melodiös durch die Boxen und würde so manches Altersheim revitalisieren. Geil geht zwar anders, aber „World In Hands“ zum Beispiel ist ein überzeugendes Stück, „White Lies“ ist sehr heavy und „Rude Awakening“ schlägt in dieselbe Derbkerbe – ungesüßter, Judas-Priesterlicher Heavy F****** Metal! „Traces Of Sin“ ist melancholisches Schmeichelmark,  der Rest ist dann aber doch irgendwie nicht das Sahnetüpfelchen auf dem i.

UREAS: The Naked Truth

UREAS sind eine dänische Power-Metal-Band mit dezentem Progfaktor. Das Musikerehepaar Heidi und Per verarbeiten jede Menge eingängiger, guter bis sehr guter Ideen zu einer leichten bis grundsoliden Kost, die sich hören lassen kann. Dank einer leider guten Textverständlichkeit wird der Hörer zwar zuweilen durch ärmliche Texte und Reime vexiert, aber das soll bei der Bewertung nicht ausschlaggebend sein, obgleich Fröhlichkeitsgekloppe, Sprechgesang und Textzeilen wie „I say a prayer to the father in heaven – what shall I do? Give me a sign“ nicht gerade das Gelbe vom Ei, sondern eher vom Himmel sind. Dafür können dann aber Lieder wie „Intoxicated“, „In My Life“, „Survived“ und allem voran „Colour Us Blind“ (Klassiker?) recht sehr überzeugen: (ab- und an-)hörenswert.

UNDERTOW: Milgram

Nach dem etwas zu langen „In“(tro) geht es mit „Stomping Out Ignorance“ ans Fett: Harte Riffs und melodische Parts prägen nicht nur diesen gelungenen Opener, sondern auch das gesamte vierte Album der deutschen Hard-/Metalcoreler UNDERTOW. Weitere brauchbare Lieder sind „Two Fingers“ (emotional ansprechendes Refrain), „Buried In Snow“ (smoothes Riff) oder „This Is The Worst Day … Since Yesterday“ (eindringliche Ballade mit gewissenhaftem Drumming). Allerdings sei gesagt, dass die vorliegende Platte trotz einiger Lichtblicke in Form von Überdurchschnittlichkeit eher tunnelt.

PHAZE I: Phaze I

PHAZE I liefern hier ein intensives Metalerlebnis moderner Prägung ab, das vom Energielevel her durchaus mit Darkane oder dem Biomechanical-Meisterwerk The Empires Of The Worlds vergleichbar ist. Leider ist das Album nicht optimal produziert, sodass man sich die tollen Melodien teilweise dazudenken muss. Aber wahrscheinlich ist es kein Wunder, dass bei so viel mächtigem Gebeule das eine oder andere Detail untergeht. Hier wird ohne Ab gedroschen, es gibt immer wieder proggige Abwechslung, das Schlagzeug ist streckenweise echt monströs, solch fieses Gedrumme muss man erst mal ignorieren lernen. „New Archetypes“ wartet beispielsweise mit einer brillanten Melodie auf, die zwischen Riffstakkato und Riffstakkato untergebracht ist. Danach geht es direkt mit „Evolution Of A Species“ weiter, ein ebenfalls heftiger, wenn auch nicht ganz so großartiger Song, der auf den hohen Derbheitslevel von „Stench Of Their Flesh“ vorbereitet. Track 3 dreht nämlich gleich mit einem total hemmungslosen Riff auf und macht auch im weiteren Verlauf keine Kompromisse, von Gefangenen zu schweigen. Selbiges gilt für das anepisierte „Screams Of Dying Dogs“. „Going To Exist“ setzt dem Ganzen nicht unbedingt die Krone auf, denn es ist das nicht schlechte Ende eines voll nichtschlechten Albums.

PARKWAY DRIVE: Killing With A Smile

PARKWAY DRIVE sind im Prinzip eine weitere tendenziell unfaszinierende Metalcore/Death-Metal-Combo mit einem nichtssagenden Bandnamen, einer einwandfreien, heftigen Instrumentalarbeit und erstklassigen Produktion. Meistens gilt es, mehrder uninspirierte Riffs zu belauschen, die nicht berauschen. Hin und wieder gibt es feine Ausnahmen in Form von einfallsreichen Technikspielereien, die eine Dose Überdurchschnittlichkeit aufmachen. Hervorstechend sind da beispielsweise „Romance Is Dead“ (der Break in der Liedmitte groovt wien Wildschwein), „Guns For Show, Knives For A Pro“ (schweres Riffing) oder „It’s Hard To Speak Without A Tongue“ (cooles Intermezzo). Grundsätzlich aber ist dieses Album eher lau und wirft erneut die Frage auf, wieso die Australier (die Band, nicht das Volk) unbedingt so erfolgreich sein müssen.

MORTAL LOVE: Forever Will Be Gone

Man muss zugeben, dass es sehr schwer ist, an ein Album mehr oder weniger objektiv heranzutreten, das auf zehn Kilometer nach (un)geschminktem Gothkitsch mieft. Der Bandname MORTAL LOVE wäre gerade noch so zu vertragen, wenn da nicht der hyperkitschige Titel Forever Will Be Gone wäre: Zum Schlüssellutschen muss man sich nun gar nicht mehr bücken … Bis auf wenige Ausnahmen wird hier geradezu hirnwidriger Kitschquatsch geboten, dessen angestrebte Schönheit von der Vokalistin respektive „Sägerin“ (s. Presse-Info) Cat überaus kitschwillig erzeugt wird. Aus der Masse der hier dargebotenen Gähniestreiche (es sind nicht wenige, wie ich feststellen muss, was meinen Gag selbst wohl recht gähnial macht) fallen lediglich folgende zwei Tracks ein wenig heraus: „While Everything Dies“ bietet (neben ein paar deutschen Textzeilen) Gruselharmonien im Refrain, was dem Song mehr Tiefgang verleiht. Auch der Titelsong überrascht mit ungothischem Black-Metal-Riffing, das jedoch umso typischer für Black Metal ist und somit im Endeffekt nichts wirklich Neues bietet. Dennoch ein nicht uncooler Abschluss eines ansonsten waghalslosen und spannungsentladenen Albums.

MISERY INC.Random End

MISERY INC. aus Finnland spielen auf ihrem zweiten, gut produzierten Album Random End modernen, relativ skandinavischen Power/Thrash Metal, eine Kombination, die am ehesten an Into Eternity erinnert, wenn man das Virtuose wegdenkt. Sowohl Gesang (clean/death) als auch Instrumentalsektion überzeugen. Lediglich das Kompositorische wirkt oftmals müde, was natürlich der Hauptkritikpunkt sein muss. So manches Riff hört sich ganz gut an („Hymn For Life“, „Apologies Denied“) und so mancher Liedanfang vermag das Bang-Gen zu aktivieren („Yesterdays Grave“, „Source Of Fatal Addiction“, vor allem aber die beiden letzten Thrasher „No Excuse For Weakness“ und „Out Of Here Alive“), aber dann verliert sich der Song in Durchschnittlichkeit, weil die melodiösen Parts irgendwie kein Feuer der Erkenntnis entzünden und dem Hörer keine wirkliche Erleuchtung bringen. Und so muss man zu dem Schluss kommen, dass man von diesem Album kein Ohrenbluten bekommt, weder im positiven noch im negativen Sinne.

MIRZADEH: The Creatures Of Loviatar

Nach dem sowohl düsteren als auch vorhersehbaren Intro mit dem ekligen Titel „Whispers From Filthy Wombs“ gehts mit einem munteren Riff an Mutters Einmachglas Black-Metal-Meat. Noch ist man von MIRZADEHs The Creatures Of Loviatar nicht gerade hin und weg, obgleich die sinistren Monster allmählich aus allen Löchern zu köcheln beginnen. „Viper Of The Frozen Ground“ haut auch nicht aus den Socken, macht aber durchaus auf ein gewisses Talent der Band aufmerksam. Prägnanter ist „Louhi’s Legacy“: Abgehacktes Riffing lässt den Track spannend beginnen, jedoch dominieren schon bald selbstgeknüpfte Keyboardteppiche aus dem Schwarzen Kindergarten, was dem Ganzen doch wieder den anfänglichen Wind aus den Segelohren nimmt. Überhaupt verwässert hier die Tastenbegleitung das Album unglaublich, vielleicht kann man sich da ein Scheibchen von der Dimmu-Borgir-Wurst abschneiden, deren feinste Wässer tiefer sind. Einer der wenigen echten Höhepunkte, oder vielleicht der einzige Höhepunkt, dieses Albums ist auf „Tuonelan Lasten Tanssi“ vorzufinden, als nämlich bei 1:22 das feine Hauptriff einsetzt, dessen Originalität und Energie erdmännchenähnlich aufhorchen lässt … Ausklingen lassen die Finnen ihr Werk mit einem Outro, „Kalmisto“ heißt das dämliche Teil. MIRZADEH verbreiten wenig Licht und noch mehr Schatten, was selbst bei einer Black-Metal-Band nicht als Kompliment gemeint sein muss.

MESRINE: Jack Is Dead (1999 – 2004)

Die vorliegende Platte vereint „das Beste“ aus 12 EPs (inklusive einiger bis dato unveröffentlicht gebliebener Tracks) der kanadischen Grind-o-Matten MESRINE. Vump Jahre Grind bis zum Absterben, alles auf einer Platte. Benannt nach dem französischen Ganoven Jacques Mesrine, treiben MESRINE fast 80 Minuten lang Extrem-Unwesen. Saumäßiges Gebrülle, Gekloppe und Gedärme fliegen aus den Boxen, und das alles gar nicht mal so doof. Es fällt auf, dass die Jungs sich bemüht haben, hin und wieder so etwas wie eine Melodie einzupflegen, damit man die Songs besser auseinanderhalten kann. Dass man sie dennoch nicht auseinanderhalten kann, beweist eindrucksvoll, wie schwer es sein muss, ein Album zu komponieren, das Derb Metal frönt und dabei nicht nur Arsch tritt, sondern auch Köpfchen.

KRISTENDOM: Awakening The Chaos

KRISTENDOM aus Frankreich veröffentlichen mit Awakening The ihr drittes abendfüllendes Album, das ordentliches Death-Metal-Entertainment mit gut Groove und Trommelfellmassaker ermöglicht. Nach den zwar kräftigen, aber kompositorisch eher unspektakulären „Existence“ und „Failure“ kommt mit „Le Souffle Animal“ ein erster überzeugender, atmosphärisch packend umgesetzter Song aus dBoxen. „Short Life“ kracht ebenfalls cool und bearbeitet den Hörer abwechslungsreich. „Welcome“ hat ein catchy Riff als Grundgerüst, was dem Liedchen einen dicken Pluspunkt auf der nach schlimm offenen Monsterskala garantiert. Es folgt noch ein Slayer’scher Break als (obligatorisches) Sahnetüpfelchen als Reisevorbereitung nach Headbangladesch. Ebenfalls sehr einprägsam ist „Impure“, ein recht technisches Ungetüm. Der Rest liebäugelt dann wieder mehr mit Belanglosigkeit. Insgesamt gesehen also ein mit Schmackes produziertes und eingespieltes Album, dem jedoch noch zu viel Durchschnittlauch zwischen den rar gesäten Zähnchen steckt.

KALIBER: Neues Land

Ehrlicher Alternative-Gitarrenrock aus deutschen Landen mit deutschen Texten. „Ehrlicher“ klingt, um ehrlich gesagt, nach Euphemismus: KALIBER können singen und spielen, keine Frage. Heutzutage wird so viel produziert: jeder Dritte schreibt ein Buch, jeder Zweite dreht einen Film, jeder Einzelne spielt in einer Band. Nur ist Vielfalt nicht immer das Gegenteil von Einfalt. Außer vielleicht „Meine Stadt“ scheinen die restlichen Songs recht durchschnittlich kalibriert zu sein. Passend dazu auch die relativ mediokre Titelanspielung im letzten Satz. Bevor ich zu negativ werde und mit diversen unkoscheren Konnotationen des Wortes „Land“ unter die Gürtellinie bzw. ins Loch greife, kommen wir zum Punkt.

GOLGOTHA: New Life

GOLGOTHA aus Spanien sind absoluter Death/Goth-Doom. Langsame, schwere Nüstern einer verboten tiefen Stimme pressen den Hörer in die fötale Aussichtslosigkeit (??? – Anm. d. Red.). Ein bisschen wie Bolt Thrower, nur nicht so militaristisch. Auf jeden Fall übelstes Mittel-Tempo. „Never, Never Again“ ist beispielsweise ein gewaltiger, erhabener Song, dessen Refrain als Kind in ein Bad aus Melancholie und Hoffnungslosigkeit gefallen sein muss – berückend! „I Am Lost“ hat auch Klassiker-Ambitionen. Ein simples, aber dennoch eindrucksvolles Heavy-Riff eröffnet das Lied, in dessen Verlauf die Atmosphäre ausgebuchtet wird. „Lake Of Memories“ ist, wie der Titel schon vermuten lässt, episch, was allerdings nicht unbedingt ein Qualitätsgarant ist. Genau genommen sind es vor allem die zwei anfangs erwähnten Titel, die echten Wert haben, während die übrigen Tracks zwar eine (eindeutige) Stimmung zu transportieren vermögen („Forever Gone“), songwriterisch aber eher uninteressantish sind, zumal vieles ziemlich ähnlich und altbacken klingt. Also der ultimative Bringer ist es nicht, aber für Fans dieser Stilrichtung eine Schwermutprobe wert.

EXTREMA: Set The World On Fire

Ziemlich solide, was die Italiener (die Band, nicht die Nation) da auf ihrem sechsten Album in den Kasten gebumst haben. Es gibt sowohl alternative als auch thrashige Metalcore-Elemente in ihrem Sound, was Set The World On Fire, so unscheinbar der Titel auch klingen mag, zu einem abwechslungsreichen Plättchen macht. „New World Disorder“ ist ein Prügelknabe vom alten Schlage, „Second Coming“ ist etwas zurückhaltender, aber ebenfalls riffrough. Weitere interessante Stellen gibt es auf „Restless Soul“ (Soli), „Six Six Six Is Like Sex Sex Sex“ (is was dran) oder auch „The Will To Live“ (eigensinniger Anfang) zu hören. Enden tut das Album mit einem sog. nichtnotwendigen „Ace Of Spades“-Cover und einem daran anschließenden, sog. nochwenigernotwendigen,abernatürlichauchniemandemwirklichschadenden Bonustrack. Eine stellenweise packende, immer wieder aber auch unspektakuläre Leistung von einem Album, das man sich ruhig mal aufhören kann.

ELECTRIC OUTLET: On!

ELECTRIC OUTLET ist ein Fusion-Projekt, das auf dem vorliegenden Album On! (zu) gut hörbare, immer wieder Easy Listening zugetane Musik entfaltet. „Comprendes“ wird seltsamerweise mit dem charakteristischen Soundeffekt aus dem US-Serienhit 24 eröffnet und entwickelt sich zu einem groovenden, wenn auch schnell durchschauten Longtrack. Während der Jack-Bauer-Verweis für den Opener nicht ganz sinnvoll erscheint, lässt das ziemlich starke „Propellerhead“ durchaus an den Soundtrack einer fiktiven Agentenserie aus den Achtzigern denken, inklusive gelegentlicher Versatzstücke des James-Bond-Themas. „Odd Garage“ ist trotz des eher vielversprechenden Titels ein Liegepinkler geworden, also ein Stück, das ganz nett und ein bisschen funky vor sich hin vegetiert und mit an Sicherheit grenzender Sicherheit ganz wenig Neues bietet. Dasselbe Manko lässt sich auch bei den Nachfolgern „We Need A Plan“ (dieser Satz wird immer wieder von einer Stimme rezitiert und ist, so leid es tut, auch ein wenig selbstreflexiv zu verstehen), „Tekky“ und „Gold III“ nicht verleugnen, obwohl hie und da einige nahezu progmetallische, ziemlich lässige Riffs angespielt kommen. Der Schlusstrack „Miles Away“ schließlich ist, wie fast der ganze Rest der Platte, noch weit von den Gordian Knots oder gar Mahavishnu Orchestras dieser Welt entfernt. Als Alternative zum handwarmen Zeug bietet sich die Knüppel-Action mit Kiefer Sackabland an.

EAGLES OF DEATH METAL: Death By Sexy

Ich finde es regelrecht schlimm, dass die EAGLES OF DEATH METAL keinen Death Metal spielen, sondern so was Alternativ-Rock-’n’-Rolliges, sich aber dennoch mit dem Metall des Todes im Namen schmücken. Klar, der Opener „I Want You So Hard“ ist sicher ein kleiner Hit, und das dazugehörige Video (mit Jack Black in einer kleinen Nebenrolle) echt witzig. In „Cherry Cola“ wird mit gut gebauten Akkordfolgen das Getränk besungen, und „Poor Doggie“ hat einen straighten Rock-Beat und ist recht bluesig und cool ausgefallen. Aber sonst ist das Album ein großer Schmerz im Arsch! Man darf vor dem QotSA-Frontmann Josh Homme (hier am Schlagzeug) so viel Respekt haben, wie man will, aber eins steht fest: Während seine ziemlich großartige Stammband für Fans von guter Musik komponiert, komponieren die EAGLES für Fans von Glam-Rock-Parodien oder so. Was.

DISARMONIA MUNDI: Mind Tricks

Eigentlich unverständlich, wie man derart langweilige und belanglose Alben aufnehmen und den absolut übersättigten Markt noch weiter mit kunstlosem Mist ausstopfen kann. Keine Top-Produktion und kein einwandfreies Handwerk der beteiligten Musiker (darunter auch Biom „Speed“ Strid am Grunz) können mich davon abhalten zu meinen, dass es sich bei DISARMONIA MUNDIs drittem Album Mind Tricks um ein/en unnötigen In-Flames-/Soilwork-Klo/n handelt, zu dem man kataton bangend die Spülung betätigen möchte. Größtenteils uninteressante Kompositionen durchziehen diese selten überragende Platte und machen Lust auf weniger. Der Titelsong klingt zwar ganz anständig (nicht eigenständig!), vielleicht auch „Parting Ways“ und „Liquid Wings“, ansonsten jedoch: GÄHNichtkauf

CRUACHAN: The Morrigan’s Call

Das Eröffnungsriff von CRUACHANs The Morrigan’s Call ist wahrscheinlich so alt wie Metal (nicht die Musikrichtung, das Material). Das muss eigentlich nicht sein, selbst wenn die irische Pagan-/Folk-Metal-Band ihre Musik mit deutlichen Einflüssen aus alten Zeiten versetzt. Hier gibt es Violinen, Mandolinen und kleine Bläser, zwischendurch auch Death- bzw. Black-Metal-nahe Kreischattacken, aber die Vielfalt an Instrumenten hilft nicht immer über die häufige Schlichtheit der Kompositionen hinweg. „The Brown Bull Of Cooley“ besticht durch eine schöne, geheimnisvolle Melodie, „Coffing Ships“ kombiniert kompromisslosen Black Metal mit lustiger Kirmesmusik aus dem Jahre 1234, „Ungoliant“ scheint eine Reprise des wunderschönen, schon erwähnten „The Brown Bull Of Cooley“ zu sein, wobei interessanterweise keine besonderen Unterschiede zum letztgenannten Track feststellbar sind. Der Rest der Platte ist unterm _______________.

ALLHELLUJA: Pain Is The Game

Gleich zu Beginn sei bemerkt, dass die Musik dieses Heavy-Rock-’(n’-Death’-)n’-Rollers nicht mit der Sonderbarkeit des Covers mithalten kann, das ästhetisch irgendwo zwischen David Lynch und Silent Hill anzusiedeln und entsprechend augenfänglich ist. Der Opener „Are You Ready?“ ist sicher ein Song von Format, energiegeladen und prägnant. „Demons Town“ ist ebenfalls ein griffiger Riffer mit einem coolen Refrain. „Big Money, Sweet Money“ hat etwas von Alice in Chains, durchaus ein Aussagekräftiger. Der Rest ist eher Groove-Brei, der mit neophoben Simpelriffs anödet. Also na ja, eine gewisse Qualität kann man dem Vierer um Hatesphere-Sänger Jacob Bredahl nicht absprechen, aber ob ich dieses Album je wieder hören werde, ist so fraglich wie die Ampel in der Kirche.

AGORAPHOBIA: Sick

Auf ihrem selbstproduzierten Sickbum gibt es gut gemachten Thrash/Death mit diversen modernen Einflüssen zu hören. „Gut gemachten“ klingt nicht nach purer Begeisterung: Tatsächlich gibt es zwar hier und da ordentliche Riffs, die aber nicht zwingend dafür sorgen, dass die Songs für längere Zeit einen Platz im Stammhirn finden. Dafür sind die tragenden Ideen in den besten Tracks des Albums wie „With A Smile“, „The Call“ (hat was von Train Of Thought) oder „Harassed Consciosness“ zu bräsig, gut gemeint zwar, aber doch nicht bissig genug. „My Weapon“ mag zwar echt Power haben und rifft fast auf demselben Frechheitslevel wie Destruction in Bestform (etwa „Bestial Invasion“), dennoch werde ich nie kapieren, wieso Leute ein Album Sick nennen, wenn es lediglich vor sich hinsickert.

Xcarnation: Grounded

Laut Promo-Beipackzettel treibt es Cenk Eroglu, Begründer, Sänger, Gitarrist, Keyboarder, Komponist und Produzent seiner Band XCARNATION, progressiv und meisterlich. Diese Aussagen müssen etwas relativiert werden: Hier wird hin und wieder überdurchschnittlicher Industrial/Electronic Rock geboten, der nicht progressiver ist als Nine Inch Nails. Der Packungsbeilage lassen sich ebenfalls angedeutete King-Crimson-Bezüge entnehmen, die angesichts von nicht weniger als vier kompositorischen Platzpatronen auf diesem 10-Schuss-Album sowie der gerade erwähnten Straightness des Materials wirklich mehr als unangebracht sind. Hervorragen tun andererseits das mehr emotionale denn innovative, mit sich dramatisch zuspitzendem Riffing ausgestatte „Everlasting“, die sehr schöne, aber auch überaus Bryan-Adamselige Ballade „Without You“, das mit exotisch-orientalischen Zwischenspielen angereicherte „Reason To Believe“ und schließlich „Lucky Day“, dem der wahrscheinlich unvorbelastetste Refrain des gesamten Albums zugrunde liegt. Der größte Schwachpunkt von Grounded ist und bleibt aber die Tatsache, dass einige der besten Momente immer noch einen unangenehmen Beigeschmack von Epigonentum aufweisen. Insgesamt gesehen also keine Platte für die Ewigkeit, obgleich der eine oder andere Funke jener Zeitlosigkeit, aus der die Komponistenträume gemacht sind, überzuspringen vermag.

Vermis: Liturgy of the Annihilated

VERMIS praktizieren eine ziemlich groteske Variante des Death Metal, wie man womöglich schon am Albumtitel erkennen kann. Leider kann man die Band qualitativ nicht ganz mit den Klassikern etwa eines Morbid Angel vergleichen, obzwar hier ein äußerst solider und häufig eigener Dampfwalzensound regiert. Wie zum Beispiel im ersten Song „God Abhors The Living“, der an das Überwerk Heretic erinnert, weil mit überaus monströsem Riffing ausgestattet. Ab dem Nachfolgetrack „Necrosapiens“ ist allerdings ein leichter Riff-Verfall zu verzeichnen: Die Liedanfänge mögen zwar noch durch eine gewisse Prägnanz und Ausdrucksstärke überzeugen, auch gefällt so mancher Liedtitel, der sich – wie es sich für richtigen Death Metal gehört – mit obskuren Vorstellungen aus dem Reich des Unaussprechlichen befasst. Doch lässt die Gesamtschlüssigkeit der Kompositionen etwas nach. Was allerdings nicht heißt, dass solche Songs wie „Void Of Fallen Grace“, „Worldend Catharsis“ oder „King Of Tombs“ nicht trotzdem schön schlimm sein, im Midtempo kräftig doomen und gute Soli bieten können. Im großen Vergleichsmaßstab betrachtet ist das Album keine uneingeschränkte Kaufempfehlung wert, für Death-Metal-Freaks allerdings ist ein Hörtest Pflicht (und damit ist nicht nur das Probehören dieses Albums gemeint)!

Uhrilehto: Ihmisvihan Eliitti

Nicht zufällig hört sich der Albumtitel verdammt finnisch an: Die Black-Metaller UHRILEHTO halten ihre Finnenfist hoch in den nordischen Himmel und geben uns eine amtliche Ladung Dunkel mit auf den Weg. Während Noirgrim, Essiah und Cyclotron Gitarre, Bass und Schlagzeug bedienen, sorgt Nidhogg mit genretypisch abnormen Vocals für Maximaldisruptus am Mikro. Das Album bietet eine gute Balance aus Tradition und Fortschritt, Black-Metal-Harmonien treffen auf überraschende Intermezzi und Breaks, was der Langeweile schon mal ganz gut vorbeugt. „Marraskuun Kahdeksas“ heißt der atmosphärisch und melodisch gelungene Opener, der das hohe Energie-Level des Albums vorgibt. „Kolmen Minuutin Armopala“ ist ebenso flott und hat einen kleinen funky Zwischenpart, der den Song für kurze Zeit aus dem Black-Metal-Genre völlig entfernt. „Huoranpenikat Ja Huijarikuninkaat“ ist musikalisch fast genauso komplex wie der dazugehörige Songtitel, nämlich die reinste flageolettdurchtränkte Prog-Hölle, wie sie zu gefallen weiß. Weitere Vorteile der Platte sind ein tolles Organ-Solo bei „Vitutuksen Viitoittarna Vuosikymmen“, eine nicht klischeefreie, aber doch catchy Black-Metal-Melodie in „Korpimetsän Perkele“ und das dämonische Cover-Artwork, auf dem ein Skandinavieh deftiges Unwesen mit seinem Beil zu treiben vorhat. Nachteilhaft wirkt sich allerdings der ungewaschene Gesamtsound aus, der dem ansonsten anständigen Oeuvre etwas an Wirkung nimmt.

Silencer: Death of Awe

Da es sich beim SILENCER um ein (leider recht seelenloses) Spin-Off von Darkane handelt, die auf ihren als geradezu klassisch zu bezeichnenden Psychotrips Insanity und Expanding Senses gezeigt haben, wie Wahnsinn auch ohne „Meshuggah“ im Bandnamen funktioniert, könnte die Zukunft von SILENCER sehr gut aussehen – sobald man es geschafft hat, die offensichtlich vorhandenen spielerischen Fertigkeiten nicht nur in den Dienst von Technik, sondern auch Eigenständigkeit und Songwriting zu stellen. Das Konzept der harten Knüppelei wird hier nämlich nur wenig weiterentwickelt, es hat eher den Anschein, als hätte man der Abwechslung und Originalität einen … Dämpfer vorgeschraubt, sodass (bis auf kleinere Ausnahmen wie etwa beim Titeltrack und „The Harvest“) leider weder riff-, lick- noch sonstmäßig Bemerkenswertes geboten wird. Sehr schade, denn „Silencer“ ist an sich ein cooler Name für eine coole Band, die dafür bekannt sein könnte, filigranes Soundkrass zu praktizieren.

Python: Good & Evil

PYTHON kann natürlich nichts anderes als Thrash Metal sein, der Bandname sagt etwa so viel wie 1000 Schläge ins Gemächt. Allerdings scheint die Phonetik von „Python“ aggressiver, stromlinienförmiger und feyner zu sein als die Musik der Amerikaner: Diese ist nicht gänzlich ohne, aber auch nicht wirklich mit. Bereits der Opener „Good & Evil“ ist eine Kombination aus Power und Klischee, wobei die Power glücklicherweise überwiegt. Der Gesang ist aber leider ziemlich egal, was eigentlich nur dann gut kommt bzw. erlaubt sein sollte, wenn die instrumentale Seite voll heftig kleinhaut. Diese ist aber wie gesagt läulich. „Complex Mind“ ist herrlich unkomplex, „Fallen Angel“ fällt nicht weiter auf, anstatt zu gefallen, „Crucifixion“ verschwindet genauso schnell, wie es aufgekreuzt ist, und „Cursed“ ist verflucht ambitioniert, aber im Endeffekt leider seelenlos. Einzig „The Un-Holy“ kann überzeugen, vor allem wegen eines Riffs in der Lied-Mitte, das ein Thrash-Herz nicht nur höher schlagen lässt, sondern ganz einfach erschlägt. Also: ein gut hörbares Album von einer Band, welche die Enthüllung ihres Potentials auf jeden Fall noch vor sich hat.

Nicodemus: Vanity Is A Virtue

Vanity Is A Virtue der US-Band NICODEMUS ist in der Schnittmenge zwischen (klassischem) Progressive und Black/Death Metal einzureihen. Der damit einhergehende Wechsel zwischen cleanem, etwas an Tool erinnerndem Gesang, der vom Zauber des Begriffes „Charisma“ nicht gänzlich ungestreift bleibt, und relativ fiesem Gegrunze respektive Gekreische kann Assoziationen zu Into Eternity oder Opeth wecken, muss aber nicht, zumal die Qualität des Materials es auch nicht ganz tut. Bis auf den Song „Next To Nocturne“, der durch seine präzis auf den Punkt gebrachte Gruselatmosphäre superbes Black-Metal-Feeling (vgl. Keyboardintro & Chorus!) erzeugt und damit zum Höhepunkt des Albums zählt, ist der Rest der Platte als mehr oder weniger zu bezeichnen. So fängt beispielsweise „Benighted“ spannend und vielversprechend an, um gleich darauf abzuflachen. Gutes Prog-Riffing und originelle Melodiestrukturen wie etwa in „A Metaphysical Theory Of Dynamics“ oder „Reason & Relapse“ müssen nicht selten uninspiriert vor sich hin ödenen Parts Platz machen. Insgesamt liegt hier ein die Kritikdreschmaschine mit der Note „3+“ verlassendes Album vor, wobei man von der Band, wie es so schnöd heißt, noch einiges erwarten darf.

Mythological Cold Tower: The Vanished Pantheon

Dass der sehr nordische, dem Bereich des Gothic/Doom Metal zuzuordnende Sound von MYTHOLOGICAL COLD TOWER aus Brasilien stammt, wird für den einen oder anderen eine Überraschung sein. Es ist das dritte Album einer Band, deren Musik so brasilianisch daherkommt wie Norwegen: Fünf epische Songs sind hier zu hören, die meist im mittleren Tempo okkulte Seelenschwärze verbreiten. Ob es ihnen letztendlich gelingt, hängt davon ab, inwiefern sich der Hörer (als eingefleischter Genre-Fan etwa) von der hier vorherrschenden Atmosphäre im Allgemeinen einnehmen lässt, ohne auf diverse Details zu achten. Für Freunde des etwas analytischeren Heranhörens könnte sich The Vanished Pantheon schnell als schal entpuppen, da selbst die eine oder andere gelungene Stelle auf diesem Album (vgl. „When The Solstice Reaches The Apogee“ oder den Titelsong) nicht wirklich mitreißen kann. Auch lässt produktionstechnisch immer noch der Underground grüßen.

Listeria: Full Of Fire

Wie es scheint, haben die Italiener LISTERIA den Rockgedanken erythrozytisch verinnerlicht. Der Rockgedanke an sich ist natürlich noch kein Garant für geile Riffarchitektur, aber zum Glück werden hier sehr schwere und spielfreudige Metall-Geschütze aufgefahren, die insbesondere im rhythmischen Bereich für Abwechslung sorgen. In erster Linie wird bei Full Of Fire aber so einiges an Energie und guter Laune freigesetzt, was ja abseits jedweder musiktheoretischen Betrachtung ein belangreicher Faktor ist. Die einzelnen Songs sind alle so konzipiert, dass sie schnell zum Punkt kommen, falls es einen solchen gibt. Falls nicht, ist es nicht weiter schlimm, denn mitgebangt werden darf trotzdem, weil es halt grundsolider, sympathischer Rock ist. Am mitbangenswertesten sind aber wohl solche Songs wie der Power-Track „Like Alì“, die deftig ballernde „Emily“, der Flageolette „Little Star“ und der Action-Kracher „Action“, dessen melodiöser Part zum Originellsten auf diesem Album gehört. Als Fazit bleibt: Wer von sich behaupten kann, dass Rock sein DJ ist, der möge doch LISTERIAs aktuellem, nicht mehr und nicht weniger als grundsolidem Longplayer Full of Fire ne Tschantsch geben.

Irate Architect: Born Blood Portrait

Die EP Born Blood Portrait der umherwütenden Grind-Baumeister IRATE ARCHITECT aus good oll Germany bietet dem geneigten Hörer in etwas mehr als 10 Minuten ein produziertes Extrem-Metalbrett inklusive Klaus-Schulze-artigem Intr-, Outr- und Intermezzo, wobei vor allem letzteres an Referenzwerke wie etwa Irrlicht erinnert. Die sieben Tracks gehen fließend ineinander über und ergeben ein zusammenhängendes Ganzes, in dem Brachiales mit Fremdartigem eine atmosphärisch sinnvolle Symbiose eingeht. Die vier Songs „Pathfinder“, „Born Blood Portrait“, „Chicks On Speed“ und „Taschenspieler“ sind technisch einwandfrei, wobei insbesondere das erstgenannte Stück am originellsten und abwechslungsreichsten ist. Insgesamt gesehen ein zufriedenstellender, wenn auch sehr kurz geratener Trip in die Welt des Highspeed-Cores.

Hellsaw: Spiritual Twilight

Das österreichische Black-Metal-Duo HELLSAW hat zu ihrem Zweitling Spiritual Twilight das mittlerweile ausverkaufte Debüt einfach braufgepackt, was die vorliegende Platte auf für Extrem-Metal untypische 63 Minuten anwachsen lässt. Eventuell ist dies aber auch schon der einzige Vorteil (?) des Albums. Zwar mag die Musik hier nicht ganz so mies ausgefallen sein wie das äußerst miese und aus der rauen Menge nahezu unbekannter Underground-Gruppierungen in keinster Weise herausstechende schwarz-weiße Plattencover, dennoch sei gesagt, dass hier absolut rohes Old-School-Schwarzfleisch gefressen wird, was nicht jedermanns Sache ist. Ungeachtet aller Kommerzvorwürfe an Bestseller wie Dimmu Borgir steht fest: Mehr Persönlichkeit als HELLSAW haben die Genre-Riesen auf jeden Fall; zu einem an sich coolen Bandnamen wie HELLSAW gehört doch auch einiges an cooler Substanz dazu. Diesbezüglich allerdings ist da vorerst wohl x zu machen.


Jens Marder veröffentlichte bereits 2009 einen Artikel im Online-Magazin Amazon, den 28 Personen als hilfreich markiert haben.

Fenster. Gute Überraschungen

Schon passend, dass Fenster sich zum Ende des Supersommers geschlossen wie nie zurückmelden. Ein Zufall? Vermutlich.


Aber ein guter Zufall. Denn was Fenster inzwischen schon seit ein paar Alben auszeichnet, ist diese ureigene Verbindung aus Stilsicherheit und Genre-Offenheit. Wie wenig anderen Indie-Bands gelingt es, enorm vielseitige Songideen zuzulassen und diese gleichzeitig schon ihrem Sound unterzuordnen. In jedem Part ist jedes Bandmitglied so vollkommen fixiert auf Ausdruck und Rhythmus, dass ihre Musik niemals ins Treiben gerät, was sie inzwischen perfektionieren konnten. Im Zentrum aller Subgenres, in die sie verfallen, steht die Stilisierung selbst. In diesem Sinne sind sie eine sehr kunstvolle Band, die sich mit The Room nun ein weiteres Denkmal gesetzt hat, aber mit dem Album auch ein gewisses Lebensgefühl trifft.

Auf der Platte perfektionieren Fenster letztlich vieles, was sie sich über ihre zwei früheren Studioalben und dem gemeinsam realisierten Sciene-Fiction-Kunstfilm und -Soundtrack Emocean erspielt haben. Auf Bones hatte 2011 noch Folk durchgeklungen, was ja schon der Ausgangspunkt vieler wichtiger Bands war. Genauso wichtig war jedoch für all diese Bands auch, sich später vom Folk zu emanzipieren. Nicht zuletzt, weil eine Band, die sich komplett auf ein Genre festgelegt hat, schon tot ist. Aber die Emanzipation haben Fenster im Grunde noch während des ersten Albums selbst vollzogen und war 2013 auf Album zwei, Pink Caves, schon komplett abgeschlossen. Hier widmete man sich schon vollkommen dem perfekten Sound, graste eher im Experimentellen und suchte und fand den gemeinsamen künstlerischen Ausdruck als Gruppe. Den transportierten sie mit dem Film Emocean 2015 aus der Musik heraus in eine visuelle Kunstwelt, um ihn weiter zu vergrößern. Der Soundtrack dazu pendelt sich für sich betrachtet zwischen Psychedelic und Launchmusik ein. Um es als eigenständiges Album werten zu können, fehlen ihm aber Antrieb und Richtung. Aber das geht ja den meisten entkoppelten Soundtracks so.

© Simon Menges

Umso besser, dass The Room, dem es an Antrieb nun wirklich nicht fehlt, sich weniger an Emocean und stärker an Pink Caves anlehnt und vom Film-Experiment nur freigestzte Sounds in ihr Songwriting einbringen. Sie fließen einfach mit hinein und zu einem Album zusammen, das gleichzeitig bunt, fließend und glatt wie keines der bisherigen klingt. Fast könnte man bei alledem vergessen, dass Fenster musikalisch eigentlich noch immer gar nicht allzu sehr festgelegt sind. Zwischen Dreampop, Shoegaze, Nintendo-Pop, Disco und Psychedelic scheint gerade ihre Entschlossenheit, ihr schlichter Groove das verbindende Element in fassettentreicher Umgebung. Zusammenfassend könnte man es wohl Surprise Pop nennen.

Aber Fenster sind auch eine Band, die in gewisser Weise einen Berliner Zeitgeist verkörpert und musikalisch konserviert. Immerhin fanden die internationalen Bandmitglieder hier zueinander. Und ihr Album spiegelt in seinem Aufbau ein Lebensgefühl wider, das schon viele Künstler*innen in die Stadt trieb und aktuell wieder eine brodelnde Szene formt: die kunstvolle Wahrnehmung einer vielseitigen Umwelt, ein Fokus auf das, was erfüllt, was Spaß macht und was dadurch teilbar wird. Und lebt als eine Adaption dieser Vielfalt. Ein solcher Berliner Zeitgeist lässt sich nicht auf eine Band, einen Sound oder ein Album herunterbrechen. Aber wollte man in ein paar Jahrzehnten einen Film über die 2010er Jahre in Berlin machen, täte man gut daran, Fenster in den Soundtrack aufzunehmen. Vielleicht drehen sie diesen Film ja sogar selbst.

Quelle: YouTube

The Room von Fenster enthält Two Doors sowie neun weitere Songs und erschien beim Label Altin Village & Mine.

Beitragsbild: © Fenster

Brief an Johannes Apokalyptus

Das folgende Schreiben setzt sich mit der 2016 von Kurt Steinmann neu übersetzten und mit 7 Illustrationen des schwedisch-griechischen Künstlers Daniel Egnéus ausgestatteten Offenbarung Johannes’ auseinander: Was können wir aus dieser fast 2000 Jahre alten Vision lernen, und ist das überhaupt gute Literatur?


Lieber Johannes,

mit großem Interesse habe ich deinen Text gelesen, der mich immer wieder beeindruckt hat. Wenngleich ich vorwegnehmen muss, dass ich Schrebers Denkwürdigkeiten noch einen Tacken stärker finde.

Das mit „Alpha und Omega“ ist natürlich ein Klassiker. Das Konzept eines verschlüsselten (und ggf. zu hackenden) Todes gefällt mir auch sehr gut, vielleicht kannst du da aber noch was Zero-Day-Mäßiges rauskitzeln. Und das Buch mit sieben Siegeln ist der Krypto-Kult schlechthin, allerdings finde ich die Asymmetrie zwischen den sieben Siegeln und den vier Reitern der Apokalypse bemerkenswert unästhetisch.

„Drangsal“ kommt für meinen Geschmack ein bisschen zu häufig vor, evtl. solltest du mehr mit Synonymen arbeiten und Satans Thron anzünden oder wenigstens mit irgendwas einsprühen.

Gewaltig tosende Wasserfälle dürften phonetisch viel zu undifferenziert sein, um komplexere Nachrichten zu übermitteln. Wer sind denn die sieben Donner und was gibt ihr Grollen informationsmäßig so alles her?

„Kranz“ ist eine intrinsisch alberne Vokabel, die sich auf Tanz, Wanz, Stanz, Franz etc. reimt und daher nicht inflationär verwendet werden sollte. Dementsprechend klingt der „Kranz des Lebens“ nach einem Euphemismus für etwas zutiefst Debiles, vielleicht lieber umformulieren. Du hast es aber auch mit Posaunen. Posaunen und Kränze, das kann man unmöglich ernst nehmen, zumal beiden ein Poloch eigen ist.

Fleisch und Huren scheinen es dir ebenfalls angetan zu haben. Das Hurenfleisch sollte nach Möglichkeit abebben, ebenso der Hurenwein. Tipp: „Huren und Scheußlichkeiten“ bzw. „Verkehr mit Frauen“ und „besudelt“ im selben Satz könnte als misogyn ausgelegt werden.

Das „Schwert des Mundes“ ist ein ziemlich groteskes Bild (vgl. Premutos oder Mortal Kombat), „Tiefen des Satans“ hingegen klingt ein bisschen nach Hardcore-Schwulenclub, könnte missverständlich sein. „Denn ihr Wirken und Tun wird ihnen angerechnet“ liest sich gar wie ein Schreiben vom Jobcenter.

Allein das Versprechen einer Morgenstern-Schenkung ist schon ziemlich gewaltig – vielleicht sollte man den ganz harten Tobak für später aufbewahren.

Ich habe mir sagen lassen, dass die Geheimzutat einer von dir erwähnten Augensalbe Stein ist – ich würde eher Dexpanthenol-Tropfen empfehlen (allerdings sollte aufgrund der natürlichen Abwärtskompatibilität von Hygiene niemals im Auge angewendet werden, was zuvor in der Nase gewesen ist). Ein einbeiniger Krüppel wird ja auch nicht zum Sprinter, wenn man seinen Stumpf in Hyaluronsäure tunkt.

Du hast so einiges für Zahlenfetisch übrig, und zwar von der uneinheitlichen Sorte. Auf der einen Seite arbeitest du mit Primzahlen wie 3 oder 7, auf der anderen Seite mit äußerst teilbaren Zahlen wie 4, 12, 12² und 24. Warum genau fünf Monate lang quälen? Sind 200.000.000 Reiterheere nicht etwas übertrieben? „In dunkle Sackgewände gehüllt Gottes Offenbarung verkündigen, zwölfhundertsechzig Tage lang“ – „Tausendsechshundert Stadien“ – „Der zehnte Teil der Stadt stürzte ein, siebentausend Menschen fanden … den Tod“ – holla die Waldfee! Es stellt sich unweigerlich die Frage, wie genau du auf diese in hanebüchene Spezifität getauchten Zahlenangaben kommst.

„Wesen, übersät mit Augen vorne und hinten“ – aber wie erkennt man dann noch, wo vorne und hinten ist? Und wäre es nicht krasser, wenn jedes Auge Flügel statt Wimpern hätte?

Ist es wirklich Sünde, lauwarm zu sein? Sollte der blinde Nacktpenner in seiner unendlichen Erbärmlichkeit ernsthaft zur Rechenschaft gezogen werden?

Gekrönte Heuschrecken mit Menschengesichtern, Frauenhaaren und Powerschwänzen? – nice. Eine aus zwölf Sternen bestehende Krone – selten einem sublimeren Bild begegnet.

Schwarze Sonne, roter Mond, Sterne fallen vom Himmel, der sich spaltet und schrumpft und zusammenrollt wie ein Pergament … mächtig oneiroide Bilder, die allerdings etwas rar gesät sind, weil du im Zweifel Politik stets der Safidalität vorzuziehen scheinst. Immerhin ist „Seelenschlachtung“ voll Warhammer 40K.

Es ist aber schon ziemlich bizarro, Jesus als ein ungeschlachtes Lamm „mit sieben Hörnern und sieben Augen“ zu bezeichnen. Abgesehen davon hat „Zorn des Lammes“ was von Monty Python.

„Ein Drittel der Erde verbrannte“ – woher nimmst du diese Daten? Das ist ja fast so anal wie bei Thanos, der es exakt auf 50 Prozent des Universums abgesehen hat. Und wie kann ein einzelner Stern auf ein Drittel aller Flüsse fallen oder ein Drittel der Sonne weggesprengt werden? Dein Gott hört offenbar auf den Namen Randôm, und der Schweiß, den er in bzw. aus uns treibt, heißt „Das Wermutstropßen“. Ölbäume, Leuchter, Feuer aus dem Mund – was für ein herrlich saukontingenter Schwachsinn.

„Und in der Hand hielt er ein aufgeschlagenes Büchlein“ – die Verwendung des Diminutivs ist fast so bemerkenswert wie im Falle „Mehlhäufchen“. Das Büchlein aufzuessen ist auch sehr cool, denn wenn das Wort Fleisch ist, dann kann man sich davon nähren, daran laben, oder auch den (erstaunlich unmetaphorischen) Magen verderben.

Die Vernichter vernichten – recht so, Angriff ist die beste Verteidigung. Aber wirklich jegliche Art von Geißel? Wie wäre es dann mit Oliver dem Zahntorpedo, Kranichdoom oder Elons tentakelbewehrtem U-Boot als Universaltool, das selbst im Zusammenhang mit Beziehungsproblemen eine gute Figur macht?

„Ein Drache … mit sieben Köpfen und zehn Hörnern“ – das ist wieder etwas unstimmig. Noch unstimmiger wird es aber, als anschließend von einem Tier die Rede ist, das im Gegenteil zum Drachen nicht sieben, sondern zehn Diademe (auf immer noch zehn Hörnern) trägt. Dem folgt ein geradezu triviales Tier mit lediglich zwei Hörnern. „Dem zweiten Tier wurde die Macht verliehen, dem Bild des ersten Tieres Leben einzuhauchen“ – sorry, aber die diversen Tiere lassen sich nur unter höchster Anstrengung auseinanderhalten. Ähnlich verhält es sich mit den verschiedenen Engeln – was genau ist ein „starker Engel“? –, deren diverse Funktionen und Qualifikationen schnell verwirrend werden. Du musst auch ein bisschen an den Leser denken und ihn ein Stück weit abholen.

Zweiundvierzig Monate Schandmaul – selbst Iron Maiden waren mit The Number Of The Beast nicht so lange on the road.

„Da warf jener … seine Sichel auf die Erde, und abgeerntet wurde die Erde“ – offenbar eine Smartsichel, die mit reduktionistischer Mechanik einen Gegenentwurf zu realen Lebensvorgängen liefert. Du alter ESC-Buttonmasher.

Wie gerecht ist eigentlich ein Gott, der „jedes belebte Wesen im Meer“ sterben lässt, nur weil ein paar Leute etwas antichristlich drauf sind? Wenn Gott sieben Schalen „bis an den Rand“ mit seiner Zornesbrühe füllt, dann spricht das für eine therapiebedürftige Psychopathologie weit jenseits von Notwehr. Ich bin ja auch nicht für Satanismus, aber solange jemand nichts Böses tut, gilt die Glaubensfreiheit, alles andere wäre Gesinnungsstrafrecht, welches mit dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip nur eingeschränkt vereinbar ist.

Und wenn wir schon dabei sind: Kommen als gotteslästerliche Namen so was wie Tremur, Negroð oder Safiduq in Frage?

Ich finde die Vorstellung witzig, dass „von glühender Hitze versengte“ Männchen mit brennenden Hintern cartoonhaft durch die Landschaft hechten und dabei unablässig böse Flüche ausstoßen – offenbar machen Geschwür-, Zungenzerbissenheitswunder und dergleichen nicht bußfertig, vielleicht hätte man die elenden Lästermäuler mit etwas mehr Diplomatie für sich gewinnen können?

„Drei unreine Geister fahren wie Frösche [aus dem Mund,] es handelt sich um teuflische Geister, die Zeichen wirken“ – was für ein erzmagisches und ziemlich rutziges Konzept, jemanden mittels Zeichen zu verführen.

„Babylon, die Große“ erinnert mich etwas an „Ludwig van“ aus Clockwork Orange.

„Die Stadt ist viereckig angelegt, und ihre Länge beträgt so viel wie ihre Breite“ – das kann man aber einfacher ausdrücken.

Und, ach ja, könntest du bei Gelegenheit noch irgendwo Feinstes Linnen muss Absalom fressen, bis in Scharlach gekleidete Huren den thronenden Schwanz vergolden. Des Kutschers satter Furz brennt wie Weihrauch aus Menschenwurst. Der Großhure von Babylon die Eier rausreißen und die Augen mit dem Schleifstein abwetzen. Hin- und hergeschlachtet durch die Watte des Wahns ertönen Unerträgliche Richterbefehle und zerren an der F*ckunft. Aus Diademen bestehende Diademe geleiten Fraktalismann auf seinem weißen Schimmel ins Misenabymsengott. Zornesflocken aus Schabenfleisch lassen sich die Polizei schmecken. „Fresst Vogellust und versklavt gewegte Pseudoren!“, schreit das zuckende Glied aus Heilands Maul und verschießt die gesamte Gammastrahlung des Universums in unter fünf Sekunden. „Tausend Jahre sollst du bluten, Drachenweird, erst danach kannst du aufsteigen und mit deiner Hackhand Satans Überstunden abfeiern.“ Finsterrauch aus dem Gog/Magog-Höllenschacht ersetzt den ISDN-Router inkl. Pseudoschwefler von Alfa Romeo bis Opel Omega, und alle Götzen erben xten Tod!“ einbauen?

Alles Liebe

Dein Lektorat

PS: Und was hats mit diesem Alienrohr von Messstab auf sich?


Die Apokalypse erschien in Neuübersetzung von Kurt Steinmann mit Illustrationen von Daniel Egnéus 2016 beim Manesse Verlag und hat 176 Seiten.

Wider der klassischen Ausstellungspraxis. Anni Albers im K20

In Düsseldorf läuft seit ein paar Tagen eine Ausstellung zum Werk Anni Albers‘. Die Ausstellung gibt einen umfassenden Eindruck in das Gesamtwerk der Bauhaus-Ikone. Sie offenbart aber auch einige Probleme, mit denen die Künstlerin ihr gesamtes Schaffen lang zu kämpfen hatte.

von Fabian Korner

Anni Albers (1899-1994) kann sicherlich als die ambitionierteste Bauhauslehrerin bezeichnet werden. In der Malerklasse nicht zugelassen, in die Textilklasse verbannt, wollte sie sich zunächst nicht so recht auf das Material (Stoff) einlassen, später sollte es ihr Schaffen bestimmen. Die Ausstellung im K20 zeigt mehr als 200 Werke, Originale sowie Archivaufnahmen, die Leihgaben von verschiedensten Museen und Archivorten sind. In Anni Albers verbinden sich zwei Elemente, die eine klare Kanonkritik darstellen: Zunächst ist sie eine Frau – und mit Frauen in der Kunst tut man(n) sich gerne einmal schwer.

Des Weiteren hat sie mit Textilien, mit Stoffen gearbeitet; einem Material, das bis heute keinen festen Platz in den Kunstakademien hat. Zu sehr ist Stoff – sei es in Form von Klamotten, Bettwäsche oder Teppichen – ­Teil unseres Alltags. Was Teil unseres Alltags ist, wird seltener als Kunstgegenstand wahrgenommen, da Gebrauch künstlerische Qualitäten schmälert. Genau diesem klassischen Verständnis wird sich, so scheint es nach der Ausstellungsbetrachtung, hier widersetzt. Dies geschieht nicht nur durch das Material, sondern auch durch den Umgang mit Formen und Farben. In ihrem frühen Werken ist Geometrie sehr präsent, spätere Überlegungen führen zu mehr Dynamik. Weder die Geometrie, noch die Dynamik in Form und der Art und Weise des Spinnens, können als Selbstzweck verstanden werden. Albers bricht die geometrischen Formen auf konstruktivistische Weise und versucht ein Moment von Bedeutung zu erschaffen.

Der gefühlte Widerstand

Spätestens an dieser Stelle angekommen, fragt man sich, ob das Ausstellungskonzept das Werk überhaupt adäquat wiedergibt oder ob hier Zugriffsarten verstellt werden. Wer schon in Ausstellungen konstruktivistischer Künstler oder Werke (Malewitsch, Kandinsky, Klee) war, der mag sich an das Gefühl erinnern, dass „irgendwas nicht so ganz passt“. Woher kommt dieser Eindruck?

Ausstellung „Anni Albers“ im K20, hier fotografiert von Achim Kukulies, © Kunstsammlung NRW.

Die Ausstellung im Düsseldorfer K20 ist einem klassischen Ausstellungskonzept nachempfunden. Es werden uns die Werke Anni Albers auf geniale Weise pompös vorgestellt – bzw. im ganz buchstäblichen Sinne: vor die Nase gestellt. Kleine Veränderungen, wie das Ablösen vom rein Bildnerischen, dahin, dass ein Gegenstand liegt, um sein räumliches Element zu illustrieren, sind nur kosmetische Gesten und verstellen den eigentlichen Widerspruch. An dieser Stelle sei, bei all der Kritik, gesagt, dass die Ausstellung wirklich gut komponiert ist. Es wurde uns eine Künstlerin präsentiert, die gerne hinter all den Männern versinkt und dazu ein Material, welches selten so begutachtet wird. Im Versuch, dies wie eine Ausstellung eines Otto Dicks, Rennbrand oder Kandinsky aussehen zu lassen, wird versucht, Hegemonie aufzubauen. Es ist eine Form, in der Hegemonie des Kunstbetriebes Frau und Textilien ebenfalls Raum zu geben. Der Versuch muss aber kläglich scheitern. Nicht weil – wie schon betont – das Anliegen oder die Ausstellungskomposition schlecht wäre, sondern weil das Werk nach einem anderen Zugriff verlangt.

Konstruktivismus als Ausgangspunkt

Der Grundgedanke einer konstruktivistischen Kunst ist nicht im Altbewerten neue Foki zu erschaffen, sondern das bisher gedachte grundsätzlich hinter sich zu lassen. Es ist kein Einbruch in Bisheriges, sondern ein Aufbruch mit Neuem. Der Begriff des „neuen“ führt bei Malewitsch zur „gegenstandlosen Kunst“, die nicht zu verwechseln ist mit „abstrakter Kunst“ und letztlich zum schwarzem Quadrat, welches nur wirkt, wenn man versteht welchen Bedeutungshorizont es versucht zu eröffnen. El Lissitzkys Plakat „Roter Keil“ – ein Propagandaplakat der Roten Armee – zeigt auf offensichtlicher Weise wie die, von Malevich geforderte Gegenstandslosigkeit, eben keine Abstraktion, sondern eine vollkommene Neubelebung von Symbolen bedeutet: Ihre alte Bedeutung gilt nicht, ihnen wird neue verliehen.

Auch El Lissitzkys „Roter Keil“ findet Platz in Ausstellungen, hier in Berlin:

© postmondän bei Instagram

Allein dass der Konstruktivismus einen neuen Zugriff benötigt als er durch klassische Ausstellungen gegeben werden kann, ist schon ein erstes Indiz für die Problematik der Aufbereitung ihres Werkes im K20.

Wenn schon ihr eigenes Denken anders funktioniert?

Albers selber war als Lehrerin im Black Mountain College (North Carolina) überaus beliebt und bekannt. Ihre pädagogischen Methoden legen dabei zu gleich ein Zeugnis davon ab, wie sehr ihre Kunst auch außerhalb klassischer Verständnisse zu verstehen ist – ihr eigenes Herangehen möchte ich hier also als Argument anführen. So war es nicht unüblich, dass sie ihre Studierende an einen Strand setzte und diese sollten, lediglich aus den Materialien, welche sie umgaben, nun Gegenstände errichten. Diese Gegenstände waren nicht nur funktional (sie schützten vor Sonne), sondern können durchaus als sehr ästhetisch verstanden werden; ihre Form und Aussehen war häufig sehr unüblich. Weiterhin hat sie Schmuck geschaffen, aus Gegenständen, die sie „einfach zur Hand“ hatte: Haarnadeln, Siebe, Kronkorken. Hier deutet sich das ursprüngliche Element eines konstruktivistischen Denkens an: Baue die Welt neu, mit den Dingen, die du hast.

Anni Albers Anfang der 1930er Jahre, fotografiert von Josef Albers, © The Josef and Anni Albers Foundation / Kunstsammlung NRW.

Bauhaus neu denken

An dieser Stelle verschmelzen Bauhaus und Konstruktivismus zu einer Einheit und enthüllen einen Geist, der nur als modern beschrieben werden kann: Ablösung von bekannten Traditionen und Erschaffen neuer Bedeutungs- und Funktionselementen, durch die Fähigkeiten jedes einzelnen und erlernbar für jeden einzelnen.

Möchte man Anni Albers also ausstellen, sodass ein Zugriff erlangt werden kann, der ihrem Ausdruck gerecht wird, darf nicht in den Formen standardisierter Ausstellungsformate gedacht werden. Eine Kunst wie die von Anni Albers, hat doppeltes Ausbruchspotential: Sie schafft eine neue Sphäre der Hegemonie, in dem sie sich, schon durch ihre Ausdrucksweise, klassischer Ausstellungspraxis entzieht, ebenso durchbricht sie tradiertes Kunstdenken. Ganz im Sinne des Bauhauses, so führt Anni Albers uns vor, ist unsere Welt, jetzt genau, die uns umgibt, Objekt unseres eigenen, künstlerischen Ausdrucks und wir können sie gestalten, neu erfinden und stets umbilden.

Die Ausstellung „Anni Albers“ läuft vom 09.06. bis 09.09.18 im Düsseldorfer K20.


Fabian Korner studiert seit 2014 Philosophie und Germanistik an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Im Rahmen seines Studiums beschäftigt er sich mit den politischen Momenten von Kunst und Kultur. Dabei geht es ihm stets darum, Ausstellungen, Theater, Literatur oder alternative Formate nach ihrer Aktualität zu befragen. In diesem Zusammenhang erfolgt eine Auseinandersetzung mit Kultur, die stets die Frage stellt: „Und was soll ich jetzt damit machen?“

Beitragsbild: © Achim Kukulies / Kunstsammlung NRW

I- & Undie-Videospiel-Special

Während sich auf der Novelle-Seite ein paar Deviews mit Independent-Entwicklern eingefunden haben, folgen hier (in folgender Reihenfolge) Einsätzer bis Wenigzeiler zu Videospielen, die über Steam zu beziehen sind – alles von Tripple-I bis UUUntergrund.


The Bridge

(The Quantum Astrophysicists Guild, 2013)

Ein von DJ Escher sowie And Yet It Moves inspiriertes Puzzle, dessen Hauptattraktion das besondere Spieldesign in Kombination mit knuspriger, erzskurriler Schwarz-Weiß-Bleistiftästhetik ist.

Geometry Wars: Retro Evolved

(Bizarre Creations, 2007)

Ein trotz Reduktion auf Drahtgitteroptik grafisch imposanter Shooter mit festlich implodierenden Schwarzen Prachtlöchern und einem rasant „bis zur Unerträglichkeit und noch viel weiter“ ansteigenden Schwierigkeitsgrad.

Pony Island

(Daniel Mullins, 2016)

Witziges bis verstörendes Metagame mit einer Idee Deep-Web-Satanismus sowie einem unvergesslichen Kampf um das Recht, das „Pony-Laser“-Kästchen anzuklicken.

Everyday Shooter

(Queasy Games, 2007)

Ein Gesamtkunstwerk aus Bild, Ton und Spielmechanik, wobei letztere in jedem der 8 Level, die als interaktive Umsetzung der von Jonathan Mak komponierten Gitarren-Tracks fungieren, moduliert bzw. neu erfunden wird.

Goat Simulator

(Coffee Stain Studios, 2014)

Völlig albernes 3D-Goatee, in dem man eine wahlweise mit Raketenrucksack, Atombola oder Eutereich ausgestattete Ziege durch die City steuert und Bitcoins durch Unfug, Chaos bzw. aggressive Ramm-Action sammelt, wobei das Auflesen kleinerer und größerer Objekte (Haltestelle, Mann etc.) mittels klebriger Tierzunge zum guten Ton gehört.

The Misadventures of P.B. Winterbottom

(2010, The Odd Gentlemen)

Manövriere einen veritablen Pince-nez-Gentleman mit Hilfe seiner subordinativen Klonkrieger durch stummfilmreife Knobelszenarien.

Papers, Please

(3909, 2013)

Ein Deprispiel erster Kajüte, in dem man als Kontrollbeamter in einem recht totalitär ostblöckenden Regime seine Arbeit am Schalter möglichst zur Zufriedenheit des Staates auszuführen hat, um genug Geld für die Versorgung seiner moribunden Mischpoke zusammenzusklaven.

Shatter

(Sidhe, 2009)

Eine moderne Variante von Breakout mit fantastischem Elektronik-Soundtrack von Module, ein paar Gameplay-Feinheiten sowie Levelnamen wie „Krypton Garden“, „Freon World“ oder „Boss Music“.

The Path

(Tale of Tales, 2009)

Tale of Tales produzieren seit Jahren AvantGames, darunter diese explorative Rotkappenbombe mit der Möglichkeit, abseits ausgetretener, ohne Umschweife zu Omas B&B führender Pfade die eine oder andere Seltsamkeitsbegegnung zu wagen.

Super Mario Odyssey

(Nintendo, 2017)

Nintendo als Indie-Entwickler oder -Publisher zu bezeichnen, ist in etwa so, als würde man ein zweijähriges Schreikind zum ISS-Kommandanten befördern.

A Story About My Uncle

(Gone North Games, 2014)

Auf der Suche nach seinem exzentrischen Erfinder-Onkel Fred landet das epische Avatarzan-Ich dieses First Person Jumpers mit spidermanischem Lasserlasso in einem charmanten Jules-Verne-Höhlenfantasmus, der von putzigen Blaumännchen und gefährlichen Eyehörnchen bewohnt wird.

Surgeon Simulator

(Bossa Studios, 2013)

Ein OMAO*-Schocker der schwarzhumorigsten Sorte, worin man mit lediglich einer, und zwar kackawkward zu steuernden Hand diffizile Aufgaben wie Herztransplantationen durchführen soll – Gigafail.

*Operating My Ass Off

VVVVVV

(Terry Cavanagh, 2010)

Absurd schwerer, selbst mit dem Unverwundbarkeitsetat von Nordkorea kaum schaffbarer, dafür äußerst charmanter Ultra-Retro-2D-Plattformer mit einem dramatisch-einnehmenden Soundtrack und einer einfallsreichen Wopp-Wobb-Grundidee.

Zeno Clash

(ACE Team, 2009)

Groteske Egoklopper-Jodorowskiabfahrt mit deftigen Faustattacken gegen Vogelmenschen und andere Xeno-Mutantchen.

And Yet it Moves

(Broken Rules, 2009)

Einen Yeti hat man hier zu erlegen, wenn „Yeti“ = „Boden unter den Füßen“ und „erlegen“ = „geschickt rotieren lassen“ heißt.

Thumper

(Drool, 2016)

Relativ verstörendes „Horror Violence Rhythmus Game“, das nicht nur als VR-Version beeindruckt – bizarre Ästhetik mit abstrakt thumpendem Soundtrack und einer bestialischen Geschwindigkeit machen diesen enorm tänzelnden Tentakelassiker aus.

140

(Jeppe Carlsen, 2013)

Äußerst fein designter Rhythmus-Hüpfer, der mit klarer Geometrie und Farbgebung sowie bemerkenswert durchgetakteten Endgegnerfights arbeitet.

The Talos Principle

(Croteam, 2014)

Man wage einen rätselhaften Jam mit dem Elohimmlischen Herrn, wobei großkalibrige Selbstschussanlagen und autark-schwebige Rutzdrohnen mit von der Partie sind.

Emily Is Away

(Kyle Seeley, 2015)

Windows XP voraussetzender Chatsimulator, in dem recht unprätentiös eine zunehmend bittersüße Geschichte vom Erwachsenwerden, dem Übergang Hochschule → Kolleg und erstem Auspacken eines Verknallbonbons erzählt wird.

The Binding of Isaac

(Edmund McMillen, 2011)

Auf der Flucht vor seiner irre gewordenen Reli-Mutter muss der kleine Isaac im Keller Schutz suchen – stattdessen findet er dort allerdings Misthaufen, -fliegen und polymorph perverse Feinde, die er mit seinen situationsbedingt endlosen Tränen bekämpfen muss – schweres, atmosphärisches Roguenbrot.

The Mammoth: A Cave Painting

(inbetweengames, 2015)

Auf einer Höhlenwand spielt sich die zum Heulen animierende Animation eines Präriemammuts ab, das in die jagende Frühmenschenmenge zu wüten gezwungen ist, um seinen Nachwuchs zu retten, am Ende aber als zwecklos tätlich gewordenes Opfer der Misere anheimfallen muss.

Boson X

(Mu and Heyo, 2014)

Voll das Indie-Gelegenheitsspiel, welches zügig den Geschwindigkeitsrauschenberg erklimmt und dementsprechend unspielbar wird, da man mit transhumanem Tempo einen Teilchenbeschleuniger durchpflügt.

Circa Infinity

(Kenny Sun, 2015)

Zu klasse Elektromucke dringt man immer tiefer ins Zentrum einer unendlich dynamischen Schwarz-Weiß-Rot-Zirkularität – und zugleich ins eigene hIm – vor.

The Franz Kafka Videogame

(Denis Galanin, 2017)

Leben und Werk des wohl populärsten Exzentrikers der Weltliteratur verschwimmen zu einem seltsamen und amüsanten Kniffelspaß für die halbe Familie, wobei einige Rätsel es echt faustdick hinter den kafkaesken Spitzeöhrchen haben.

Crayon Physics Deluxe

(Petri Purho, 2009)

Kleine Mechanik-Rätsel in hochauflösender und physikalisch plausibler Wachmalstiftästhetik lösen (oder lösen lassen).

Fez

(Phil Fish, 2012)

High-Concept-2/3D-Klassiker feat. Hütchenfein von kontroverser Indie-Ikone und Drama-Queen Phil Fish.

Life is Strange

(Dontnod Entertainment, 2015)

Der Publisher Square-Enix (Final Fantasy III, Final Fantasy IIIIII u. a.) ist nicht unbedingt independent, dennoch mag diese aufwendig produzierte, brillant inszenierte und spannende Geschichte um eine sonderbegabte Fotografie-Studentin auf dieser Liste nicht fehlen.

OLDTV

(Creability, 2017)

Audiovisuell vollkommen umgesetzter Konzentrationstest, der spätestens ab Level 4 einen vierstelligen IQ voraussetzt.

The Plan

(Krillbite Studio, 2013)

Es stimmt nicht, dass Fliegen keinen Plan haben, wie man hier auf unnachahmlich das-Numen-in-„monumental“-zurückholende, ins Kosmische ragende Weise erfährt.

The Polynomial

(Dmytry Lavrov, 2010)

Farbintensivste Explosionen lassen diesen meditativen Matheshooter ideal für vektoriell beglaubigte Spektralanalysten erscheinen.

Super Hexagon

(Terry Cavanagh, 2012)

Ohne Touch-Steuerung nahezu unspielbares Geschicklichkeitsgame mit prima pumpigen Chiptunes und einem gehörigen Benzolinnuendo.

A Raven Monologue

(Mojiken Studio, 2018)

Ein spaziergängerischer Rabe macht auf dem Hinweg ein paar Bekanntschaften, denen auf dem Rückweg entscheidende Mutamorphosen widerfahren sind.

Spooky’s Jump Scare Mansion

(Lag Studios, 2015)

Eine unendliche Anzahl von Korridoren, Abzweigungen und Türen, hinter denen zuweilen ein alberner Plötzlichkeitsgrusel lauert, legen das Prädikat „ziemlich sinnfrei“ nahe.

Blueberry Garden

(Erik Svedäng, 2009)

Ein Schnabelwesen, das ich Ali Pesto zu taufen versucht bin, durchwandert zu elegischen Pianoklängen eine saupoetische Landschaft, die aus disparaten Elementen wie Käse besteht und kräftig zu berücken weiß.

Gone Home

(Fullbright, 2013)

Ein stilles Explorationsspiel über die Wunder inadäquater, da autobiographischer Einschübe in DVD-Player-Rezensionen.

Morgul the Bloodwart

(Bloodwart Incarcerated, 2011)

Ein seltsames Spiel über einen phantasmagorischen Metallkunden namens Seinfeld, der mitten im Geheimkrieg gegen Asia steckt, ohne die zahlreichen Versprechungen in Bezug auf Transversalcouscous auch nur annähernd realisieren zu können.

Superhot

(SUPERHOT Team, 2016)

Innovativer und superb stylisher High-Concept First Person Strategist mit wenig zwingender Meta-Story, aus der sich allerdings der eine oder andere „Tree Dude“ zu ergeben weiß.

Bastion

(Supergiant Games, 2011)

Farbensprühendes Action-Adventure mit einem lässigen Hintergrund-Erzähler und einer Welt, die vom Helden ziemlich wörtlich erschlossen oder vielmehr „ergangen“ und so zum Entstehen gebracht wird.

 

Everything

(David O’Reilly, 2017)

In den Bonner Rheinauen beginnt das jenes titelgebende Alles umfassende Abenteuer, zunächst recht bescheiden mit einem schäbig vor sich hin krüppelnden Basaläffchen, später mit denkoptimierter Borke.

Mr. Shifty

(Team Shifty, 2017)

Eine echte Alternative zu Hotline Miami mit einem Teleprompter als Helden, der so zuschlägt, dass kein Fäustling mehr nachwächst.

Calendula

(Blooming Buds Studio, 2016)

Faszinierendes Metagame, in dem der typische Startbildschirm durch Spielbarmachung eine Groteskapotheose erfährt.

Hotline Miami

(Dennaton Games, 2012)

Eine echte Alternative zu Mr. Shifty ist dieser instantan kultige, zu Recht „äußerst positiv“ bewertete 80er-Actioner im Stile von Drive, der leidergeile Mucke auf verstörende Ultragewalt und verhängnisvolle Atmosphäre treffen und Blut zum integralen Kunstbestandteil avancieren lässt.

One Finger Death Punch

(Silver Dollar Games, 2013)

Ein mit genialer und entsprechend addiktiver Spielmechanik aufwartender 2-Button-(möglichst nicht)-Smasher, der Jet Li standesamtlich mit dem Keyboard vermählt, um so zu Jet Keyboard-Li zu gelangen.

Tacoma

(Fullbright, 2017)

Auf einer verlassenen Raumstation versuchst du, das Geschehene nachzuvollziehen, indem du teilweise verlorene Daten von AR-Geistern ausliest.

Plug & Play

(Mario von Rickenbach & Michael Frei, 2015)

Nach dem Einstöpseln finden in diesem meisterhaft minimalistischen Experimentalgame unterschiedliche Events statt, die einander mehr oder minder bedingen.

Inside

(Playdead, 2016)

Auf der Flucht vor den unheimlichen Machenschaften einer völlig sinistren Geheimgesellschaft durchqwert ein Junge verlassene Felder und Moore und Hallen und muss sich nicht zuletzt mit Hirnwürmern und ferngesteuerten Hûmen abplagen.

Islands: Non-Places

(Carl Burton, 2016)

Dieses surrealistische, in jedes anständige Museum gehörende Kunststück ist eine Videospielinstallation, in welcher das Betätigen leuchtender Schalter kryptomechanische Wunderlichkeiten aktiviert.

Bedlam

(Red Bedlam, 2015)

Eine der eher rar gesäten Buchverspielungen ist diese Hommage an das Shooter-Genre, präsentiert als Eklektoskop der letzten 20 Jahre FPSpielgeschichte.

Devil Daggers

(Sorath, 2016)

Der Möchtegernhardcoreler-N00b muss in diesem höllisch schweren Spiel nicht länger als 66 Sekunden überleben, um zu begreifen, dass hier die Satansgroteske optimal auf den Punkt gebraten wird.

Amnesia – The Dark Descent

(Frictional Games, 2010)

In diesem Horrorbrutkasten für angehende Draufgehende wird der Verstand von Meister Wahn rekrutiert.

Machinarium

(Amanita Design, 2009)

Ein paar Metallteile landen auf einem endlosen Schrottplatz und bauen sich mittels Adobe Flash zu einem der niedlichsten Cleverbots aller Zeiten zusammen, der sich auf die Suche nach stichhaltigen Argumenten gegen die sofortige Totalvernichtung der Menschheit macht und wahrscheinlich keine findet.

Awkward Dimensions Redux

(Steve Harmon, 2016)

Man bewege sich durch Harmons Autobiographie, tanze Tango mit Türen und finde hoffentlich jenen unsichtbaren Aufzug, der uns endlich aus der Unterwelt an die (vom Dieselskandal gesäuberte) Oberluft befördert.

Dr. Langeskov, The Tiger, and The Terribly Cursed Emerald: A Whirlwind Heist

(Crows Crows Crows, 2015)

Dieses Spiel hat leider ohne dich angefangen, aber zum Glück hast du ein Praktikum als Stück im Stück ergattern können und hilfst kräftig mit, indem du mehrfach den Telefonhörer nicht richtig abnimmst, die Laser reaktivierst und den Tiger-Hebel an Dr. Langeskov verfütterst – ein abstruses kleines Stanley-Parabellum.

Brothers: A Tale of Two Sons

(Starbreeze Studios AB, 2013)

Zwei eigentümliche Rühlknaben zeigen großen Logopädiebedarf und ein noch größeres Herz, indem sie es hilfemäßig knacken lassen und für ihren siechen Opa die erforderliche Tetrapack-Salbe aufsuchen.

Spore

(Maxis, 2008)

Man lasse einen Einzeller bis zum Stimmbruch mutieren und schicke das Resultat auf eine Dienstreise in das Organische Verbrechen namens Existenz.

Bad Dream: Coma

(Desert Fox, 2017)

Point & click dich durch morbide Dingschaften, tritt düstere Raben kaputt, kastriere Däumlinge und sieh zu, was aus dir wird.

Botanicula

(Amanita Design, 2012)

In gewohnt absonderlicher Amanita-Lieblichkeit werden Kreativität und Esprit krachen gelassen, wobei Pflanzliches, Allzupflanzliches zum Umtopfen des grün angelaufenen Daumens einlädt.

Deadlight

(Tequila Works, 2012)

Sehr atmosphärischer 2D-Zombie-Insider mit mehreren Dimensionen, wobei eine davon Grusel ist.

Garry’s Mod

(Garry Newman, 2004)

Mit diesem Spielkastensystem für Experimentellerminen kann man seinen Sauger an Stöpsel kleben und das Ganze magnetisch versiegeln – was 1 Half-Life.

Crypt of the Necrodancer

(Brace Yourself Games, 2015)

Der geniale Soundtrack ist mindestens die halbe Miete in diesem Rhythmus-Adventure, bei dem man sich den Respekt seiner Gegner taktvoll erhüpft.

Hand Simulator

(HFM Games, 2017)

Der Fidget Spinner liegt völlig entfremdet in der Ecke, ersatzweise greift die Hand nach der Horror-Oma, die Finger lassen sich dabei separat ansteuern – genau das Richtige für Handicaptain Debilly.

Fotonica

(Santa Ragione, 2011)

Bei diesem bis zum Abwinken durchstilisierten, fast monochromatischen Dauerrenner kann man die Hände deinstallieren, falls sie zu sehr vom Speed ablenken.

D4: Dark Dreams Don’t Die

(Access Games, 2015)

Sehr lustige Quiche-Time-Events machen diesen grafisch wie inhaltlich idiosyncrazy Shader-Hirni zu einem Erzeugnis.

Teslagrad

(Rain Games, 2013)

Mit einem magnetophonischen Bumsschuh ausgerüstet, macht sich der Held auf die Jagd nach Farbmarkierungen, um sich durch geschickte Manipolation zum Günstling seiner komplexen und wunderschön gestalteten Umgebung hochzupolen.

Crazy Machines

(peppergames, 2009)

Rube-Goldberg-Variationen für Physikheinz und seine kantenmechanischen TÜVtelgeister.

Overgrowth

(Wolfire Games, 2017)

Hier prügelt man sich als Assihasi durch Rummeldörfer, um seinen Leuten im Kampf gegen diverse Raubhasenhorden unter die SEK-bedürftigen Pfoten zu greifen.

Race the Sun

(Flippfly, 2013)

Bei enormen Geschwindigkeiten jenseits der Rauchmauer schwebt man in einem ätherischen Gleiter der fernen Sonne entgegen bzw. in Lebensgefahr, vor leiser Hoffnung auf mäßig programmierte Kollisionsabfrage schimmernd.

Chime

(Zoë Mode, 2010)

Arthouse-Tetris mit Musik von Philip Glass und bisher nicht für möglich gehaltenen Förmchen.

Limbo

(Playdead, 2010)

Der große (Indie-)Klassiker, ein über jeden Zweifel erhabenes Meisterwerk aus Style, Substanz und Design, vielleicht überboten vom noch perfideren Nachfolger Inside.

The Dream Machine

(Cockroach Inc., 2014)

Man untersucht Kisten, lässt sich vom Kühlschrank die kalte Schulter zeigen, enttäuscht seine Frau, sprich: führt als Knetmasse mit Klasse ein nicht zuletzt stilistisch famoses Gamesein.

Insanely Twisted Shadow Planet

(Shadow Planet Productions, 2011)

Als kleines Ufo lasert und schwebt man sich durch eine voivodesk extravagante Welt voller Finessen und Tentakelschwärzen.

GoNNer

(Art in Heart, 2016)

Grafisch und spieltechnisch recht eigener Gönner, der einen mitteltristen Wal mit sich herumschleppt.

Syberia

(Microids, 2002)

Soll wohl ein richtig marionettes Adventure sein, für genauere Angaben fehlt mir irgendein 3D-Beschleuniger oder so.

Fahrenheit

(Quantic Dream, 2005)

Dieser keinesfalls von Flatulenz handelnde Vorgänger des cinematisch-überbewerteten Heavy Rain ist eines der wenigen Spiele, in dem der Depressivitätsgrad angezeigt wird.

Five Nights at Freddy’s: Sister Location

(Scott Cawthon, 2016)

Man animiert Puppen zu mehr Leistung, indem man sie tasert und psychisch unter Druck setzt – witzigruseliger fünfter Teil einer auch Romane umfassenden Spielereihe.

Glittermitten Grove

(Mostly Tigerproof, 2016)

Primär ein Feensimluator, in dem es darum geht, ein Waldstück zu verzücken; sekundär die Verpackung für den Subversionsknüller Frog Fractions 2, den ambitionierten Nachfolger des Subversionsknallers Frog Fractions.

Event[0]

(Ocelot Society, 2016)

So ganz nullisch kann das Ereignis nicht gewesen sein, denn immerhin ist die Raumstation wie von allen Geistern verlassen (vgl. Tacoma), wenn man die Bord-KI mit ihrem unbestimmten NachHALl nicht mitzählt.

There’s Poop in my Soup

(K Bros Games, 2016)

Das Prinzip ist stinkbar einfach: Man lasse elende Häufchen auf Passantenköpfe, in Kinderwagen und nicht zuletzt feine Süppchen von draußen Speisenden fallen und ergattere so begehrte Punktierungen.

Shower with your Dad Simulator 2015: Do You Still Shower With Your Dad

(marbenx, 2015)

Das reichlich schräge Spielprinzip besteht darin, drei unterschiedlich pigmentierte Knaben den entsprechenden Zeugern zuzuordnen, während diese duschen.

Bucket Detective

(The Whale Husband, 2017)

Du wollen frau, aber schwer; schreiben bestseller und berühmt, dann frau; aber schreiben tut im kopf weh – wie machen bestseller ohne autsch?

Dominique Pamplemousse

(Squinkifer Productions, 2014)

Ein Krimical über einen singenden PI, prima gespielt von einer Art Plastikkarpfen mit Transgender-Ambitionen.

Hatoful Boyfriend

(Mediatonic & Hato Moa, 2014)

Die meisten Spiele tauben nicht viel, zumindest nicht im direkten Vogleich mit HB, worin ein Mensch die Vogelschule besucht – eine echt schräge Japanflöte von einem Vogel von einem Game.

Bloody Boobs

(Eduard Bulashov, 2017)

In diesem total trashigen Miststück (“Realistic physics of women’s breasts and butt“) steuert man üppig betittte, fast nackte Frauen durch unnötige Katakomben.

Hylics

(Mason Lindroth, 2015)

Suigenetisch evolviertes Dadaventure um einen möglicherweise zur Klebergilde gehörenden Mondmann auf der Suche nach dem verlorenen Grabdong (Papa als Leerzeichen).

I am Bread

(Bossa Studios, 2015)

Man ist ein Stück Toastbrot und kämpft gegen die superbescheuerte Steuerung, für die am ehesten 8-Axis-Butter in Frage kommt.

Oxenfree

(Night School Studio, 2016)

Vier Mumblecore-Hipster begeben sich auf eine Reise zu den Independent Game Awards.

Tormentor X Punisher

(E-Studio, 2017)

Dieser im „Metal as fuck“-Genre angesiedelte Twin-Tower-Shooter spielt auf dem Planeten Fuck You, wo eine mit ordentlich Munition und Aggros geladene A(K-47)mazone diversen Dämonen ihre widerlichen Wichsvisagen wegbolzt.

Doki Doki Literature Club

(Team Salvato, 2017)

Eine sehr entspannende Visual Novel, in der ein literarisch wenig begeisterter Protagonist einem mädchenlastigen Schreibclub beitritt, um in die Geheimnisse der Teen-Angst einzutauchen.

Rusty Lake Hotel

(Rusty Lake, 2015)

Ein etwas an Max Ernst erinnernder P&C-Freakling, der unterschiedlich knifflige Kniffel erkniffeln muss, um am Schluss an das begehrte Honkfleisch zu kommen.

N++

(Metanet Software, 2016)

Lürrer Rühlninja vs. infradünne Problemzonen in unerschwinglichen Levelbauten.

The Static Speaks my Name

(The Whale Husband, 2015)

Man plant den nächsten Urlaub unter Palmen Palmen Palmen … das Konzept „Palmen“ raubt dir den allerletzten Verstand, dein Frühstück besteht aus schimmligem Kühlschrankinnenwandtauwasser usw.

Fran Bow

(Killmonday Games, 2015)

Als junges Mädchen, dessen Eltern plötzlich zerfetzt daliegen, hat man eine wenig subtile Bekanntschaft mit Satan gemacht, der regelmäßig Alimente in Form von Horrorcameos entrichtet.

Nex Machina

(Housemarque, 2017)

Sauschick schillernde Schusswechsel zwischen Robotern, Drohnen und Geiseln, die einen mit Laserhämmern und anderen Kraft-Hochs versorgen.

Stories Untold

(Devolver Digital, 2017)

VHSieht wirklich superschick nach Stephen-King-80ern aus, ich habe allerdings keine Ahnung, worum es hier genau geht.

Painkiller

(People Can Fly, 2004)

Zu feinstem Prügelmetal werden Dämonen, Totaltote, ISkelettoren und Hexen zu Haxen, indem jeglichem Höllengesocks mit der herausschleuderbaren Kreissäge die Rüben auf- und abgesäbelt werden.

Jets’n’Guns

(Rake in Grass, 2014)

In diesem 2D-Shooter kann jeder einzelne Pixel durch geschicktes Beballern zur Explosion gebracht werden, gegnerische Soldaten werden einfach mit der M61 Vulcan umgemäht oder mit dem Schiffsbug gerammt.

Silence of the Sleep

(Jesse Makkonen, 2014)

Man wacht in der Unterwelt auf und muss irgendwie klarkommen, wobei einem nicht viel mehr als Taschenlampe und Existenzangst zur Verfügung stehen.

Mu Cartographer

(Titouan Millet, 2016)

Hier darf man auf einem Synthesizer für Alienerziehende an fremdartigen Topographien herumfrickeln.

Slender: The Arrival

(Blue Isle Studios, 2013)

Was ist schrecklicher, als nachts im Wald mit einer Taschenlampe unterwegs zu sein? – Nachts im Wald mit Slenderman unterwegs zu sein, während jener Erwartungsterror, der mit dem langsamen Schweifenlassen des Lichtkegels durch absolute Schwärze einhergeht, den ohnehin gut gefütterten Wahn weiter nährt.

Last Day of June

(Ovosonico, 2917)

Frei nach Dr. William Weirds „Da, wo wir hingehen, brauchen wir keine Augen“-Devise erzählt diese unendlich süße, mit Musik von Progmeister Steven Wilson untermalte Liebesgeschichte zwischen einem 0-äugigen Mädchen und seinem 2-äugigen Brillenschlangenmännchen von vollkommen umwerfender Stilistik, die die Guckkullern schlicht weggesprengt haben muss.

A Dump in the Dark

(Oubliette, 2018)

Wenn ein Spiel einen saftig animierten Hintern zum Helden erkürt, vor „violent diarrhea“ (Leertaste) nicht zurückschreckt, als Grafikeinstellung „The Shit“ aufweist und dennoch mit einem auf Hitler bei einer seiner demongorgisch ausgeklügelten Supermarionettensuaden gerichteten Fadenkreuz beginnt, wobei nach obligatorischer Betätigung des Abzugs seltsam maskierte, slipknotige Nasalvasallen sichtbar werden, dann ist jegliche Fäkalbernheit sogleich im Keim erstickt.

MirrorMoon EP

(Santa Ragione, 2013)

Eine Art Echoshooter, bei dem man mit Eigenwillis Wuchtwumme den Mondklon telekinetet.

Thirty Flights of Loving

(Blendo Games, 2012)

Ein Quader als Kopf reicht offenbar völlig aus, um nach einem missglückten Heist das Geheimnis des Fliegens zu lüften.

Valley

(Blue Isle Studios, 2016)

A Story About My Uncles hüpfigerer Bruder, worin ein nach einem albernen Akronym benannter Spezialanzug nicht nur eindrucksvolle Sprunggelenke in sagenhafter Grafikpracht offeriert, sondern auch durch und durch tote Forellen neustartet.

MIND: Path to Thalamus

(Pantumaca Barcelona, 2015)

Man lustwandelt durch himmlische, surrealistische Mindscapes, die von Pfaden der Unwahrscheinlichkeit axonal durchzogen werden.

This War of Mine

(11 Bit Studios, 2014)

Ein Kriegs- und Survivalsimulator, in dem die von Entwurzelung, Plünderung, Rastlosigkeit und rissigem Dach überm rissigeren Kopf ausgehende Gemütlichkeit zu einem grausamen Ganzen geschnürt wird.

The Stanley Parable

(Galactic Cafe, 2013)

Das Medium Videospiel als Subversionsvehikel, das Büro als transzendentale Spielwiese und der Auktorialerzähler als Vollversager, der gegen eine gelbe Lebenslinie ablost.

Four Last Things

(Joe Richardson, 2017)

Sehr alberne Renaissance-Comedy mit Gilliam’scher Cut-out-Ästhetik und Python’schen Metajokes.

Kentucky Route Zero

(Cardboard Computer, 2013)

In diesem ureigenen, mit Kentucky Fried Movie extremnichts zu tun habenden Mikrokosmos hat es ein LKW-Fahrer es nicht leicht, die verflixte Nullroute zu finden.

Virginia

(Variable State, 2016)

Ein von dem Entwicklertrio als strange intendiertes sowie auf 30 Frames pro Sekunde ausgelegtes Abenteuer um eine FBI-Agentin, die in weiß der Lynch was verwickelt wird.

The Novelist

(Orthogonal Games, 2013)

Man schlüpft in die Rolle eines Geistes, dem der Schriftsteller Dan Kaplan und seine Familie (wahlweise mit oder ohne ihr Mitwissen) Geistfreundschaft erweisen, und erfährt dabei mehr über seinen Geisteszustand.

Papo & Yo

(Minority Media Inc., 2013)

In dieser von magischem Realismus durchdrungenen Coming-of-H-Geschichte geht es keineswegs um Heroin, sondern einen jungen Eskapisten, der seiner tristen Favela mit Kreide mechatronische Spezial-Features entlockt.

There Is A Genie In My Szechuan Sauce

(Bmc Studio, 2017)

Fast 600 MB Pissendreck kommen auf den Spieler bzw. seine Festplatte zu, wenn er bei zwei frankokanadischen, sich leider dem Freirubbeln eines beknackten Saucengeistes verschrieben habenden Megaspacken hospitieren möchte – komplett danebener Tras(h)hit!

Orwell

(Osmotic Studios, 2016)

Man arbeitet als Rattenvolo eng mit Big Brother zusammen und versucht, eine Terrorattacke aufzuklären.

Superflight

(Grizzly Games, 2017)

Idealerweise in VR zu spielender 3rd-Person-Gleitsimulator, worin man sich durch fremdartige Landschaften freisegelt.

Bendy and the Ink Machine

(TheMeatly Games, 2017)

In diesem Disneyspaß-trifft-Puppengrusel stecken die Zeichentrickfiguren so tief in der Tinte, dass selbst ein Inkling nimmer hilft.

The Swapper

(Tom Jubert, 2013)

Man ist allein in der Weltraumfremde unterwegs, die Einsamkeit wird gelegentlich von bis zu vier Holoklonen aufgebrochen, die man auch als Transportmittel nutzen kann – sehr atmosphärisch und ein-bisschen-bei-Winterbottom-abgegucktisch.

Mountain

(David O’Reilly, 2014)

Bevor er sich ALLEM zuwandte, war O’Reilly ein Berg mit Eigenschaften.

Plants vs. Zombies

(PopCap Games, 2009)

So ähnlich wie ein Schachspiel, nur ohne König und Dame, dafür mit Tag- und Nachunterschied, jeder Menge spuckender Bauernflora und, ach ja, Zombies (mitsamt dazugehörigem Zombieeditor).

Cogs

(Lazy 8 Studios, 2009)

Fordernder Zahnrädchen-Dreher, der die Vorgänge im Innern des Spielergehirns in Echtzeit abzubilden versteht.

Getting Over It with Bennett Foddy

(Bennett Foddy, 2017)

Diese ÖPNV-Parodie ist eine geniale Metapher für den Hindernisparcours Leben und die zahlreichen Limonen, dies es uns mit auf den Weg gibt – Frédéric Frust lässt grüßen.

Off-Peak

(Cosmo D, 2015)

Hypnoide Erkundungstour durch eine Bahnstation am Ende der Zeit.

Soma

(Frictional Games, 2015)

Soll ein herausrangendes Horrorspiel sein, das ich mir allerdings noch nicht installiert habe, weil ich meine arme HDD vorerst nicht mit weiteren 25 GB zu fragementieren wage.

Depression Quest

(The Quinnspiracy, 2014)

Einer der wenigen, wenn nicht gar einzigen Depressionsemulatoren, die halbwegs realistisch in der Form eines Text-Adventures mit einigen Entscheidungsmöglichkeiten den beschwerlichen Weg eines jungen Mannes schildern, der trotz sehr niedriger Energiewerte eine Beziehung mit einem Party-Girl zu meistern versucht.

Bonus:

Samorost

(Amanita Design, 2003)

Sämtliche Screenshots: © Steam

Annihilation – die Auslöschung der W-Fragen

Die bei Netflix nicht zufällig mit „mind-bending“ verschlagwortete, recht eigenständige Verfilmung des ersten Teils jener nebulösen, sprich: mit dem Nebula Award ausgezeichneten, Southern-Reach-Trilogie von Jeff VanderMeer ist ein vagemutiges Speculative-Fiction-Abenteuer von Alex „Machina“ Garland (Sunshine).

Click here for an English version of this review published on novelle.wtf.

Beim Anschauen seines empfehlenswerten neuen Kinofilms für daheim muss man nicht nur an ästhetisch-ätherisch nahestehende Meisterwerke wie Stalker oder Under the Skin denken, sondern auch an die Honest-Trailers-Kakaoten, da der Streifen so manche Vorlage für satirische Dreistigkeiten bietet: die in rund 16,8 Millionen Farben schillernden Seifenblasen etwa, welche zu raffen sich die fünf ghostbustenden Ladys, darunter Jennifer Joker Leigh, Natalie Mossad und Vergina Rodriguez, vorgenommen haben; oder die neuste Nvidia-Demo als Vorspiel zum Spiegeltango mit Fremdart & Gefunkel. Glücklicherweise wird hier Unbegreiflichkeit großgeschrieben, was eine ordentliche Lanze für Weird Fiction bricht und das dramaturgische Optimum rauskitzelt.

Darüber hinaus wurde die hier propagierte Beyondischkeit – eine der größten Verstörungen seit langem ist die Intestinalszene, wobei es auch reichlich ungemütlich anmutet, von Mr. Unheimlich erst sequenziert und dann an die Wand getänzelt zu werden – sauschön in Szene gesetzt. Jenes Andere, banaler: Außerirdische ist nicht zum Verstandenwerden hier, sondern um Usurpationsspielchen (oder whatever the fuck da los ist) zu treiben und dabei mit menschelnden Chimärchen und anderen herrlich üppigen Abartigkeiten in Tateinheit mit transzendentalem Lensflare (vgl. Turok) möglichst nonchalant gegen die Mutagenfer Konvention zu verstoßen.

Der häufigste Satz im Film lautet „Ich weiß es nicht“ und lädt herzlich dazu ein, die Gleichung „Wissen = Macht“ zu überdenken.

„Annihilation“ bzw. „Auslöschung“ feierte seine deutsche Erstausstrahlung am 12. März 2018 bei Netflix.
Titelbild: © Netflix

Seltsam einnehmend intim. Hundreds in der Passionskirche

Stell dir vor, in Kreuzberg strömen die Menschen sonntags zu Hunderten in eine Kirche. Hören andächtig zu. Und werden noch nicht mal enttäuscht. Im Gegenteil.


Berlin, 3.12.2017

Gar nicht so leicht, ein gutes Konzert in einer Kirche zu spielen. Gerade die Passionskirche im Bergmannkiez mit ihrem endlosem Hall macht es ihrem Publikum schwer, sich auf die immer häufiger dort stattfindenden Konzerte zu konzentrieren. Sóleys Show im letzten Jahr litt unter dem Sound. Und auch Joco, die dankbarerweise die Hundreds-Tour als Support begleiteten, wirkten gegenüber ihrem voluminösen Albumsound ungekannt dünn. Wie man einem solchen Saal aber wirklich gerecht werden kann, stellten Hundreds, der ewige Geheimtipp, noch am selben Abend ein für allemal unter Beweis.

Auf wundersame Weise gelingt es Hundreds ja schon seit ein paar Jahren, mit einer Musik zu begeistern, die anmutig und verschroben zugleich ist und die sie immer wieder weiterentwickeln. Aus Liebe zum Perfektionismus eignen sie sich allerhöchstens Kleinstteile aus verschiedenen Stilen an, um daraus nur wieder ihren eigenen Sound neu zu entdecken. Gesampelter Gesang, Ambient- oder Dubstep-Elemente können bei einzelnen Songs zentrale Rollen spielen oder ein ganzes Album lang gar nicht auftreten. Was alles durchdringt, sind musikalische Virtuosität, die sich durch Harmonievielfalt, kalkulierte Dissonanzen und kontrolliert arhythmische Elemente auszeichnet, und ein brillianter Gesang, der imposant und melancholisch seinen Weg hindurch findet. Immer wieder ziehen sich die Songs auf Klavier und Gesang zurück in eine gitarrenlose Leere, die dem Ganzen etwas Intimes und Einzigartiges verleiht.

Quelle: Instagram

Auf der gerade beendeten Elektro Akustik Tour, die sie auch in die Elbphilharmonie führte, riefen Hundreds nicht einfach ihre Veröffentlichungen ab, sondern präsentierten erhebliche Weiterentwicklungen der Arrangements. Und spiegelten teils ihre Songs gar in völlig veränderten Versionen. Aus dem einst vergleichsweise leichten Happy Virus wird eine düster aufgeladene, abstrakte Klavierballade. Andere Songs werden mit Elementen des Krautrocks, analogen Synthies und maschinellen Beats, aufgeblasen. Gerade das Spiel zwischen Bekanntem und Neuem erzeugt hier eine Grundspannung, die das Konzert über anhalten sollte. Abgerundet wurde der Berliner Hundreds-Auftritt von einer Kammerchor-Version mit Joco und Missincat des Songs Flume von Bon Iver, einer ähnlich kompromisslosen Band, die in den letzten Jahren gezeigt hat, wie weit sich ein komplett eigentümlicher Sound entwickeln kann. Und schon hat man vier wichtige Vertreter einer jungen Independent-Avantgarde in einem Satz erwähnt. Nicht nur wirkten die von Hundreds präsentierten Versionen, als seien die Songs bloß dafür komponiert worden. Die Passionskirche verräumlichte diese auf denkbar imposante Weise.

Und plötzlich ergab alles Sinn: Alle Formen, die die Songs bisher angenommen hatten, mussten zwangsläufig auf die neuen Fassungen hinauslaufen. Die ganzen Alben und EPs waren nur eine Vorbereitung des Berliner Konzerts. Die gesamte Musikgeschichte von Klassik bis Kraut dient bloß als begrifflicher Kontext für diesen Abend. Und die Passionskirche kann nur zu dem einen Zweck errichtet worden sein, sich von Hundreds einnehmen zu lassen. Das mit den Erscheinungen mag nun so ein Kirchending sein. Dennoch habe ich lange kein so einnehmendes und lang nachwirkendes Konzert besucht.

Beitragsbild: © Lars Kaempf

Tod der Natur – Jovana Reisingers Still halten

Mit ihrem Debüt Still halten gelingt Jovana Reisinger ein benommenes Drama, das in postmoderner Manier eine morbide Perspektive auf Existenz und Gesellschaft wirft.


„Nur die schwachen Geister lassen sich von der Natur einnehmen.“

Still halten ist erzählt als depressiver Monolog seiner Protagonistin, die damit beschäftigt ist, ihrer Umwelt gefällig zu sein, ohne selbst völlig unterzugehen. Teilweise gelingt es ihr ganz gut, gegenüber den Personen in ihrer Umgebung zu funktionieren oder sie dies zumindest glauben zu lassen. Was ihr hilft, ist, Personen als Rollen wahrzunehmen. Was sie herausfordert, sind Situationen, in denen Rollen von Personen ihr gegenüber sich wandeln oder Personen hinter Rollen sich ändern. Ihr Sparkassenfilialleiter etwa wird einfach ungefragt ausgetauscht. Ihre Mutter wechselt die Funktion in ihrem Leben – und liegt, was Ausgangspunkt der Handlung ist, neuerdings im Sterben.

Da die Mutter sich hierzu in einer Privatklinik eines kleinen Kurorts befindet, die Erzählerin sich jedoch in der Stadt aufhält, in die sie vor ein paar Jahren gezogen ist, beschäftigt sich ein großer Teil des Buchs mit ihrem Aufbruchversuch, der sich weniger einfach gestaltet, als es den Leser*innen lieb ist. Denn die stecken tief in der Gedankenwelt der Protagonistin, die sich ständig darum bemüht, sich in den Personen, denen sie begegnet, zu spiegeln, aus ihrer Perspektive heraus die Welt zu begreifen, verschiedene Perspektiven auf sich selbst zu richten, und gedanklich weite Kreise aufzumachen. Gerade eigene Entscheidungen fallen ihre schwer, weshalb sie ausgiebig darüber grübelt, wie sie ihrer Mutter einen letzten Besuch abstatten kann, der eines letzten Besuchs bei der eigenen Mutter würdig ist. Beziehungsweise der der Mutter eines letzten Besuchs ihrer Tochter als würdig erscheinen würde. Der die Tochter der Mutter gefallen lässt.

„Niemand ist jemals für die Mutter von dieser Wohnung aus über Maria Bitter und Maria Elend nach Maria Schmolln gelaufen, um dann in den Luftkurort zu gehen, ohne dabei nur in einer der Wallfahrtskirchen für sie zu beten.“

Ein spannender Effekt ist, dass sich Gedankenwelt und Erzählstil entspannen, sobald sie etwas mehr Ruhe findet. Die sie dann auch findet, als sie in ihre Heimat zurückkehrt, was den Roman deutlich an Tempo gewinnen lässt und seine Anspannung immer mehr in Spannung auflöst. Was ihr jedoch fehlt, sind Bezugspersonen. Denn auch ihr Mann ist derzeit unterwegs. Dass sie trainiert darin ist, sich fremdbestimmen zu lassen, macht nicht nur die Handlung, sondern auch die Erzählweise deutlich, da sie meisten ihrer Handlungen passiv erlebt. Mit ihr wird geredet, über sie wird entschieden, mit ihr wird geschlafen.

„Dem Richard war mein Körper schon immer wichtiger als mir.“

Immer wieder lässt sie sich leiten und beißt sich in kleine Gedanken fest, bis sie sich in fatale Dimensionen in diese hineingesteigert hat. Anstatt eines aktiven Erzählstils entsteht dadurch ein reaktiver, der sich in starke Abhängigkeit von Einflüssen bringt, die von außen auf die Erzählung treffen.

Still halten erschien im Verbrecher Verlag:

Quelle: Instagram

Worauf könnte ein Buch nun hinauslaufen, das zu Beginn einen depressiven Hauptcharakter mit der Nachricht konfrontiert, dass die Mutter im Sterben liegt? Genau, auf eine Auseinandersetzung mit Leben und Tod. Das wäre weit weniger innovativ, würde Jovana Reisinger dabei nicht so ein interessantes Gegensatzpaar aufmachen. Zwar lässt das Buch konträre Charaktere aufeinandertreffen, aber diese sind sich in gewissen Punkten seltsam einig, vor allem in ihrer Auseinandersetzung mit der Natur. Denn sowohl seine Protagonistin als auch der Förster ihres Heimatdorfs, der sich in der Handlung zum immer größeren Charakter entwickelt, begreifen die Natur als ständige Existenzbedrohung. Für ihn ist die Gefahr strukturell, aber so lang es Leute wie ihn gibt, zähmbar. Für sie ist die Angst persönlich. Die Natur, konkret der Wald, wird sie alle einholen. Sie ist die letzte in der Reihe, er wartet nur auf sie.

„Die Fläche hinter mir ist überschaubar, ich kann mich beim Zurückgehen durch den Garten nicht verirren. Ich kann den Ausgang nicht verfehlen. Ich kann mich hier nicht mehr verlieren. Ich darf nur nicht in den Wald geraten. Und ich bin das letzte Opfer, das es noch zu holen gilt.“

Das Gegensatzpaar Kultur–Natur bildet die Verbindungslinie zwischen den Gedankenwelten des konservativen Dörflers und der feministischen Städterin. Nur könnten die Sphären, die sie davon berührt sehen – hier die dörfliche Gesellschaft mit ihrer Forst- und Landwirtschaft, da die bloße Existenz – unterschiedlicher nicht sein. Zwar beginnen beide von einem bestimmten Punkt im Roman an wie damit, wie besessen Tiere zu erschießen. Aber die Mikroperspektive auf die nichtsdestotrotz unterschiedlichen gedanklichen Sphären, die die Personen haben, gibt Still halten etwas Besonderes.

Damit und mit ihrem assoziativen Schreibstil schafft Jovana Reisingers ein kleines wie feines, depressives Gesellschaftsportrait österreichischen Lebens, das am Ende viele Kreise schließt und bloß eine wichtige Frage offenlässt: Darf man seiner toten Mutter eigentlich die Finger brechen?

„Was macht es ihr schon aus, wenn ihr eine Hand gebrochen wurde, sie wird nie wieder meinen Kinderkopf damit streicheln können. Jetzt hat sie endlich ihr Kind verloren und kriegt es nicht mit!“

alle Zitate © Jovana Reisinger / Verbrecher Verlag