Was macht Albrecht Schrader eigentlich, wenn er nicht das Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld im Neo Magazin Royale leitet? Sein exzentrisches Debütalbum gibt Aufschluss.
Wie locker aus der Hüfte geschossen kommt Albrecht Schraders erstes eigenes Album Nichtsdestotrotzdem daher, das am 5. Mai erscheinen soll. Das ist fetzige Pop-Musik, die mal schräg, mal selbstironisch, aber stets schlicht, subtil und wirksam den Widersprüchen und Brüchen unseres Zeitgeistes auf der Spur ist, ohne in abstrakte Höhen zu steigen oder mit dem moralisch erhobenen Zeigefinger die besungenen Missstände zu kritisieren.
Zehn Songs befinden sich auf dem Album. Dazu gehören je ein instrumentelles Intro und Outro, das den Protagonisten Peter zum Inhalt hat, dessen desolater Zustand auch Teil der Songs ist, wodurch jener Peter als pars pro toto für sozial verzweifelte Charakter fungiert. Das Duett Zufrieden ahnungslos, das Schrader mit Tiana Wagner in der Mitte des Albums singt, ist dabei eine klare Zäsur im Aufbau, in dem vor Ironie nur so triefender Pathos mit metalartigen Gitarrensoli kombiniert wird, was dem Song eine bewusste Peinlichkeit verleiht.
Scheinbar emphatisch schildern die Songtexte in einer hyperbolischen und teilweise assoziativen Art die vermeintliche Nutz- und Formlosigkeit des menschlichen Daseins. Besonders im titelgebenden Song werden locker, unverkrampft und wie nebenbei der islamistische Terrorismus und Eurovision Song Contest in einer Aufzählung willkürlich nebeneinander gesetzt. Das postmoderne Ich verliert damit nicht nur jegliche soziale Struktur und Verortung, es fließt auch isoliert parallel zu diesen Phänomenen, ohne die Möglichkeit Einfluss die „Katastrophen“ zu nehmen. Garniert wird dies in mehreren Texten mit scheinbar unsinnigen, neologistischen Dopplungen.
Zwischen Metal und 80er-Pop
Zugegeben, die Texte könnten einfach nur zynisch, resigniert oder boshaft wirken, ja, soziale Missstände scheinen gar affirmativ. Im Text selbst findet sich keine Form der Kritik oder Unterscheidung. Durch den einzigartigen Stil von Schraders Gesang und instrumenteller Musik wird dies jedoch untergraben. Eine übertrieben lustig wirkende Sopranstimme, elektronische Soundmittel aus dem 80er-Pop, wie dem altmodischen DX7-Sound, die jeden Schlagersong noch überspitzen, und eine rhythmisch angelegte Gitarrenschraffur wirken aufeinander und setzen klare Stör-Akzente. So wird eine musikalische Entfremdung zum Text erzeugt.
Eigentlich Unvereinbares wird also nicht nur sprachlich kommuniziert, sondern vom Sound und dem einfachen Klangspektrum stilistisch noch übertroffen. Auch wenn die Lieder in ihrer Machart sehr authentisch wirken, so beinhalten sie doch beabsichtigte und sehr eigenwillige Brüche. Die Ambivalenzen und Widersprüche unseres sozialen Lebens werden damit dezent und subtil in Szene gesetzt, Inhalt und Form widersprechen sich in krasser und faszinierender Form. Das ist emphatischer und exzentrischer Pop, eine Musik der puren, improvisierten und unnatürlichen Unstimmigkeit.
Zugegeben, das mag für den Hörer zunächst gewöhnungsbedürftig sein, aber Schraders schräg klingende Musik ist kein seichtes Plätschern des Pop-Mainstreams, sondern die textuell-musikalische Verwirklichung der Konfrontation, Neukombination und Verfremdung, mit den Mitteln des Alternative Pop. Wer sich nach einigen Songs erst einmal damit angefreundet hat, wird noch mehr Alben wollen.
Titelbild: © M. Koehler