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Maji-Maji und der vergessene Krieg

Maji Maji Flava zeigt, wie Bismarcks Truppen Hunger, Krieg und Not über die  ostafrikanische Bevölkerung brachten. Ein vergessenes Kapitel grausamer Kolonialgeschichte. Von 1905 bis 1907.


In ihrem Bestreben, der Bodenschätze des Landes habhaft zu werden, plünderten, unterdrückten und töteten die deutschen „Schutztruppen“ unter Bismarck tausende Ostafrikaner٭innen. Ein Kapitel deutscher Geschichte, das nur wenig Beachtung findet: Wer kennt schon den Maji-Maji-Krieg? In Tansania ist er eine Legende, in Deutschland ein Tabu-Thema. Tatsache ist: Er forderte tausende Opfer auf ostafrikanischer Seite und prägte das Land für immer. Das Stück Maji Maji Flava stopft aber nicht nur Lücken in der Allgemeinbildung, es stellt Fragen nach individueller und kollektiver Schuld, nach wirtschaftlicher Abhängigkeit von ehemaligen Kolonialmächten und danach, ob und, wenn ja, wie Menschen über Ländergrenzen hinweg kommunizieren können.

Nur vordergründig handelt Maji Maji Flava von der Geschichte über die Magie des Wassers, das vor den Kugeln der Kolonialisten schützen soll. Einer Legende, die dazu führe, dass tausende Menschen fast unbewaffnet gegen die Armee der Kolonialisten kämpften. Dahinter verstecken sich der Gegensatz zweier Kulturen und die Grausamkeit der Kolonialgeschichte Deutschlands.

Schon zu Beginn des Stücks wird das Publikum in die Pflicht genommen. Es muss einen Anfang wählen. Möchte es lieber einen Drink an der Bar bekommen, oder will es sich von einem der Schauspieler über alle grausamen Details des Maji-Maji-Krieges aufklären lassen.  Schnell bilden sich zwei Gruppen, die sich auf den Saal und die Bar des Theaters verteilen. Nach dieser Einführung versammeln sich Schauspieler٭innen und Zuschauer٭innen im Vorführungssaal. Das tansanisch-deutsche Team aus Isack Peter Abeneko, Jan S. Beyer, Sabrina Ceesay, Konradin Kunze, Shabani Mugado und Lisa Stepf führen dem Publikum ein einer Mischung aus Tanz, Schauspiel und Gesang vor Augen, wie zwei völlig verschiedene Kulturen aufeinanderprallen. Die eine, mit dem Plan, ein Land und seine Bevölkerung zu unterwerfen und auszubeuten, die andere mit dem Bestreben, sich dieser zu erwehren.

Die zunehmende Lautstärke und Intensität der Szenen, in denen marschiert wird, Lager errichtet und Sklaven gedemütigt werden, führen dem Publikum die bodenlose Brutalität der Kolonialherrscher٭innen vor Augen. Immer wieder werden diese Szenen dadurch gebrochen, dass die Rollen getauscht, aber sogleich durch winzige Andeutungen eingeordnet werden. Auf diese Weise ist keiner der Schauspieler٭innen nur Täter٭in oder nur Opfer. Dies ermöglicht es dem Publikum auf zum einen, sich kurz vom Gesehenen zu erholen, wodurch die Eindrücke noch an Wirkungskraft gewinnen und zum anderen zeigt es, wie ein ganzes Land im Chaos des Krieges versinkt.

Unterlegt ist all dies mit Anweisungen der deutschen Heeresleitung, die immer wieder von einem der Schauspielenden im Originaltext vorgelesen, aufgenommen und wiederholt werden. Hierdurch wird einmal mehr der Bruch zwischen der durchorganisierten Lebenswelt der deutschen Besatzer und der im Glauben an überirdische Mächte verwurzelten Gesellschaft der ostafrikanischen Bevölkerung betont. Der Tatsache, dass sich dieser Kontrast bis in die Gegenwart gehalten hat, trägt dieses beeindruckende Theaterprojekt dadurch Rechnung, dass es das Publikum am Ende des Stückes wieder vor die Wahl stellt. Reagieren, Stellung beziehen, die Augen schließen. Keine dieser Möglichkeiten scheint eine würdige abschließend Reaktion auf das Gesehene zu sein.

Mit kluger Analyse, beeindruckender schauspielerischer Leistung und ungeschminkter Darstellung der Vergangenheit regt das Stück auch noch am nächsten Tag zu Diskussionen über Kolonialismus, Kollektivschuld und Geschichtswahrnehmung an.

Leider läuft dieses außergewöhnliche und sehenswerte Stück nur noch dieses Wochenende in den Sophiensælen Berlin, bevor es wieder ins Staatstheater Kassel zieht.

Quelle: Vimeo

Titelbild: © N. Klinger

Maria Wende: „IDEA.fabric“ – Urbane Symptome im dörflichen Idyll

Maria Wende: "IDEA.fabric"

Ausgefallene Kleidung ist hierzulande nichts Außergewöhnliches, bunt gemusterte Burkas hingegen schon. Maria Wende lässt die selbstentworfenen Stücke zu gewissen Anlässen von freiwilligen Teilnehmern tragen und schlüpft auch selbst hinein. Wer hier das Werk einer innovativen Modemacherin vermutet, liegt falsch. Maria Wende ist Künstlerin. Als fotografische Assistenz durfte ich ihre Performance IDEA.fabric im Rahmen eines Wettbewerbs begleiten.


Zum Anlass seines 40-jährigen Bestehens dachte sich der Kunstverein Oerlinghausen etwas Besonderes aus. Unter dem Motto 7 Künstler, 7 Tage und mithilfe einer bundesweiten Ausschreibung lockte er sieben junge Künstler in das beschauliche Städtchen im Teutoburger Wald. In der letzten Maiwoche sollten die Künstler den Ort erkunden und abschließend ihre Ergebnisse in der ehemaligen Synagoge präsentieren. Das Sahnehäubchen des Ganzen: ein mit 1000 Euro dotierter Preis. Maria Wende war eine der teilnehmenden Künstlerinnen. Mit Burkas und zwei Assistenten im Gepäck besuchte sie Oerlinghausener, die sich über einen Aufruf in der örtlichen Presse gemeldet hatten.

Ja, Burkas. „Afghanisch geschnitten, aber verwestlicht“, wie die Künstlerin sagt. Die Muster der Stoffe reichen von schwarzweißem Leoprint bis zu einem Apfelmuster, das ziemlich nahe an das Logo eines großen US-amerikanischen Konzerns heranreicht. Vor einem Jahr hatten Maria Wendes Burkas Premiere auf der Hamburger altonale17. Mit vier weiteren Burkaträgern, darunter zwei Männer, bewegte sie sich im öffentlichen Raum Hamburgs. Damit erregte sie ohne Zweifel Aufsehen, wobei die Reaktionen sehr unterschiedlich ausfielen. Hamburg 1 befragte die Aktion exklusiv in einem Interview.

Für Oerlinghausen packte Maria Wende die Burkas wieder aus. Gemeinsam mit Künstler und Projekt-Assistent Florian Münchow und mir unternahm sie insgesamt fünf Hausbesuche im Ort. Während die beiden eine Burka trugen und von den Hausherren bzw. –damen eine Hausführung bekamen, dokumentierte ich den Besuch mit der Kamera. Von jedem Besuch wurde ein Foto ausgewählt, das im Anschluss im öffentlichen Raum Oerlinghausens mehrfach plakatiert werden sollte.

Hausbesuch in Oerlinghausen


Burka 2.0

Was aber sollen die bunten Burkas? Maria Wende hat sich vor der Variation des im hiesigen Kulturkreis unüblichen Kleidungsstücks mit dem Originalen intensiv auseinandergesetzt. „Die originalen Burkas sind einfarbig. Schwarz, blau oder auch weiß. Im Gegensatz zu meinen bunten reichen sie nicht bis zum Boden, sondern höchstens bis zu den Knien.“

Burkas sind ein kulturelles Kleidungsstück, kein religiöses. Getragen werden sie vor allem im öffentlichen Raum Afghanistans. In der westlich geprägten Kultur ist die Vollverschleierung unüblich bis rechtswidrig. Nachdem das Burka-Verbot in Frankreich durchgesetzt wurde, fragte sich Maria Wende konkret, ob die Verschleierung der Frau tatsächlich den Gipfel ihrer Diskriminierung darstellt.

„In Deutschland zum Beispiel tragen Polizisten und Polizistinnen dieselbe Uniform. Polizistinnen müssen jedoch immer noch stärker um Anerkennung kämpfen als ihre männlichen Kollegen. Die Mechanismen der Diskriminierung greifen auch dort, wo eine Gleichstellung von Männern und Frauen eigentlich gegeben sein sollte“, sagt sie.

Dörfliche Idylle feat. Urbanismus

Die Kleider hatte die Künstlerin bei einer Schneiderin maßanfertigen lassen. Da nicht alle Altona-Teilnehmer in Oerlinghausen mitwirken konnten, hatte Maria Wende überlegt, Vertreter zu suchen.

„Diese Idee stieß auf wenig Begeisterung“, erinnert sie sich, „Interessanterweise identifizieren sich die Träger mit ihrer Burka.“ Florian Münchow bestätigt: „Bevor jemand anderes meine Burka trägt, habe ich mir lieber eine Woche Urlaub genommen.“

Ihre Absicht ist es nicht, tatsächlich Burka tragende Frauen anzugreifen. Im Rahmen ihrer Performance interessierte die Künstlerin das direkte Miteinander. Maria Wende kehrte den üblichen Burka-Dresscode – das Tragen im öffentlichen Raum – um. Sie und Florian Münchow unterhielten sich vollverschleiert mit den Gastgebern meistens über die kommunikativen Barrieren oder Schwierigkeiten beim Essen (ja, Kaffee und Kuchen wurden achtsam unter der Burka verzehrt). Dabei vertiefte sich häufig der gesellschaftspolitische Diskurs um und über die Verschleierung von Muslima und kulturell geprägte Frauenbilder im Allgemeinen. Manche Gastgeber waren neugierig und schlüpften selbst in eine Burka.

Plakate in Oerlinghausen

Teil Zwei des Projektes fand im öffentlichen Raum Oerlinghausens statt. Momente der Situationen im privaten Raum wurden somit nach außen getragen. Nach der Sichtung des Fotomaterials wurde jeweils ein Motiv für ein Plakat pro Tag ausgewählt. Mit dem Titel IDEA.fabric, der auf jedem Plakat wie eine Seriennummer steht, verweist Maria Wende auf die mustergültigen Wohnraumkonzepte einer allseits bekannten Möbelhauskette.

In Anbetracht der sieben Plakate wirkt das immer wiederkehrende Motiv der bunten Burkas wie ein vereinheitlichendes Möbelstück, das den verschiedenen Innenräumen Fremde gibt und Isolation nimmt.

„Klingt lustig, lass ma‘ machen!“

Welcher Aufwand in einer Woche Kunstprojekt steckt, die allgemeine und spezielle Organisation, Umsetzung, einen Feiertag, einen Brückentag und den Aufbau der Ausstellung beinhaltet, wurde schnell spürbar. Bereits vor Projektantritt wurde Maria Wende klar, dass sie ihre für Oerlinghausen konzipierte Arbeit abändern muss. „Wenn ich eine Idee für ein Projekt habe, denk ich immer: Klingt lustig, lass ma‘ machen! In der Praxis sieht das dann meistens anders aus.“

Missverständnisse mit der Druckerei, an die sie sich bereits im Voraus für die Produktion ihrer A1-Plakate gewandt hatte, führten dazu, dass der zeitliche Plan – pro Tag ein Hausbesuch und die Produktion eines Plakatmotivs – radikal gestaucht und umstrukturiert werden musste. Es fanden letzten Endes fünf statt sechs Hausbesuche statt und es mussten räumliche Alternativen gesucht werden. So waren einige Gastgeber tief enttäuscht, dass das „Team Burka“ kurzfristig absagen musste. Trotz allem wurde wie geplant produziert und plakatiert.

Die anonymen Reaktionen auf die Plakate spiegelten den Umgang urbaner Objekte im Dorf wider: Viele wurden scheinbar ignoriert bzw. toleriert, einige wurden abgerissen und bekritzelt, eines wurde offensichtlich sorgsam abgenommen, bevor der Kleister überhaupt trocknen konnte. Facetten von Spießigkeit und Vandalismus wurden auf diese Weise sichtbar und betonten auch ortsspezifische Klischees.

Den Preis holte sich letzten Endes der (wundersame Zentaur) Daniel Chluba aus Berlin. Insgesamt reichte die einwöchige Erfahrung von bizarr bis scheintot. Mal sehen, wann und wo Maria Wende zunächst ihre Burkas aufschlagen wird.

Titelbild und Beitragsbilder: © Le Colmer/Maria Wende

Stell dir vor, das ist Kunst

das_ist_kunst

… und keiner versteht’s.


Ist das Kunst oder kann das weg? Als es nur Pinsel, Farbe und Kohle gab, war Kunst ganz einfach zu definieren. Heutzutage sieht die Lage aber etwas anders aus: In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben sich neben der Malerei, Zeichnung und Skulptur auch Fotografie, Video und der reine Gedanke zu Kunstbegriffen gemausert. Das sehen nicht alle so. Braucht Kunst überhaupt Verständnis oder brauchen wir von der Kunst Verständnis?

Ursprünglich wollte ich den Text mit Eigentlich wollte ich einen Beitrag zur Kunst verfassen, aber… einleiten. Ein Kunstbeitrag wird es definitiv werden, nur ohne aber. Wer nun einen Bericht zum Duktus eines Gerhard Richter oder zur Komposition einer Jeff Wall Fotografie erwartet hat, hat sich geschnitten. Ich habe mich nämlich auch ein bisschen geschnitten, denn die letzten Ausstellungsbesuche in diversen Museen und Galerien zeitgenössischer Kunst haben mich einerseits irritiert, andererseits meine Ahnung bestätigt: Kunst ist nicht nur das, was im White Cube stattfindet. Kunst ist auch, wenn ich auf Konzerte gehe oder mich eine Idee überwältigt. Ich verstehe immer weniger den gemachten Unterschied zwischen Kunst und Musik und Denken. Wer macht sowas und warum? Ist dieser Text hier eigentlich Kunst, Analyse oder eine Kunstanalyse?

Jetzt mal ehrlich. Kann man das überhaupt?

„From music people accept pure emotion but from art they demand explanation.”
Agnes Martins Œvre ist praktisch unmusikalisch. Umso bemerkenswerter, dass sie Musik als die vollkommenste Form der Kunst bezeichnete. Musik erreicht uns weniger rational als emotional. Wir kaufen das neue Album unserer Lieblingsband, auch wenn wir nicht unbedingt wissen, ob es uns gefällt. Auch wenn ein Konzert musikalisch gesehen nicht der Bringer ist, kann das ganze Drumherum es aufpolieren. Musik ist weitaus mehr als Schall und (Wohl-)Klang.

Stellen wir uns mal vor, wir haben nicht gerade wenig Eintritt für eine zeitgenössische Ausstellung gezahlt und was sehen wir: eine monochrom blaue Leinwand, rostige Metallplatten und eine mit Kohle beschmierte Wand. Unsere Erwartung war eine etwas andere und deswegen können wir uns nicht ganz von halb empörten, halb fassungslosen Gedanken freisprechen – geschweige denn den Anblick des rostigen Metalls genießen wie das Konzert gestern Abend.
Kann man das überhaupt? Agnes Martins reduzierte Zeichnungen und Malereien erscheinen vielleicht auch nicht so spannend, wenn man die dahinterstehende Philosophie nicht kennt. Eigentlich haben ihre Werke – bildnerische und literarische – einiges zu sagen, aber der sogenannte ungeübte Rezipient würde ihnen nicht sofort verfallen und Halleluja rufen. Eine Wahrnehmungs-Schranke, deren Überwindung in der Regel weniger an Desinteresse scheitert als an chronischem Informationsmangel.

Sehgal: der traditionellen Extravaganz entgegengesetzt

Dass ein ausstellender Künstler nicht verpflichtet ist, sich auf irgendwelche Formate oder Materialien zu beschränken, sollte klar sein – dass er immaterielle Kunst macht, klingt zugegeben schon etwas seltsam. Spannend, weil irgendwie bizarr, dieses Prinzip der Mund-zu-Mund-Propaganda in diesem Kontext. Schließlich lebt der Kunstmarkt von seinem Ruf Extravagante Preise für extravagantes Material. Sehgal lässt Personen (Interpreten) seine Werke verkörpern und verzichtet nicht nur auf jegliche Publikation oder Dokumentation seines Werks; er ist nicht einmal ein Künstler im herkömmlichen Sinne: Studiert hat er Choreografie und VWL. Allein diese Kombination könnte schon als Kunst durchgehen, darauf kommt letztendlich nicht jeder. Neulich habe ich mir die Werkpräsentation von Tino Sehgal im Berliner Gropius-Bau angesehen, ohne zu wissen, was mich dort erwartet. Der Ausstellungstitel beschränkte sich lediglich auf den Namen des Künstlers, wo andere wahrscheinlich eine Headline aus zusammenhangslosen Begriffen kreiert hätten, um ihr Bohemiendasein standesgemäß nach außen zu kehren. Manchmal steckt hinter weniger doch mehr – zumindest bei Tino Sehgal.

Der melancholische Wiederholungstäter – Kunst oder Farce?

Jeder kennt Ohrwürmer. Akustische Endlosschleifen, die eigentlich nur in unseren Köpfen ablaufen und nicht wirklich beeinflussbar sind. Der isländische Künstler Ragnar Kjartansson hatte eine außergewöhnliche Idee und dem Ohrwurm eine Art Gestalt gegeben. Dafür organsierte er 2013 die Band The National, die im MoMA PS1 ihr Lied „Sorrow“ in leicht abgewandelter Form – „A Lot Of Sorrow“ – sechs Stunden lang performte. Kjartansson filmte das Ganze. Innerhalb der Stunden variierten Songpassagen, die Zustände der Musiker änderten sich fortlaufend und das Publikum konnte dem beiwohnen. Ein Konzert oder eine Performance? Wo fängt das eine an und wo hört das andere auf?

Wem ein Vierteltag zu lang ist – hier das extra large Konzert in leicht gekürzter Form:

„A Lot Of Sorrow“ – die Zelebration einer klischeehaften Künstlerattitüde, des nie endenden, immer gegenwärtigen Weltschmerzes? Oder bloß ein überschminkter Versuch, in das Guinnessbuch der Rekorde zu kommen? Vielleicht ist es aber auch weniger der Inhalt des Liedes als die Wiederholung seiner Struktur. Paradox scheint, dass letztendlich nichts gleich bleibt, was sich ständig wiederholt. Abnutzung durch Zeit. Eine CD, die immer und immer wieder abgespielt wird, nutzt sich irgendwann ab. Ein Ohrwurm verändert sich oder verstummt nach einiger Zeit. Kjartansson und The National schaffen mit dem Non-stop-Song quasi einen extern verlagerten Ohrwurm und definieren Livemusik als eine immaterielle Skulptur, die schließlich in uns Gestalt annimmt.

Die König Galerie in Berlin-Kreuzberg zeigt bis zum 23. August die Aufnahme der Performance. Die Kombination einer übergroßen Videoprojektion mit drei Boxen transportiert das Fast-endlos-Lied sozusagen durch Raum und Zeit direkt in die ehemalige Kirche; wenn man die Augen schließt, hat man das Gefühl, unmittelbar vor der Bühne zu stehen (1a Akustik!). Jeder, der die Gelegenheit zu einem Besuch hat, sollte sie nutzen. Lohnt sich!

Spätestens seitdem weiß ich nicht mehr so recht, wo die Trennlinie zwischen bildender bzw. darstellender Kunst und Musik ist. Wahrscheinlich gibt es sie schlicht und einfach nicht und ist nur ein perfides Konstrukt von konkurrierenden Konzertveranstaltern und Kuratoren, die Platten- und Kunstmarkt gegeneinander ausspielen wollen… Vielleicht findet das alles aber auch nur in meinem Kopf statt, vielleicht war alles schon immer eins und ich zu engstirnig. Was Kunst nun wirklich ist, wird letztendlich jeder für sich herausfinden, indem er sie erlebt.