Notwist gehen wild entschlossen in mehrere Richtungen gleichzeitig und filtern nach sieben Jahren endlich wieder ein Studio-Album heraus. Wie klingt Vertigo Days?
Viel passiert seit 2014, als Notwists Close to the Glass erschien. Trump kam (2017) und ging (2021), der Brexit wurde beschlossen (2016) und umgesetzt (2020), postmondän wurde gegründet (2015), feierte fünften Geburtstag (2020) und interviewte dreimal Markus Acher (2016, 2017, 2020), Notwist veröffentlichten ein Soundtrack- (Messier Objects, 2015) und ein Livealbum (Superheroes, Ghostvillains + Stuff, 2016), die einzelnen Bandmitglieder brachten mit weiteren Projekten, ohne Übertreibung, zahllose Releases hervor – bloß auf ein neues gemeinsames Studioalbum ließen sie warten. Nach langjähriger Arbeit daran zogen sie endlich einen Schlussstrich und veröffentlichten am Freitag Vertigo Days – ein Album, das vieles aufsaugt und zusammendenkt, an dem die Band in den letzten Jahren gearbeitet hat.
Improvisation trifft hier auf vollendete Arrangements, engmaschiger Krautrock auf entgrenzten Indie Pop, Soundtrack auf Live-Spiel, Hip-Hop Beats auf verträumte Chöre und Blasmusik. Fast wirkt es, als wären viele ihrer jüngeren Projekte – zu nennen wären hier als unzureichende Auswahl vielleicht Spirit Fest, 13&God, Rayon, Hochzeitskapelle oder ihr Festival Alien Disko – hier in einen Filter gelaufen und als Notwist-Album wieder herausgeflossen. Unterstützt wird dieser Fluss von einem perkussiven Drive, den man von ihnen bisher in dieser Intensität nur aus ihren Live-Arrangements kannte, der die Songs übergeordnet zusammenhält und ihnen eine Grundspannung verleiht. Sie klingen dadurch viel stärker verbunden als Notwists bisherige Studioalben und geben Vertigo Days einen collagenhaften Charakter, der die einzelne Songs eher zu Motiven verkleinert. Die Übergänge sind vielseitig – teilweise werden Songs überblendet oder hart abgeschnitten –, aber notwendig, denn das Album hat keine Zeit zu verschwenden.
Auch textlich sind die Songs auf Vertigo Days verbunden. Nach dem kurzen Intro Al Norte, das auf die Soundpalette einstimmt, werden die restlichen Songs eingeklammert von einem zweiteiligen Motiv, das zunächst im Song Into Love / Stairs auftaucht und sich im letzten Track in neuem Arrangement als Into love Again wiederholt. Der gemeinsame Text beider Tracks bildet eine Klammer:
Now that you know the stars ain’t fixed
the roads ain’t straight
now that the sky can fall on us
now that you know how much it hurts won’t save you from
falling into love again
Notwist – Into love / Stairs, Into Love Again (2021)
Eine Phrase, die auch politische Dimensionen hat. Denn während der Arbeit am Album hat sich die öffentliche Stimmung oftmals verkehrt, nicht nur durch eingangs erwähnte unvorhergesehene politische Entwicklungen, die auch die Popkultur kalt erwischt haben. Zuletzt dann eben auch die Corona-Pandemie, in deren Verlauf die finale Entstehungsphase des Albums fiel. Einige Songs, vor allem die Features, entstanden zwangsweise dezentral, während Cico Beck, Micha und Markus Acher sich als Produktionskern der Band im Münchner Studio vergruben und diese allgemeine Verunsicherung ins fast fertige Album einflochten. Womöglich setzt die kurze Textpassage auch ein Motiv von Close to the Glass fort:
When the stars fall of the ceiling
They rolling to the sea
One room for us
One room for both of us
One room for us
Is not available
Notwist – Casino (2014)
Casino vom 2014er Album, ein Song über ein verspieltes Leben, bringt existenzialistische Tendenzen mit, welche auch ein textlicher Ausgangspunkt für Vertigo Days sind und vor allem in Songs wie Loose Ends und Night’s Too Dark durchdringen, die auch im Sound am engsten an Notwists frühere Platten anknüpfen. Genau dieser Existenzialismus, der sich in melancholische Lebensbejahung flüchtet, scheint von externen Faktoren herausgefordert zu sein, verliert doch vieles angesichts dem kulturellen Stillstand und hinter dem Zwang, nichts zu tun, seine Leichtigkeit, ja, Ertragbarkeit. Doch zum Glück ist auch von jener Leichtigkeit, die sich die Band erarbeitet hat, an anderer Stelle noch vieles übrig auf den Aufnahmen. Denn eigentlich war sie bei Vertigo Days mal angetreten, um ihren Sound zu öffnen, zu verbreitern, zu reflektieren und gemeinsam als Band neue Gefilde zu betreten, ihm, anstatt weiter am eigenen Denkmal zu arbeiten, seine Flüchtigkeit zurückzugeben.
Cico Beck, Micha und Markus Acher, die gemeinsam mit Andi Haberl, Max Punktezahl und Karl Ivar Refseth Notwist bilden.
Vielleicht hat ihm die letzte Produktionsphase wieder ein Stück der Flüchtigkeit genommen, aber dennoch besticht Vertigo Days durch Offenheit und eine Entgrenzung des Sounds. Die fünf Features der Platte sind nicht einfach Notwist-Songs mit gemeinsam gesungenen Refrains, sondern mit den Gastmusiker*innen entworfene Schnittstellen, die einander auf den Grund gehen und abseits des Erwartbaren etwas völlig Eigenes schaffen. Vertreten sind die Tenniscoats-Sängerin Saya Ueno aus Tokyo und ihr Bläser-Ensemble Zayaendo, die beiden Jazzmusiker٭innen Angel Bat Dawid und Ben LaMar Gay aus Chicago sowie die argentinische Electro-Songwriterin Juana Molina. Und sie alle wussten die Freiheiten zu nutzen, die ihnen gewährt wurden.
Zwischen Flüchtigkeit und notorischem Fluss ist Vertigo Days ein spannungsreiches Album, das zwischen den Polen hin- und herspringt, auf dem vieles möglich und alles in einem warmen, handgemachten Sound verbunden wird. Sieben Jahre haben Notwist sich Zeit genommen, um ihre Collage zu Ende zu denken. Sie haben die Zeit genutzt.
Notwist 2021, ein Beispiel: Al Sur (feat. Juana Molina)
Quelle: YouTube
Vertigo Days von Notwist erschien am 29. Januar 2021 bei Morr Music und hat 14 Tracks.
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Bevor vielleicht noch dieses Jahr ein neues Notwist-Album erscheint, steckt Markus Acher tief in der Label-Arbeit: In Kooperation mit Morr Music veröffentlicht sein Label Alien Transistor am 1. Mai das Sampler-Album Minna Miteru, ein Szeneportrait japanischen DIY-Pops. Darauf tummeln sich, so sagt er selbst, einige „unkategorisierbare Außenseiter des Pop“ aus dem Umfeld der Band Tenniscoats, die teilweise so tief im Underground zuhause sind, dass tatsächlich viele Stücke trotz Zeiten von Streaming-Diensten und scheinbar unbegrenzter Verfügbarkeit von Musik erstmals wirklich international verfügbar werden.
Dass dabei ein stilistisch entgrenztes, intensives Hörerlebnis entstanden ist, ist ein zweiter positiver Effekt und Anlass, Markus Acher ein paar Fragen zu stellen. Zum Beispiel darüber, was diese vielseitige Compilation eigentlich zusammenhält, warum sie ausgerechnet in Deutschland erscheinen musste, weshalb die Musik so wichtig ist, wie einflussreich sie für seine eigene Kunst ist – und wie hart der aktuelle Pandemie-Shutdown die Künstler٭innen, Kulturstätten und internationale Beziehungen der Independent-Musik trifft.
von Moritz Bouws und Gregor van Dülmen
Gemeinsam mit Morr Music veröffentlicht dein Label Alien Transistor die japanische Compilation Minna Miteru. Eingangs stellen wir uns die Frage, wie deine inzwischen ja doch sehr intensive Verbindung nach Japan überhaupt entstanden ist.
Einerseits haben es mir das Land, die Kultur und die Menschen natürlich gleich beim ersten Besuch sehr angetan. Aber die bleibende Verbindung kam über die Musik. Da habe ich einfach immer wieder so viel faszinierende und innovative Musik gehört, dass das Interesse nie abriss. Und über die Tenniscoats habe ich jetzt nochmal viele Musiker und Künstler kennengelernt, die ich sonst nie gefunden hätte.
In unserem letzten Gespräch hast du den Japan-Indie-Sampler Songs for Nao (Chapter Music 2004) erwähnt. Er brachte dich unter anderem auf Tenniscoats, mit denen du später die Band Spirit Fest gegründet und nun Minna Miteru kuratiert hast. Inwiefern würdest du sagen, dass der Sampler dein musikalisches Verständnis geändert hat?
Auf dem Sampler habe ich das erste Mal Musik der experimentellen Indie-Folk-Szene rund um die Tenniscoats gehört, und die hat mich sehr berührt. Sie haben keine Angst vor Melodien, aber auch keine Angst vor dem Ausprobieren und Scheitern. Die Beatles, Syd Barrett, Charles Mingus, TV Personalities, Bach, die Residents – da kann man so vieles heraushören, ohne dass es konstruiert klingt. Es gibt keine Berührungsängste, und doch ist es auch kein wildes, stilistisches Durcheinander. Erfahrene Musiker spielen ganz selbstverständlich mit Bekannten, die erst seit zwei Wochen ein Blasinstrument besitzen. Freunde machen zusammen Musik, um sich zu treffen, und die Bands covern sich gegenseitig. Trotzdem wissen sie alle genau, was sie wollen und vor allem auch nicht wollen. D.I.Y. ist sehr wichtig: Sie sind unabhängig und haben ein eigenes Netzwerk aus Freunden geschaffen. Das ist alles extrem inspirierend. Und wie gesagt, die Stücke – so viele unglaubliche Kompositionen und Melodien.
Beide Sampler umkreisen eine Tokioter DIY-Pop-Szene um das Majikick Label herum. Dennoch gibt es zwischen den Künstler٭innen auf Songs for Nao und Minna Miteru nur wenige Überschneidungen und deutliche Unterschiede in der Songauswahl. Siehst du die neue Auswahl eher als Fortsetzung oder Erweiterung?
Minna Miteru ist eigentlich beides. Songs for Nao hat sich ja zu großen Teilen auf Saya und Uenos Label Majikick und damit verbundene Bands konzentriert. Inzwischen ist viel passiert, und die Szene hat sich auch mehr aufgefächert. Musikalisch hat sich natürlich auch viel getan. Saya wollte bei ihrer Auswahl nicht nur ihre Freunde und eigenen Projekte vorstellen, sondern auch Musik, die sie gerne mag, interessant findet oder sie inspiriert hat. Während Songs for Nao eher der Blick eines Außenstehendem auf diese Szene war, ist Minna Miteru ganz Sayas musikalische Welt. Die Zusammenstellung erzählt genauso viel über sie und ihre Idee wie über die japanische Indie-Szene. Der rote Faden durch die Compilation ist ihre Offenheit und Neugier, die Suche nach Musik, die nicht einzuordnen ist, keine Grenzen kennt und keine Klischees bedient.
Viele der Songs klingen gleichzeitig experimentell und verspielt. Wie würdest du insgesamt das Hörerlebnis von Minna Miteru beschreiben?
Ich finde, Saya hat den Sampler wie ein langes zusammenhängendes Stück zusammengestellt, bei dem man nie weiß, was als nächstes kommt, aber trotzdem alles ganz logisch ineinanderfließt. Ich finde immer noch faszinierend, wie Elektronik, Blasinstrumente, akustische Gitarren und Stimmen zusammenspielen, und am Ende ein großes Ganzes ergeben. Da ist eine Freiheit in der Musik, die ich auch immer suche. Die Musik ist das Wichtigste, gleichzeitig nimmt sich niemand zu ernst. Alles ist Popmusik.
Welche٭r der Künstler٭in hat zuletzt ein Album herausgebracht, das man sich anhören sollte?
Oh…alle natürlich! 🙂 Also, von den Tenniscoats selbst gibt es natürlich viele wunderbare CDs, z. B. ihre Reihe Music Exists mit fünf Alben. Zuletzt haben sie ein Album nur mit ihrer Version von Jazz-Standards aufgenommen, als nächstes kommt ein Album mit elektronischen Beats. Die Band Yumbo ist eine ähnlich tolle Band mit vielen Mitgliedern, die sehr vielseitige experimentelle, unkategorisierbare Popmusik macht. Eddie Marcon ist auch eine wichtige Band, mit allen möglichen Seitenprojekten, die sehr aktiv ist. Da gäbe es noch viel mehr zu nennen.
Es ist nur leider schwierig, die CDs hier in Europa zu bekommen, das ist auch ein Grund, diesen Sampler zu machen. Er soll der Start für eine Reihe von Wiederveröffentlichungen und Compilations der Bands und Projekte sein.
Für einige beteiligte Künstler٭innen muss es eine Besonderheit sein, über zwei in Deutschland ansässige Labels vertrieben zu werden. Wie ist die Resonanz der Künstler٭innen auf eine Veröffentlichung in Europa?
Nach dem, was ich so mitbekomme, sind alle sehr glücklich darüber und freuen sich sehr. Einen vergleichbaren Sampler gab es ja auch in Japan lange nicht mehr. Er führt viele Leute zusammen, in Japan und außerhalb, und das ist eine schöne Sache.
Warum erschien Minna Miteru nicht bei einem japanischen Label?
Das war auch kurzzeitig angedacht, aber da die Idee ja war, diese japanische Szene nach außen zu tragen und außerhalb Japans vorzustellen, ist es so besser.
Die Auswahl auf Minna Miteru basiert auf einem Songbook mit Stücken befreundeter Musiker٭innen der Tenniscoats. Könntest du uns mehr dazu erzählen: Fand das Songbook in Japan bereits den Weg an die Öffentlichkeit oder handelt es um ein privates Stück?
Das Songbook hat sich Ueno ausgedacht. Da er oft mit befreundeten Musikern zusammensaß und sie angefangen haben, mit der Gitarre Lieder zu singen, hatte er die Idee, ein Indie-Songbook mit den Liedern befreundeter Bands zu machen. Er hat die Liedtexte mit Gitarrenakkorden und eigenen Zeichnungen gesammelt und als Risoprint-Heft in kleiner Auflage veröffentlicht und verkauft. Ich fand das super und da ich einige Lieder nicht kannte, habe ich gefragt, ob ich eine CD davon haben kann. So kam die Idee zu dem Sampler zustande.
Korrespondiert das Artwork der Platte mit dem illustrierten Druck?
Das Risoprint-Heft und der Sampler jetzt haben nur noch ein paar wenige Bands gemeinsam, und dass Ueno die Illustrationen gemacht hat. Sonst sind die Lieder und Bands andere, auch das Artwork ist komplett anders.
Wie würdest du die Rolle der Tenniscoats in der japanischen Indie-Landschaft beschreiben? Kann dort von einer stark vernetzten Subkultur gesprochen werden?
Saya und Ueno sind Teil eines großen Freundeskreises, der sehr aktiv ist. Es gibt viele kleine Plattenläden, Cafés, Galerien und Clubs, in denen winzige Konzerte stattfinden, Ausstellungen, Performances und so weiter. Die Grenzen sind dabei nicht so streng gesteckt wie bei uns. Da können ein Folksänger, elektronischer Noise und ein Tanzperformance an einem Abend stattfinden, einfach weil die Musiker٭innen untereinander befreundet sind. Meistens wird dann auch noch sehr gut gekocht, selbstgenähte Kleidung, CD-Rs in Mini-Auflagen oder Siebdruckhefte verkauft. Tolle und inspirierende Orte. Leider werden auch in Japan viele die Auswirkungen der Corona-Krise wirtschaftlich nicht überleben, da die Regierung bislang keine Unterstützung für Künstler٭innen und Veranstaltungsorte bereitstellt.
Etwas später im Mai erscheint ja auch dein neues Album mit Spirit Fest, Mirage Mirage – alles Gute für den Release! Mit dem Album tauchst du natürlich auch selbst tief in die japanische Indie-Szene ein. Wann und wo ist das Album entstanden?
Wir haben die Platte letzten Sommer in München aufgenommen, ein paar Stücke auch schon im November davor, an ein paar freien Tagen während der Spirit-Fest-Tour in Tokio in Sayas Studio.
Auf Mirage Mirage sind diesmal auch einige Gastmusiker zu hören. Ihr arbeitet darauf außerdem verstärkt mit Field Recordings und Samples. Ist diese Offenheit voreinander und allem anderen typisch für eure Arbeitsweise?
Alle bei Spirit Fest sind sehr offen für alle seltsamen Ideen. Deswegen passt das auch immer sehr gut zusammen. Am Ende aber kommen dann doch oft Pop-Songs dabei heraus, das überrascht uns dann selbst. Mat Fowler (von Jam Money und Spillane Fete) macht ständig Field Recordings, auch um die Umgebung und den Aufnahmeprozess mit in die fertigen Stücke einbringen zu können. So kann man auf der Platte jetzt den Klavierstimmer, ein Kind im Treppenhaus und eine Unterhaltung mit einem alten Mann auf dem Hofflohmarkt vor dem Studio hören.
Es ist bereits das dritte Album in vier Jahren. Was denkst du, wie viele Spirit-Fest-Platten ihr noch veröffentlicht, bevor das neue Notwist-Album erscheint?
Spirit Fest hat ja eine ganz andere und viel spontanere Arbeitsweise, deswegen kann das, wenn wir mal zusammen sind, sehr schnell gehen. Leider wird das durch die Corona-Krise jetzt über einen längeren Zeitraum schwierig werden.
Aber eine neue Notwist-Platte ist auch so gut wie fertig. Sie müsste eigentlich, wenn alles klappt, dieses Jahr irgendwann noch rauskommen.
Glaubst du, wenn man genau hinhört, wird man auch bei den aktuell entstehenden Notwist-Songs Elemente von Minna Miteru heraushören können wird?
Ich denke, man hört das nicht eins zu eins. Aber das Verspielte und der Mut dieser Stücke haben mich schon sehr beeindruckt. Und das fließt bestimmt mit ein.
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Markus Acher steckt mal wieder in zahlreichen Projekten, weiß nicht einmal mehr, wann er mit Notwist proben soll. Dabei machen sie doch grad ein neues Album. Aber alle Bandmitglieder sind derzeit viel unterwegs. Er selbst sucht den Austausch mit japanischen, britischen und US-amerikanischen Musiker*innen, welcher aktuell in Bands wie Spirit Fest oder Hochzeitskapelle aufgeht.
Die großen Fragen („Heißt es ‚Notwist’ oder ‚The Notwist’?“) wurden von dieser Seite bereits letztes Jahr im Interview geklärt. Am Rande des European Art Cinema Day, für den er in Berlin war, gab es wieder Gelegenheit für ein Gespräch. Höchste Zeit, weiter in die Tiefe zu gehen, über aktuelle Veröffentlichungen und seine künstlerische Arbeitsweise selbst zu sprechen.
Notwist gilt für viele, auch international, als relevanteste deutsche Indie-Band. Hättet ihr das bei der Gründung für möglich gehalten?
Nein, natürlich nicht. Als wir angefangen haben, waren da einfach Weilheim, Frust und Langweile und ein Rauswollen aus der Kleinstadt. Vor der eigentlichen Notwist-Besetzung gab’s schon eine frühere Besetzung, die stark von Underground und Punk beeinflusst: Velvet Underground und Camper Van Beethoven waren die Vorbilder. Das, wozu der Originalpunk geworden war, Deutschpunk zum Beispiel, hat mir nicht gefallen, aber über Frontline Mailorder habe ich die ganzen amerikanischen Hardcore-Bands kennengelernt. Aus diesen Einflüssen hat sich die Notwist-Trio-Besetzung gegründet.
Wir haben versucht, in diese Richtung zu gehen. Von der ersten Besetzung waren zu dem Zeitpunkt nur noch als Schlagzeuger Mackie Messerschmidt und ich dabei. Wir haben noch meinen Bruder als Bassisten gefragt, der kurz davor bei einer anderen Punkband aufgehört hatte. Das war so 1987. 1990 kam die erste Platte. Ich weiß gar nicht mehr, wie wir an das erste Label kamen. Die haben uns irgendwo gesehen. Die Hardcore-Szene war ja damals noch sehr vernetzt und man kam als Vorband für amerikanischen Bands von einem Jugendzentrum zum anderen.
Setzt es euch, wenn ihr an neuer Musik arbeitet, unter Druck, dass die Songs mittlerweile ein so großes Publikum finden?
Schon ein wenig. Aber wir versuchen sowieso immer, einen Außenblick in unsere Arbeit miteinzubeziehen. Die letzte Instanz sollte sein, was man selbst gern hören würde. Aber mit zunehmendem Alter der Band und der Anzahl der Platten, die wir schon gemacht haben, fängt man natürlich an, zurückzublicken und zu schauen, ob man nicht das Gleiche schonmal gemacht hat, nur cooler und besser. Das ist eigentlich immer das größte Problem. Man will ja immer etwas machen, das man selber in der Form noch nicht gemacht hat, oder im besten Fall etwas, was es an sich sonst noch nicht gibt. Wir sind uns zwar bewusst, dass man nie etwas komplett selbst erfindet, sondern sich selbst irgendwo her zusammensucht, aber probieren immer, etwas zu finden, für das es zur bestimmten Zeit in genau dieser Kombination und dem Arrangement einen Grund gibt, es zu machen.
„Bestimmte Platten klingen für mich auch rein intuitiv eher farbig, andere monochrom. Also fange ich oft damit an, diese Aspekte zu hinterfragen und mit ihnen zu arbeiten.“
Markus Acher über sein Arbeit
Ist dieser Ansatz auch Ausgangspunkt dafür, dass ihr euch alle an so vielen weiteren Projekten beteiligt?
Ja. Es ist eine gute Art, sich Inspiration zu holen oder Verantwortung abzuwälzen. Zum Beispiel sind an dem Projekt Spirit Fest, mit den beiden Mitgliedern Saya und Takashi Ueno von Tenniscoats, Mat Fowler von Jam Money und Cico Beck (Joasihno, Aloa Input, You + Your D. Metal Friend, Notwist), Personen beteiligt, die sehr viel einbringen, genauso viel wie ich. In so einem Umfeld kann man einfach loslassen und weiß, dass etwas Cooles dabei herauskommt. Das Debütalbum erscheint im November bei Morr Music.
Und wie entsteht ein Projekt wie Spirit Fest? Habt ihr im Vorfeld Songs ausgetauscht oder ist alles in den zwei gemeinsamen Aufnahmewochen entstanden?
Bei Spirit Fest haben alle ihre eigenen Stücke mitgebracht, die schon komponiert und getextet waren. Aber dazu, wie wir sie arrangieren und aufnehmen würden, gab es vorher keinerlei Kommunikation. Letztendlich wusste ich auch nicht genau, was sie mitbringen und dass sie überhaupt etwas mitbringen. Aber ich bin schon lange großer Fan, habe die Band 2005 entdeckt, als wir mit Lali Puna zum ersten Mal in Japan waren. Damals habe ich mir einen Sampler namens Songs for Nao gekauft, auf dem sie selbst, aber auch viele Bands aus ihrem Umfeld versammelt sind. Dadurch bin ich auf sie aufmerksam geworden und habe angefangen, nach ihrer Musik zu suchen, ihre CDs zu bekommen, weil es mich extrem angesprochen und berührt hat.
2009 erschien eine gemeinsame Platte von Tenniscoats und The Pastels aus Schottland, von denen ich auch großer Fan bin. Durch diese und andere Kollaborationen der Band – etwa mit der schwedischen Band Tape, diversen japanischen Künstlern oder dem australischen Soundkünstler Lawrence English– ist die Idee zu diesem Projekt etwas näher gerückt. Ich habe, bevor wir nochmal mit Lali Puna in Japan waren, gesehen, dass sie inzwischen bei Afterhours veröffentlicht haben, einem befreundeten Label in Tokio, das auch Notwist-Alben lizensiert hat. Die haben für uns auf meine Bitte ein Treffen mit Tenniscoats organisiert. Wir haben uns auf Anhieb verstanden und sie haben gleich gefragt, ob wir nicht eine Kollaboration machen wollen. Als wir im letzten Jahr zum ersten Mal das Alien Disko-Festival organisiert haben, waren sie gleich die erste Band, die ich vorgeschlagen habe. Wir haben direkt ausgemacht, dass sie ein paar Tage eher kommen und wir die Gelegenheit nutzen, um Aufnahmen zu probieren.
Wie stießen Mat Fowler und Cico Beck zum Projekt?
Die habe ich eingeladen. Ich habe mich gefragt, was noch dazu passt. Mit Cico mache ich viel in München. Er ist ja inzwischen auch bei Notwist und ist ein sehr guter Musiker, der sich extrem gut in eine bestimmte Art von Musik einfühlen kann. Mit Mat habe ich mich auch gut angefreundet. Ich hatte mir die erste Platte von Jam Money direkt bei ihnen bestellt, weil noch kein Vertrieb sie hatte. Darauf hat er sofort geantwortet und schrieb, dass er auch Musik von uns kennt. Wir haben dann viel per E-Mail geschrieben. Irgendwann habe ich ihn gefragt, ob sie ein Album bei unserem Label Alien Transistor veröffentlichen möchten – was sie dann auch gemacht haben. Er ist ein guter Typ und hat einen total eigenen, kunstvollen Ansatz, Musik zu machen, sieht in jedem Gegenstand einen Klang, den er einbauen kann, und geht sehr spielerisch an die Musik heran. Er stellt immer wieder alles auf den Kopf und experimentiert sehr viel, zum Beispiel mit Spielzeuginstrumenten oder jetzt auf der Platte mit Steinen oder einem Radio. Er war für den generellen Klang der Platte sehr wichtig.
Das Video zu Hitori Matsuri liefert Eindrücke aus dem Studio
Quelle: YouTube
Die Musik, die Tenniscoats auf ihren eigenen Alben macht, lebt durch starke Präsenz, deine Projekte zeichnen sich ja eher durch Subtilität aus. Gerade mit Rayon hast du zuletzt ein sehr subtiles, bedrückendes Album veröffentlicht. Auf dem Album fügt es sich für mich zu einem intimen, aber auch optimistischen Sound zusammen. Hattet ihr im Vorfeld eine Intention, dass ein solches Album dabei herauskommt?
Mein Ansatz war wirklich bloß, dass ich ihre Musik nicht höher schätzen könnte. Wäre Neil Young zu Besuch gekommen, wäre ich wahrscheinlich weniger aufgeregt gewesen. Deswegen wollte ich eine Atmosphäre schaffen, die passt und das Besondere an der Band bestmöglich unterstützt. Und das besteht eben darin, dass sie unglaublich intensive Musik machen, auch wenn sie erstmal vielleicht einfach und nett klingt. Aber sie hat eine unglaubliche Tiefe und Traurigkeit, die einen aber gleichzeitig festhält. Man suhlt sich nicht darin, sondern sie ist vielleicht wirklich, wie du es beschreibst, optimistisch.
Wir sind dann auch nicht in eine normales, anonymes Studio gegangen, sondern zu einem Freund von uns, zu Nico, der mit Cico bei Joasihno spielt. Er hat ein Studio in seiner Wohnung, mit zwei Räumen. Im einen steht nur ein Mischpult, im anderen sein Bett und Mikrofone. Dort haben wir eng aneinander aufgenommen. Das hört man eben auch, es war sehr respektvoll. Alle haben wahnsinnig aufeinander gehört, was für alle eine außergewöhnliche Erfahrung war. Auch wenn es bei jedem Stück zusätzliche Overdubs gibt, ist ein Großteil der Platte und das Grundgerüst aller Songs aber eigentlich immer live gespielt und gesungen.
Ihr geht ja im Dezember gemeinsam auf Tour. Durch die räumlichen Distanzen stelle ich mir die Vorbereitung etwas schwierig vor. Schließt ihr euch vorher nochmal an einem bestimmten Ort ein, um die Konzerte vorzubereiten?
Zweimal haben wir ja schon zusammen live gespielt –in Köln und in München– und ich glaube, jeder weiß noch, was er da gespielt hat, und wir werden alle auch immer wieder Songs komponieren, die wir schnell, vielleicht schon während der Tour, erarbeiten. Einen Tag bevor die Tour in Genf startet, treffen wir uns dort schon und spielen alle Songs in einem Proberaum durch, den wir dafür angemietet haben, um es einmal wieder gespielt zu haben. Aber bei allen, die da mitspielen, gibt es nicht so etwas wie Fehler bzw. wenn jemand einen Fehler macht, ist das nichts Schlimmes oder wird nicht als Fehler betrachtet. Alles ist sehr offen und aus allem, was passiert, kann etwas gemacht werden. Tenniscoats selbst gestalten ihre Konzerte auch immer sehr offen und sie improvisieren gerne, was einen, wenn man es live sieht, in seinen Bann zieht.
Tourdaten:
Quelle: Facebook
Damit treffen in dem Projekt aber auch sehr unterschiedliche künstlerische Herangehensweisen aufeinander, oder?
Definitiv. Ich lerne bei jedem Projekt sehr viel, was mir auch sehr wichtig ist. Notwist zum Beispiel hat auch Freiräume, aber im Studio ist meistens alles sehr kontrolliert, und mit Tenniscoats ist es eben anders. Sie wissen ganz genau, was sie tun, aber sie haben eben eine grundsätzliche Offenheit, hören gerne zu, reagieren darauf, wenn etwas anders passiert, und nehmen es gerne auf. Bei Konzerten beziehen sie gern ihr Publikum mit ein, lassen es mitsingen. Das klingt zwar ziemlich hippiemäßig, ist es aber gar nicht, sondern anrührend und toll. Man kommt da schnell etwas ins Schwärmen.
Tenniscoats im Konzert:
Quelle: YouTube
Heute (15. Oktober) bist du aber wegen ganz anderer Kollaborationen in Berlin. Das IL KINO in Neukölln gestaltet zum European Art Cinema Day einen Thementag zu deinen bzw. euren Film-Soundtracks. Gezeigt werden neben der Notwist-Doku On / Off The Record, die Filme Was bleibt, Absolute Giganten, Solo Swim, N-Capace und Sturm, allesamt mit Soundtracks von Notwist bzw. von dir allein. Das sind sehr unterschiedliche Filme. Wie entscheidest du oder wie entscheidet ihr als Band, an welcher Filmproduktion ihr euch beteiligen möchtet?
Die Projekte, die wir auswählen, sind die thematisch für uns interessantesten, die uns auch als Idee oder Geschichte ansprechen, und bei denen wir uns etwas dazu vorstellen können. Wichtig ist uns auch, bei dem Regisseur oder der Regisseurin zu merken, dass wir miteinander gut klarkommen und verstehen, was sie erschaffen wollen. Uns ist wichtig, vorher zu erkennen, dass es eben keine schrecklichen, kitschigen Vorabendfilme werden. Mit Jörg Adolph, der unsere Musik auch abseits von Solo Swim schon in mehreren Dokus eingesetzt hat, oder Hans-Christian Schmid, dessen Filme Was bleibt und Sturm wir vertont haben, ist es inzwischen ein vertrautes und einvernehmliches Zusammenarbeiten, bei dem man ungefähr weiß, was der andere macht und kann.
Ist das dann die Arbeitsweise: Man stimmt seine Ideen ab und erarbeitet sie für sich allein?
Das ist ganz verschieden. Beim Dokumentarfilm zum Beispiel gibt es ja nicht so etwas wie ein Drehbuch, sondern man kennt das Thema, bekommt vielleicht schon erste Bilder zu sehen und eine Grundidee, was wichtig ist. Aber sehr viel mehr gibt es nicht. Man bekommt immer wieder neue Bilder zu sehen. Jörg aber verarbeitet die Musik sehr intensiv und lässt sich stark von ihr inspirieren. Dadurch entwickelt sich der Film mit der Musik, die man ihm gibt. Also geben wir ihm immer wieder Musik, er hört es sich an, und bei manchen Sachen sieht er, was im Film wie verarbeiten kann. Dadurch entsteht ein Dialog.
Das heißt bei Dokumentarfilmen ist die Musik viel stärker an der Entwicklung des Narrativs beteiligt als bei Spielfilmen?
Mehr noch: Musik und Bilder kommunizieren auf eine Art, die sogar eher ein Weggehen vom Narrativen ist, die Musik teilweise in den Vordergrund rücken lässt und die Bilder darauf zuschneidet. Bei Hans-Christian Schmids Filmen dagegen gibt es natürlich ein ganz klares Drehbuch, und es vor allem darum, mit der Musik auszudrücken oder zu verstärken, was in der Handlung vorkommt, aber man vielleicht in den Bildern allein noch nicht sieht. Man kann dadurch ein wenig in die Leute hineinsehen, interpretieren und etwas komponieren, was dienlich für die Geschichte, den Film und seine Figuren ist.
Eine aktuelle Kollaboration zwischen Hans-Christian Schmid und Notwist: die ARD-Serie Das Verschwinden
Quelle: YouTube
Was ist für dich als Künstler an diesen Kollaborationen der wichtigere Aspekt: dass sich beides am Ende zu einem sehenswerten Film zusammenfügt oder dass dich Bilder zu neuer Musik inspirieren, die dann auch wieder ohne die Bilder funktionieren? Ihr veröffentlicht ja teilweise auch Soundtracks.
Als wir mit Soundtracks angefangen haben, haben wir noch stärker auf die Musik an sich gehört. Aber je länger man weitermacht, desto mehr sieht man, dass die Musik für sich allein zu leer und langweilig klingt. Aber im Zusammenhang mit den Bildern, gerade wenn es um etwas Erzählerisches geht, kann ein einzelner Ton schon eine unglaubliche Wirkung haben und wahnsinnig viel auslösen. Deswegen würden wir auch nie alles, was wir für einen Film machen, veröffentlichen. Unser Soundtrack-Album Sturm ist so ein Mittelding. Im Nachhinein hätte ich aus heutiger Sicht auch nicht mehr die Platte in dieser Form und dem Umfang veröffentlicht. Aber Messier Objects war das Gegenteil und wir haben wirklich versucht, aus allem, was es von uns an Theater- und Hörspielmusik gibt, etwas zusammenzustellen, was wirklich musikalisch für sich steht und einen ganz neuen Zusammenhang ergibt. Man muss dafür nicht mehr wissen, dass eine bestimmte Stelle nun bei Solo Swim die weite des Meeres illustriert. Bei Messier Objects fügt sich ein wildes Durcheinander auf eine Art zusammen, die es wieder einen Sinn ergibt.
Die meistens Songs des Albums sind auch bewusst nicht beschriftet, um sie zu entkoppeln?
Genau. Es sollte keine Vorgabe geben, wie man es sich anzuhören hat. Es steht einfach für sich und man kann sich seine eigene Idee dazu machen.
Was auch teilweise in Messier Objects aufgeht, ist eure Zusammenarbeit mit Jette Steckel für das Deutsche Theater bei Sartres Das Spiel ist aus. Wenn jedes Projekt und jeder Film, wie du sagst, eine andere Arbeitsweise erfordert, wie funktioniert dann die Vertonung für ein Theaterstück?
Das Stück ist ein Zwischending, weil auch mit Filmsequenzen im Theaterstück gearbeitet wird. Der Anfang des Stücks wird komplett als Kurzfilm präsentiert, der im Endeffekt eine Art Stummfilm ist, bei dem die Handlung klar erzählt wird, aber dazu läuft ein fast 13 Minuten langes Stück von uns. Die Vorgabe war, dass die Musik hierzu einen starken Zug benötigt, aber trotzdem diese Spieldauer benötigt und zu den Bildern funktionieren muss. Wir haben also eine Weile gesucht, bis wir etwas hatten, das dem Film gerecht wird. Denn bei einem einfachen Loop hört man nach acht Wiederholungen weg – was ja auch das Schöne an Minimal ist: Man gelangt durch die Musik woanders hin und die Musik selbst ist eigentlich gar nicht mehr da. Aber bei dem Stück sollte die Musik auch einfach in gewisser Weise permanent stressig sein. Im Theaterstück selbst gab es dann auch Stücke von uns, die gesungen werden oder im Hintergrund laufen.
Mit Jette Steckel zu arbeiten, ist super. Sie ist sehr genau, hat eine genaue Vorstellung und ist gleichzeitig total offen. Sie hinterfragt in ihrer Arbeit auch immer wieder die Situation und Theater an sich, wie bei Das Spiel ist aus, wo ja das Publikum auf der Bühne sitzt und die Schauspieler im Zuschauerraum sind. Das macht großen Spaß und ist sehr ergiebig. Und bei Jette Steckel kann man, was sonst selten der Fall ist, eben auch sagen: „Es wäre vielleicht gut, wenn die Musik hier laut ist“. Und dann ist sie eben auch laut.
Notwist – Das Spiel ist aus
Quelle: Soundcloud
Das ist beim Film wahrscheinlich anders.
Beim Film funktioniert das nicht. Da sind wir auch gar nicht mehr beteiligt, sondern es gibt eigens Sound-Designer. Bestimmte Frequenzen würden einen Dialog übertonen. Und sobald die Musik auffällt und man nichts mehr versteht, funktioniert es nicht mehr als Soundtrack.
Wie du letztes Jahr im Interview angedeutet hast, ist es für dich auch unabhängig von Film und Theater Teil des künstlerischen Prozesses, unterschiedliche Kunstformen zu transferieren. Wie genau beeinflussen dich visuelle Medien?
Das ist eher etwas Intuitives. Ich kann nicht benennen, was genau es macht. Bei Musik denke ich oft sehr visuell. Oft ist es ja so, dass man in der Stimmung eines guten Films noch eine ganze Weile verbleibt, und alles ist, wie in diesem Film. Oft sehe ich ein Bild, bei dem ich feststelle, dass es auf eine andere, eine visuelle Art sehr gut das ausdrückt, was ich bei einer Platte oder einem Lied suche oder ausdrücken möchte. Bestimmte Platten klingen für mich auch rein intuitiv eher farbig, andere monochrom. Also fange ich oft damit an, diese Aspekte zu hinterfragen und mit ihnen zu arbeiten. Ich befasse mich nie mit Kunsttheorien oder -konzepten, sondern es ist ein unterbewusstes Antriggern oder Ablenken, um auf andere Ideen zu kommen und es sich anders anhören zu können.
Wie würde deine Musik ohne diese Einflüsse klingen – also wenn du nur geschlossen im Studio arbeiten würdest?
Es wäre garantiert anders. Beziehungsweise würde es bei mir gar nicht funktionieren. Ich bin mir sehr bewusst, dass ich alles, was ich mache, im Endeffekt nur zusammenklaue. In Kleinteilen kommt auch jede Melodie von irgendwo her. Auf eine Art sollte man versuchen, das zu finden, was an einem Kunstwerk so berührt, dass es einem im Gedächtnis bleibt, und etwas ausdrückt, was man anders nicht ausdrücken kann. Etwas, das eine Kraft hat, Erfahrungen auszudrücken, die mit Worten sehr schwer bis gar nicht auszudrücken sind. Wenn man diesen Kern mit dem trifft, was man selbst macht, und nicht nur eine Form, zum Beispiel eine Musikrichtung, adaptiert, sondern überlegt, was einen an einem bestimmten Stück eigentlich berührt, kann das nur unbewusst funktionieren. Für mich ist es essenziell, viel zu hören. Aber ich bin eh ein Sammlertyp und in erster Linie Fan von ganz vielem, höre und schaue mir viel an, lese Bücher, sehe viele Filme. Ich bin kein Techniker. Denn sich technisch mit etwas auseinandersetzten ist ja auch so ein Ansatz, der zu etwas Großartigem führen kann. Nur eben nicht meiner.
Ein weiteres Nebenprojekt von Notwist: Hochzeitskapelle
Quelle: SoundCloud
Gibt es denn aktuell Werke, zum Beispiel Filme, die dich besonders inspirieren?
Filme momentan weniger, weil ich es zurzeit so selten ins Kino schaffe. Ich konnte mir bisher noch nicht einmal Blade Runner 2049 anschauen, den ich unbedingt sehen möchte. Ich bin großer Fan des Originalfilms. Es sind zurzeit eher Bücher und Platten – und Fotografen. Vitas Luckus aus Riga zum Beispiel, ein Fotograf, der sich tragisch umgebracht hat, von dem ich mir, als wir in Italien auf Tour waren, zwei Bücher mit seiner Werkschau gekauft habe. Das hat mich zuletzt sehr beeindruckt und ich sehe es mir immer wieder an. Platten gibt es viele. Gerade habe ich Oro Swimming Hour gehört, ein neues Duo aus England, das ein großartiges Album gemacht hat: Gitarre, Gesang, eine bestimmte LoFi-Ästhetik, Orgeln, unglaubliche Stücke.
Und das neue Album von Ryuichi Sakamoto habe ich mir öfter angehört, dem vielleicht berühmtesten japanischen Musiker. Er war früher bei Yellow Magic Orchestra, die, was sie wahrscheinlich nicht so gerne hören, als japanische Kraftwerk gelten. Sie haben in den 80ern viel mit Synthesizern gearbeitet, waren international, auch hier, sehr erfolgreich und haben eine Art sehr tanzbares Proto-Electro entwickelt. Und Sakamoto wurde vor allem durch den Soundtrack zu Merry Christmas, Mr. Lawrence mit David Bowie sehr berühmt. Er macht zwar viel pianolastige, aber eben auch stark experimentelle und avantgardistische Musik.
Besteht die Chance auf eine Zusammenarbeit?
Nein! Auf keinen Fall. Er ist viel zu groß! Wie Brian Eno. Ich muss ja sagen, schon die Zusammenarbeit mit Tenniscoats kam mir sehr egoistisch vor, weil ich einfach ein großer Fan bin. Beim Studioaufenthalt gab es schon Momente, in denen ich mir dachte, „Markus, was machst du denn da? Die haben so tolle Platten mit anderen gemacht. Was kannst du schon einbringen, was sie nicht eh auch schon gemacht haben oder machen können?“
Musiktipp von Markus Acher: Oro Swimming Hour
Quelle: YouTube
Woran arbeitest du aktuell?
An neuen Notwist-Sachen. Wir möchten nächstes Jahr wieder ein Album veröffentlichen. Beim Alien Disko Festival spielen wir im Dezember in München. Wir müssen dort fast spielen, weil viele bisher nicht so bekannte Projekte dort auftreten. Also hoffen wir, dass einige Notwist-Leute kommen, denen wir die anderen Projekte vorstellen. Wir spielen aber nicht ein normales Programm, wie letztes Jahr, sondern greifen viele unserer Filmkompositionen auf.
Werdet ihr dort auch schon neue Songs spielen?
Das weiß ich noch nicht. Leider sind alle vielbeschäftigt. Überhaupt Termine zum Proben zu finden, wird schon abenteuerlich. Die Zusammenstellung des Festivals war schon sehr viel Arbeit.
Aber ich nehme momentan auch Songs mit Odd Nosdam auf. Wir haben bereits fünf Lieder. Er kommt aus dem Umfeld des Anticon-Labels, bei denen Themselves sind, mit denen wir die Band 13&God gemacht haben. Deren Rapper Doze One hatte die Band cLOUDDEAD – eigentlich die Königsband des ganzen Kosmos. Odd Nosdam war in dem Trio der Produzent und hat eine ganz eigene Art zu produzieren. Super Typ. Er ist bei Notwist-Konzerten in Amerika mitgefahren und hat vor unseren Show aufgelegt oder gespielt. Wir sind in den Städten herumgezogen, sind zusammen in Plattenläden gegangen und haben uns Alben empfohlen und zugesteckt. Daraus haben sich Freundschaft und musikalischer Austausch entwickelt. Wir sind auf einem Nenner, nur dass er den Hiphop-Background hat, sowie Noise und Ambient, bei mir eher Indie und Jazz. Aber wir treffen uns in den Schnittmengen in der Mitte und schicken uns Songs hin und her. Irgendwann soll eine Platte dabei herauskommen. Ich weiß nicht wann und hoffe bald.
Es gibt noch ein weiteres Projekt, auch mit einem japanischen Musiker: Hochzeitskapelle. In der Band spielen wir rein akustisch, mit Tuba, Posaune, Banjo, Bratsche und Schlagzeug. Wir spielen in der Formation sehr gerne, weil es so unkompliziert ist und man sich einfach ohne Vorbereitung hinsetzen und rein akustisch losspielen kann: auf dem Markt, an der Isar, auf Geburtstagsfesten, in der Wirtschaft. Unter anderem spielen wir auch die Komposition eines japanischen Musikers, Kama Aina, der ganz tolle Musik macht. Wir mögen das Stück, genau wie viele andere Leute, sehr gern und haben ihm unser Album geschickt. In Japan habe ich ihn dieses Jahr getroffen, als ich Tenniscoats besucht habe. Nächsten Monat kommt er nach Deutschland und wir werden gemeinsam eine Platte mit Stücken aufnehmen, die er extra für Hochzeitskapelle komponiert hat und treten mit ihm auf einem Festival auf.
Dankeschön für das Interview.
Spirit Fests Debütalbum erscheint am 1o. November bei Morr Music und klingt in etwa so farbenfroh wie sein Cover aussieht:
Mit ihrem neuem Album Two Windows erklären Lali Puna ihre Galaxie innerhalb des Weilheimer Banduniversums endgültig für unabhängig und formen den intimen Electro-Sound, den sie machen, zu ihrem eigenen Antityp: tanzbaren Songs.
Two Windows ist nun zwar bereits Album Nummer fünf innerhalb von 19 Jahren, dennoch kommt es, gerade durch die Neuausrichtung der Band, ohne Abnutzungsspuren aus. Was das Album bemerkenswert macht, ist die seltsame von ihm ausgehende Stimmung – diese Mischung aus Selbstbewusstsein und Melancholie. Irgendwie schön, dass Lali Puna es geschafft hat, das eine auszuprägen, ohne das andere einzubüßen. Denn es ist unzweifelhaft noch immer dieselbe Band, die groß geworden ist mit verschüchterten Alben wie ihrem 2001er Scary World Theory, das genauso klingt, wie es heißt. Immer noch sind da der markante Gesang Valerie Trebeljahrs, der sich durch detailverliebte Electro-Arrangements gleitet.
Und Two Windows ist auch kein durchgängiges Tanzalbum geworden, sondern öffnet und schließt sich gekonnt von Song zu Song. Die Vielseitigkeit wird auch bestimmt durch sorgfältig ausgewählte Kooperationen, zum Beispiel mit Dntel oder MimiCof. Das künstlerische Zentrum wiederum bildet wie immer Sängerin Trebeljahr, die in guter Tradition von den langjährigen Mitmusikern Christian „Taison“ und Christoph Brandner begleitet wird. Dass ein vierter, Notwist-Sänger Markus Acher, sich erstmals nicht an den Aufnahmen eines Lali-Puna-Albums beteiligte, hinterlässt auch Spuren und leitet womöglich den emanzipatorischen Ansatz des Albums erst ein. In zwei Jahren Studioarbeit entstand letztendlich eine intime Platte, die sich auch die Bezeichnung „Post-Pop“ wirklich verdient; denn es eignet sich durchaus recht explizit bekannte Versatzstücke an und kokettiert mit dem Mainstream.
Am deutlichsten tut es dies im überraschenden Cover The Bucket, das die Komposition des Kings-of-Leon-Songs völlig ent- und rekontextualisiert und vom Festival-Rock zum Clubsong transportiert. Hätte furchtbar werden können, ist aber großartig. Nur ein kleines wenig subtiler passiert es im Song Deep Dream, der, wenn es auf den Refrain zugeht, in Phrasen mündet, wie sie sich eigentlich Kylie Minogue schon Ende der 80er patentieren ließ: „I should be so lucky“. Ergänzt um die beiden Silben „… in love“ ist der Refrain textlich fast provokant verpopt. Doch auch wenn Deep Dream tatsächlich ein tanzbarer Song ist, führen Lali Puna die Verse auf ihren tieftraurigen Kern, die Unerzwingbarkeit des Glücks zurück. Das Thema des Lieds wird also gleich mehrfach gebrochen und macht im Grunde viel zu nachdenklich für den kleinen, verträumten Popsong, der er eben auch ist. Aber es sind genau diese Reflexionen, die Lali Puna mit feinem Gespür an vielen Stellen in ihre Musik streuen, welche beim Hören wachhalten. Und auch Lust auf die anstehende Tour wecken. Vielleicht könnte man sich sogar in die neue Volksbühne trauen, wenn Lali Puna schon den Mut dazu aufbringen.
Quelle: YouTube
Ein paar Tourdaten (in Auswahl):
18.10.2017 Nürnberg (DE) Z Bau
19.10.2017 Köln (DE) Gebäude 9
25.10.2017 Frankfurt a.M. (DE) Zoom
22.11.2017 Wien (AT) Arena
24.11.2017 Wels (AT) Youki
25.11.2017 Leipzig (DE) Conne Island
26.11.2017 Berlin (DE) Volksbühne
28.11.2017 Hamburg (DE) Kampnagel
29.11.2017 München (DE) Kammerspiele
Sóley’s third album “Endless Summer” raises questions. After her dreamy debut “We Sink” and the almost depressive “Ask the Deep” we began thinking she can’t surprise us anymore – but then she suddenly does the unthinkable: creating cheerful music. At least that’s what she claims. Scenic lyrics are still combined with the piano and a remarkable voice. Apart from that she did not only paint her studio in new colours but also definitely stopped killing clowns. Nevertheless she accidentally ended up in an Icelandic thriller. Weird stuff. We have questions. So many questions.
An interview by Moritz Bouws and Gregor van Dülmen
Congratulations for your new album which is called “Endless Summer”. Is that a desire you have during these long Icelandic winters – to have an endless summer?
Yeah, in a way. Because I started writing it in January and it can be quite dark in Iceland then. So there is always this time when you’re craving for summer. Actually the title came up before I started writing the album. Consequently, I decided to make an album that is going to be called “Endless Summer” although I didn’t know how it would sound.
It’s also linked to the Icelandic summer because the sun never goes down, so it feels kind of endless. You just wake up, there’s a new day and you never go to sleep – there’s so much energy. It’s kind of a mixture of both craving for summer and the endless character of the Icelandic summer. Everything fades into each other, like day and night.
In comparison to your previous record “Ask the deep”, which was released in 2015, “Endless Summer” apparently has a far more optimistic approach. You dedicated the opening song (Úa) to your two year old daughter. Would you say that this optimism is due to the impact your daughter has on your work recently?
Probably in a way, yes. It’s funny how children change your life. I don’t know if you have got children, but life will never be the same. First, I’m more tired and I’d never been that tired in my life before. But when you see a child born, there’s just a weird thing going on. Life is just amazing. Having a child is amazing. I never wanted to write ‚mommy songs‘ or something like that. But it definitely has an effect on how I want to be. Obviously I want to be a good role model for her. I don’t want to be in this depressing shit all my life. I guess this is my attempt to get out, like crawling back seeing the lights of the happy end of the tunnel thinking, “I wanted to go there. This is where I want to be.” Maybe she inspired me in a good way. Well, I’m pretty sure she does.
And apart from your daughter: what influences you when you make music? For instance, you painted the walls of your studio purple and yellow. Does it matter which colours are surrounding you?
I think so. I think it’s the mood I’m in, the emotional state I’m in when I make albums. I had a plan for this album: I wanted to write a song in a major key. That was one of my goals, because I never had written songs in a major key. So now I achieved that. Besides I wanted to make more music just with piano and voice, going back to my roots. I love sitting by the piano playing a theme. Apart from that I wanted to challenge myself a bit. Regarding the compositions I tried to make it more complex. I just wanted to sit by the piano and make a new album. So I sat down and those songs just came out. That’s what I did.
Which colours are you going to choose for your next album?
Well, that’s a good question. Which are the remaining options? My daughter’s favourite colour is pink. First I replied, “Don’t you like black?”, but she said, “No, I like pink and purple and glitter and gold.” However, I think about a lot of colours when I’m writing albums. For this one I preferred brighter colours. With regard to that my friend Inga (Ingibjörg Birgisdóttir), who does the artwork, and me have a close collaboration. I told her about the colours I was thinking about and she made it kind of bluish. There’s also a little bit of pink in there. But in the end she decides. I have these ideas of colours, but it’s her work to make it visually look like how it sounds. To answer you question, obviously pink will be the colour for the next album.
Album cover by Birgisdóttir Ingibjörg
Last year you played a small tour in order to try if people like your new songs and the new major key sound. Did you really fear losing the interest of your audience while working on your new album?
Hmmm, good question! I don’t know. It was like this: I showed the album to people saying, “Guys, I made a happy album.” And everyone who listened to it replied, “It’s not really happy.” I assume I have a lower standard of happiness than other people. I couldn’t really act like “la la la la”, so we are meeting in the middle. I think it’s not a happy album. It’s more an album where you crave for what you love. Would I love an endless summer? I don’t think so. But I like craving for it. I kind of like it, when you have this desire for summer.
On this tour you also introduced your new live band, including a small orchestra and a second vocalist. What are the main differences playing with such a huge ensemble in comparison to the minimalistic sets you used to play before?
It’s much more fun. I won’t say anything against my friends who were working in my band, they’re unquestionably great. But what I love about it is that I actually could play these songs acoustically without any amplification. I don’t like my voice quietly. Composing and arranging a band is what I always want to do. I definitely would like to make an album with a symphonic orchestra. Maybe the next one, we’ll see. At the moment we’re rehearsing for the upcoming tour but having a big band on tour is quite expensive. In fact there’s a willingness on both sides, but financially we have to wait what happens. It definitely will be a bigger band.
Sóleys aktuelle Single “Grow”:
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Your Berlin concert on that tour was at a church (Passionskirche Kreuzberg). This year in May you come back to Berlin and play a show at a church again (Apostel-Paulus-Kirche in Schöneberg). In Cologne you play at “Kulturkirche”, which also was a church once. Why do you choose churches? Is it just the sound?
Yes, on the one hand it’s the acoustics. Even though it sometimes can evoke a crazy reverb. But that’s the problem of my sound technician. On the other hand I also think when you enter a church the vibe is totally different to when you go to a club. I’m not a big fan of me playing in a club because I don’t think it fits me or my project. So I’m always trying to be at sitting shows where people are not really drunk but listen for an hour and then go for a drink. Because I love just sitting down and listening, enjoying.
And your show in Leipzig is at Felsenkeller which is quite a special venue, too. As you possibly know all these cities are well-known for having many music clubs. Is this characteristic important to you when you are on tour?
I love Germany. I’d like to live in Germany. I like both playing in bigger cities and small towns in Germany, Italy, and so on. It’s also nice to visit towns you’ve never heard about before and to see so many people showing up. It’s a nice mixture of both. It’s also hard when you play only big cities. It’s a longer drive. But it makes sense to do it in a way. I like both. And I love Leipzig.
What’s really interesting for us is the close collaboration that within the Icelandic artistic scene you’re a part of. You support each other on records, go on tour together, and apart from that established artists don’t forget to promote young talents. Do networks like Icelandic Music Export Office play a role for these collaborations or are all of you just friends who support each other in creating their own music?
I think both. Export Office has a really important part in the Icelandic scene. They have contacts and they are willing to help artists – like even me when I’m lost in the music industry. We have a coffee and we talk about it. And it’s important for new bands, too. I’m thirty, I don’t know people who are twenty and starting making music now. So I’m just growing up with my generation of the music scene. I think these networks are really important to get to know each other. There are just tons of bands and musicians, and there a young kids who do cool stuff. So people just talk about new stuff and then go taking it out.
But can you still say that generally you all know each other?
Yes. If we don’t know each other we know the same friends. It’s really small. So it’s really hard not to know each other. The music scene is really close, we’re all buddies. And it’s fun.
The Icelandic music export obviously works very well. Your last album “Ask the Deep” even was used for a German TV crime television series. Do you know about this?
Ehm, what is it called?
“Der Island-Krimi”. Like “The Icelandic Crime Show”.
Really? I don’t know everything that happens with my music. But I might have gotten an email about that. Okay, that’s funny.
It was a big production, starring Franka Potente. So everybody knows you now in Germany.
Is it a crime show about Iceland?
The other kind of music video:
Yes, it’s set in Iceland and has German actors who pretend to be Icelandic.
Oh my god, I have to see it. I’d like to see German people acting like Icelanders.
Since the sound of the record was dark and heavy it actually fit very well with the mood of the series. What kind of TV series do you think would be a good fit for your new album?
I love this one song, the last song “Endless Summer”. I thought it might fit to a teenage movie or maybe to “Skam”. It’s a series from Norway and it’s about kids in college. I watched all episodes. I’m going to talk to my manager to put the song in this season, it’s really popular. There’s a lot of cool music in it. They even have a Spotify playlist featuring many popular songs from Scandinavia.
You used to tell this poetic horror fairytales on your earlier albums. And still your lyrics are very scenic and theatrical. Did you ever think about publishing a book with the stories you make up? Or will music always be more important to you?
No, I thought about it. Actually I started writing a book two times. I’m always to busy and I don’t have time for it.
Maybe when you’re old?
Yeah, maybe when I’m old and have a whisky voice and don’t like to sing anymore. Well, I’m thinking about writing Icelandic poems. I’m going to release a poem book one day, either in Icelandic or English. I mean, Icelandic is my mother tongue, so for me it’s easier to express myself. Let’s see.
Talking to you or watching you playing a show it seems that humour plays a big role in your life. But your songs, especially the older ones, on the other hand have titles like “I’ll drown”, “Smashed Birds”, “Follow me down” or “Kill the clown”. Is that something you do when you write music: Kill the clown inside of you to make some serious art?
(laughter) I don’t know who I am when I write this stuff. I hope this child will make me a better person. I’m afraid of myself sometimes. Why would someone write this down and even release it? I mean, I can’t watch horror movies because I’m so afraid, I can’t go to the bathroom for months after I watch “The Shining” or something comparable. So this is my approach: to write a horror song, and just imagining it – and I know I wrote it so it’s not real. This is my thing to satisfy the horror desire. Because you need something scary in your life, it keeps your heartbeat going.
Sóley – Kill the Clown (live):
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So you write horror stories because you can control them?
Exactly. That’s a good thing. Because I can choose the end. Or can I? I don’t know. I like it, but on my new album I was writing less about horror stuff, I guess. I was just trying something else. And I think it’s always good to not to get stuck anywhere and challenge yourself, do something. Because usually I would say that I would never write a song about my daughter or I’d never write songs in a major key, because it’s not me.
But then I question that and ask myself: Why don’t I do that? Why would I put myself in a box? Why don’t I try out something else and see what happens ? And that was just what I was trying to do on my new album. I just tried out a lot of stuff I thought I wasn’t supposed to do because I had put myself in some sort of box.
And we think it really worked out.
I’m really happy with the album. I did it in a year, I just shut down and all these songs came out and I was pushing songs out and I didn’t force anything. So all these songs just came within four months and then I just finished them. Why should I spend more time with it? So I’ll just release it and start to do something else. I don’t know about working on an album for ten years and I think life is too short to do it. You just start doing something new. I enjoyed the process of making the album, it’s all really natural. I’m really happy.
So best wishes for the release and thank you for the interview.
Danke. See you around.
Sóleys third album “Endless Summer” will be released on may the 5th at Morr Music. Afterwards she’ll play a tour with a small or big band in small and big towns:
May 10 Kulturkirche Cologne, Germany
May 11 Felsenkeller Leipzig, Germany
May 12 Apostel-Paulus-Kirche Berlin, Germany,
May 14 Mousonturm Frankfurt Am Main, Germany
May 16 Hybernia Theater Prague, Czech Republic
May 18 Aula Artis Poznan, Poland
May 19 NIEBO Warszawa, Poland
May 20 Kino-Teatr RIALTO Katowice, Poland
May 21 Brno, Czech Republic
May 23 A38 Budapest, Hungary
May 24 Culture Factory Zagreb, Croatia
May 25 Kino Šiška Ljubljana, Slovenia
May 27 Posthof Linz, Austria
May 28 A4 Bratislava, Slovakia
May 29 WUK Vienna, Austria
Jul 04 Covo Summer Bologna, Italy
Jul 05 Circolo Magnolia Segrate Milano, Italy
Sóleys drittes Album „Endless Summer“ wirft Fragen auf. Nach dem verträumten Debüt „We sink“ und dem fast depressiven „Ask the Deep“ – und gerade als man dachte, sie könnte uns nicht mehr erschüttern, macht die Isländerin plötzlich das Undenkbare: fröhliche Musik. Zumindest behauptet sie das. Immer noch treffen szenische Songtexte auf Klavier und präsenten Gesang. Aber nicht nur ihrem Studio hat sie einen neuen Anstrich verpasst. Und Sóley hat definitiv aufgehört, Clowns zu töten. War aber trotzdem aus Versehen im Island-Krimi. Fragen über Fragen:
Das Interview führten Moritz Bouws und Gregor van Dülmen
Herzlichen Glückwunsch zu „Endless Summer“, deinem neuen Album. Wie kamst du auf den Titel? Ist ein endloser Sommer so eine Sehnsucht, die man während des langen isländischen Winters entwickelt?
Ja, in gewisser Weise. Als ich anfing, das Album zu schreiben, war Januar. Und Januare sind oft sehr dunkel in Island. Da ist immer dieses Verlangen nach Sommer. Der Titel stand schon fest, bevor ich angefangen hab, das Album zu schreiben. Es stand fest, dass es „Endless Summer“ heißen soll, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie es klingen könnte.
Der Titel bezieht sich aber auch auf die isländischen Sommer. Die Sonne geht hier nie wirklich unter und es fühlt sich irgendwie endlos an. Du wachst auf, es ist immer ein neuer Tag da, du gehst nie schlafen und es gibt so viel Energie. Der Titel ist also eine Mischung aus beidem: der Sehnsucht nach Sommer und dem endlosen Charakter isländischer Sommer. Alles strömt ineinander, wie Tag und Nacht.
Und im direkten Vergleich zu deinem letzten Album „Ask The Deep“ (2015) hat „Endless Summer“ ja einen einen deutlich optimistischeren Ansatz. Den Eröffnungssong „Úa“ hast du deiner zweijährigen gleichnamigen Tochter gewidmet. Würdest du sagen, dieser Optimismus ist der Einfluss, den deine Tochter auf deine Arbeit nimmt?
Bestimmt. Es ist witzig, wie Kinder dein Leben verändern. Ich weiß nicht, ob ihr Kinder habt, aber das Leben wird nie dasselbe wie zuvor sein. Zum einen bin ich viel müder seitdem – ich war in meinem Leben noch nie so müde. Aber wenn man sieht, wie ein Kind geboren wird, passiert etwas Merkwürdiges. Das Leben ist einfach großartig. Ein Kind zu haben ist großartig. Ich wollte niemals Mami-Songs oder Ähnliches schreiben. Aber es wirkt sich definitiv darauf aus, wie ich sein möchte. Denn ich möchte meiner Tochter ein gutes Vorbild sein. Ich will nicht mein ganzes Leben lang in diesem depressiven Scheiß feststecken. Was ich jetzt mache, ist mein Versuch, herauszukommen, auf das Licht am glücklichen Ende des Tunnels zuzukriechen und mir zu sagen: „Ich will hier raus. Das ist, was ich sein will.“ Ich glaube, sie inspiriert mich auf eine gute Weise.
Was beeinflusst dich denn außer deiner Tochter noch, wenn du Musik machst? Spielt die Farbe deiner Studio-Wände eine Rolle? Denn du hast sie vor den Aufnahmen lila und gelb gestrichen, oder?
Ich glaube schon. Aber es ist vor allem die Stimmung, in der ich bin, die Gefühlslage, in der ich bin, wenn ich ein Album mache. Denn ich hatte für das Album einen Plan. Eines der Ziele war, endlich einmal einen Song in Dur zu schreiben. Das hab ich noch nie gemacht. Jetzt habe ich es geschafft. Außerdem wollte ich wieder stärker zu Klavier und Stimme zurück, zurück zu meinen Wurzeln. Ich liebe es, am Klavier zu sitzen und ein Thema zu spielen. Das ist eigentlich meine Lieblingsbeschäftigung. Und ich wollte mich in den Kompositionen ein wenig herausfordern und versuchen, sie komplexer zu gestalten. Ich wollte am Klavier sitzen und ein neues Album machen. Das hab ich getan. Ich saß also da und die Songs kamen dabei heraus.
Welche Wandfarben wirst du für dein nächstes Album wählen?
Gute Frage. Was ist noch übrig? Die Lieblingsfarbe meiner Tochter ist pink. Ich hab sie gefragt, ob sie nicht vielleicht schwarz mag, aber sie präferiert derzeit eher pink, lila, Glitzer und Gold. Ich denke tatsächlich viel über Farben nach, wenn ich Alben schreibe. Ich wollte bei dieser Platte auf jeden Fall hellere Farben haben. Ich arbeite auch sehr eng mit meiner Freundin Inga (Ingibjörg Birgisdóttir) zusammen, die die Artworks zu meinen Alben macht. Ich hab ihr von den Farben erzählt, an die ich dachte, und sie machte daraus etwas Bläuliches – vielleicht sogar mit ein paar Pink-Anteilen. Aber ich überlasse ihr die Wahl. Ich hab nur eine Vorstellungen von Farben, sie schafft es, das Album so aussehen zu lassen, wie es klingt. Aber die Wandfarbe fürs nächste Album wird auf jeden Fall pink.
Album-Cover von Birgisdóttir Ingibjörg
Letztes Jahr hast du eine kleine Europa-Tour gespielt, um herauszufinden, ob dein neues Album und dein neuer Sound deinem Publikum gefällt. War das wirklich eine Angst die du hattest – dein Publikum zu verlieren?
Ich weiß nicht. Es lief dann eher so: Ich hab das Album allen gezeigt und gesagt “Guckt mal, ich hab eine fröhliches Album gemacht.” Und alle haben es sich angehört haben und meinten: “Das ist eigentlich gar nicht richtig fröhlich.” Ich glaube, ich hab niedrige Ansprüche an das Glück als andere Menschen. Ich konnte nie so richtige “la la la la”-Musik machen, also treffen wir uns in der Mitte. Ich glaube, es ist kein fröhliches Album, sondern eher ein Album, das sich nach Liebe sehnt. Würde ich einen endlosen Sommer haben wollen? Ich glaube nicht. Aber ich mag es, mich danach zu sehnen. Ich mag es, diese Sehnsucht nach Sommer zu haben.
Auf dieser Tour hast du auch deine neue Live-Band vorgestellt, die auch eine kleines Orchester und eine zweite Sängerin beinhaltet. Was sind die Hauptunterschiede dazwischen, mit einem so großen Ensemble zu spielen statt mit der minimalistischen Band, mit der du vorher unterwegs warst?
Es macht einfach viel mehr Spaß. Nichts gegen meine Freunde, die vorher schon in meiner Band waren – die sind super. Aber was ich daran so liebe, ist, dass ich die Songs tatsächlich akustisch ohne Verstärker spielen könnte. Das ist, wohin ich wollte. Leise mag ich meine Stimme gar nicht so gern. Ich wollte immer schon Songs für eine Band arrangieren und würde echt gern auch mal ein Album mit einem Sinfonieorchester machen. Vielleicht ja das Nächste. Ich komponiere und arrangiere das dann auch gern alles. Aber wir werden sehen. Momentan proben wir zusammen für die anstehende Tour, aber es ist echt teuer, mit einer großen Band unterwegs zu sein. Ich wollte es mal ausprobieren und zusammen diese kleine Tour zu spielen. Alle würden gern mitkommen auf der Tour, aber wir müssen finanziell schauen, was passiert. Eine größere Band wird es aber definitiv sein.
Sóleys aktuelle Single „Grow“:
Quelle: YouTube
Das Berlin-Konzert auf dieser Tour letztes Jahr fand ja in einer Kirche (Passionskirche Kreuzberg) statt. Auch im Mai spielst du wieder in einer Berliner Kirche (Apostel-Paulus-Kirche in Schöneberg). Und in Köln spielst du in der Kulturkirche, einer ehemaligen Kirche. Warum immer Kirchen? Ist die Akustik der vorrangige Grund?
Ja, auf der einen Seite ist es die Akustik. Obwohl man manchmal echt mit einem Wahnsinns-Hall zu kämpfen hat. Aber das ist ja das Problem meines Tontechnikers. Auf der anderen Seite ist die Stimmung in einer Kirche aber auch eine völlig andere als in einem Klub. Ich bin keine große Freundin davon, in einem Klub zu spielen, denn ich finde nicht, dass es zu meinem Projekt passt. Deswegen versuche ich immer bestuhlte Shows zu spielen, bei denen die Leute nicht einfach nur betrunken sind, sondern sich für eine Stunde hinsetzen und Musik hören – und danach was trinken gehen. Es gefällt mir, sich einfach hinzusetzen, zuzuhören und zu genießen.
Und dein Konzert in Leipzig findet ja ebenfalls an einem besonderen Ort statt, im Felsenkeller. Die ganzen Städte, in denen du spielst, sind sehr berühmt für ihre Klub- und Musikszenen. Ist das ein Auswahlkriterium für dich, wenn du deine Tour planst?
Mir gefällt Deutschland. Ich würde hier leben. Ich spiele gern in den großen Städten, aber genauso gern mag ich es in kleinen Städten, sei es in Deutschland, Italien oder woanders, zu spielen. Es ist schön in eine Stadt zu kommen, von der ich noch nie etwas gehört habe, auf die Bühne zu gehen und zu sehen, dass so viele Menschen gekommen sind. Beides zusammen ist eine schöne Mischung. Und nur in großen Städten zu spielen ist echt schwer. Man muss auch viel weiter fahren. Es ist also sinnvoll, es so zu machen. Ich mag beides. Und ich liebe Leipzig.
Was für uns ebenfalls sehr spannend ist, ist die Musikszene, aus der du kommst und die enge Zusammenarbeit zwischen isländischen Musiker*innen untereinander. Ihr begleitet euch gegenseitig bei den Aufnahmen, begleitet euch in verschiedenen Projekten auf Tour, und unterstützt nicht nur etablierte Künstler, sondern fördert auch junge Talente. Seid ihr einfach alle miteinander befreundet oder spielen dabei auch Netzwerke wie zum Beispiel das Iceland Music Export Office eine Rolle?
Ich glaube, es ist beides. Das Export Office ist sehr wichtig für die isländische Musikszene. Es verfügt über Kontakte, und man ist dort bereit, Künstlern zu helfen – auch mir, wenn ich in der Musikindustrie verloren bin. Wir trinken einen Kaffee und reden darüber. Für junge Bands ist es ebenfalls sehr wichtig. Ich bin dreißig und kenne die Leute nicht, die erst zwanzig sind und gerade anfangen Musik zu machen. Ich wachse nur mit meiner Generation der Musikszene auf. Deswegen glaube ich, dass diese Netzwerke sehr wichtig sind, um einander kennenzulernen. Es gibt einfach unzählige Bands und Musiker*innen, und es gibt wirklich viele Kids, die ziemlich coole Sachen machen. Also sollte man sich treffen, über neue Projekte reden und das mit hinaustragen.
Kennt ihr euch alle untereinander?
Ja. Wenn wir uns nicht persönlich kennen, dann zumindest über gemeinsame Freunde. Die Szene ist wirklich klein. Es ist also schwer, sich nicht gegenseitig zu kennen. Wir stehen uns alle nahe, wir sind alle Buddys. Und das ist schön.
Der Musikexport scheint zu funktionieren. Dein letztes Album „Ask The Deep“ hat es ja sogar in den Soundtrack einer deutschen Krimiserie geschafft. Weißt du davon?
Ämm, wie heißt die Serie?
„Der Island-Krimi“.
Was? Ich weiß leider nicht alles darüber, wie und wo meine Musik verwendet wird. Aber es könnte sein, dass ich da eine E-Mail bekommen hab. Okay, das ist lustig.
Das war eine große Fernseh-Produktion, mit Franka Potente. Dich kennt also jetzt jeder in Deutschland.
Und das ist eine Krimiserie über Island?
Ja, es spielt in Island, mit deutschen Schauspielern, die so tun als wären sie Isländer.
Oh mein Gott, das muss ich sehen! Ich würde gern Deutsche sehen, die sich wie Isländer verhalten.
Die andere Art von Musik-Video:
Quelle: YouTube
Der dunkle, schwere Sound des Albums passte aber ziemlich gut zur Stimmung der Serie. Was würdest du denn sagen, zu was für einer Serie dein neues Album passen würde?
Ich mag „Endless Summer“, den letzten Song. Ich dachte, er passt vielleicht zu einem Teenie-Film oder zu „Skam“. Das ist eine norwegische Serie über College Kids. Ich hab alle Folgen gesehen. Ich hoffe und spreche mal mit meinem Manager, ob er den Song in der neuen Staffel unterbringen kann. Die Serie ist sehr berühmt und hat viel coole Musik. „Skam“ hat auch eine Spotify-Playlist, auf der auch viele berühmte skandinavische Songs auftauchen.
Auf deinen früheren Alben hast du immer diese poetischen Horror-Märchen erzählt. Und auch auf dem neuen sind die Texte sehr szenisch und theatralisch. Hast du jemals darüber nachgedacht, ein Buch aus diesen Geschichten zu schreiben? Oder wird Musik für dich immer wichtiger bleiben?
Nein, ich habe tatsächlich darüber nachgedacht. Ich habe schon zweimal angefangen ein Buch zu schreiben. Aber ich bin immer zu beschäftigt und hab dann doch keine Zeit dafür.
Vielleicht wenn du alt bist?
Genau, vielleicht wenn ich alt bin, und mit meiner Whisky-Stimme eh nicht mehr singen kann. Aber ich denke darüber nach, Gedichte auf Isländisch zu schreiben. In meiner Muttersprache ist es für mich einfacher, mich auszudrücken. Mal sehen.
Und wenn man sich so mit dir unterhält oder dich bei einer Show sieht, fällt auf, dass Humor in deinem Leben eine wichtige Rolle spielt. Deine Songs tragen dagegen aber oftmals Titel wie „I’ll drown“, „Smashed Birds“, „Follow me down“ oder „Kill the Clown“. Ist das etwas, was du tust, wenn du Musik schreibst: deinen inneren Clown töten, um ernste Kunst zu machen?
(lacht) Ich weiß nicht, wer ich bin, wenn ich diese Songs schreibe. Ich hoffe, das Kind macht mich zu einem besseren Menschen. Manchmal habe ich vor mir selbst Angst. Warum schreibt jemand sowas und veröffentlicht es auch noch? Ich kann noch nicht mal Horrorfilme gucken. Ich habe solche Angst davor, dass ich Monate lang nicht ins Bad gehen kann, nachdem ich „Shining“ geguckt habe. Mein Ansatz ist also: Ich schreibe einen Horror-Song und denke mir die Geschichte aus – also ich weiß, dass das, was ich geschrieben habe, nicht real ist. Auf diese Weise stille ich mein persönliches Horrorbedürfnis. Denn man braucht etwas Unheimliches in seinem Leben, es hält den Herzschlag in Gang.
Sóley – Kill the Clown (live):
Quelle: YouTube
Du schreibst Horror-Geschichten also, um sie kontrollieren zu können?
Genau. Weil ich das Ende bestimmen kann. Kann ich das? Ich bin mir gar nicht sicher. Ich mag es, aber auf dem neuen Album wollte ich weniger Horror. Ich wollte etwas Neues probieren. Es ist immer besser sich selbst herauszufordern, anstatt festzustecken. Denn normalerweise würde ich nie ein Lied über meine Tochter oder ein Lied in Dur schreiben, weil es nicht zu mir passt. Aber sowas stelle ich in Frage und frage mich: Warum machst du das nicht? Warum steckst du dich in eine Schublade und versuchst nicht etwas Neues, einfach um zu sehen, was passiert? Und das hab’ ich auf dem neuen Album versucht. Ich habe viel Neues ausprobiert, von dem ich dachte, dass ich es nicht tun sollte, weil ich mich selbst in eine Art Schublade gesteckt hatte.
Was sich auf dem Album auf jeden Fall auszahlt.
Ich bin mit dem Album wirklich zufrieden. Ich hab es in einem Jahr fertiggestellt, habe mich einfach eingeschlossen und all diese Songs kamen heraus, ohne dass ich es erzwungen habe. Die Songs waren nach vier Monaten alle da und dann habe ich sie einfach fertig gemacht. Warum sollte ich länger daran arbeiten? Ich werde sie einfach veröffentlich und mich etwas Neuem widmen. Ich weiß nicht, wie es ist, über zehn Jahre an einem Album zu arbeiten, und ich glaube dafür ist das Leben einfach zu kurz. Man sollte einfach anfangen, etwas Neues zu machen. Ich habe den Entstehungsprozess des Albums sehr genossen, er war sehr natürlich. Ich bin wirklich glücklich.
Wie schön. Alles Gute für den Release und vielen Dank für das Interview.
Danke. Wir sehen uns.
Sóleys drittes Album „Endless Summer“ erscheint am 5. Mai bei Morr Music. Danach spielt sie mit einer kleinen oder großen Band in großen und kleinen Städten:
10.5. Kulturkirche Köln, DE
11.5. Felsenkeller Leipzig, DE
12.5. Apostel-Paulus-Kirche Berlin, DE
14.5. Mousonturm Frankfurt Am Main, DE
16.5. Hybernia Theater Prague, CZ
18.5. Aula Artis Poznan, PL
19.5. NIEBO Warszawa, PL
20.5. Kino-Teatr RIALTO Katowice, PL
21.5. Brno, CZ
23.5. A38 Budapest, HU
24.5. Culture Factory Zagreb, HR
25.5. Kino Šiška Ljubljana, SI
27.5. Posthof Linz, AT
28.5. A4 Bratislava, SK
29.5. WUK Vienna, AT
4.7. Covo Summer Bologna, IT
5.7. Circolo Magnolia Segrate Milano, IT
Das isländische Duo Pascal Pinon stellt mit “Sundur” trotz des jungen Alters der beiden Schwestern bereits das dritte Album auf die Startrampe und zeigt sich dabei puristisch und gereift – ganze zwei Tage benötigten sie für die Aufnahmen.
Sundur og saman – entzwei und beisammen. Mit Blick auf den vorangegangenen Longplayer “Twosomeness” von 2013 nähert sich bereits vor dem ersten Hören eine erste Ahnung, worauf der jetzt erscheinende Nachfolger “Sundur” abzielt. Tatsächlich bestätigt sich dieser Eindruck durch melancholisch und sehnsuchtsvoll anmutende Kompositionen, die versuchen, die aufmerksamen Zuhörer*innen aus dem rasant vorbeiziehenden Alltag davonzutragen.
Dies ist ganz im Sinne der beiden Bandmitglieder, denn über einen gähnend leeren Terminkalender brauchen sich Ásthildur and Jófríður Ákadottir wahrlich nicht den Kopf zerbrechen. Während erstere in den letzten Jahren mit ihrem Studium des klassischen Klaviers in den Niederlanden ausgelastet gewesen sein dürfte, veröffentlichte Jófríður erst im Juni mit ihrem folkloristisch-elektronischen und vom Trip Hop beeinflussten Projekt Samaris das Album “Black Lights” und wird zudem im September als Mitwirkende auf Sin Fangs Neuveröffentlichung “Spaceland” erscheinen.
So verwundert es kaum, dass das Album innerhalb von zwei Tagen aufgenommen wurde. Zwar sind die einzelnen Stücke bereits im Laufe der vergangenen Jahre entstanden, eine eindeutig nachvollziehbare Verknüpfung in der Abfolge der Titel ist jedoch schwer auszumachen. Es scheint nicht im Interesse der Band gewesen zu sein, ein konzeptuelles Werk auf die Beine zu stellen. Doch ungeachtet dieser differenziert anzumerkenden Charakteristik entwickelt “Sundur”, nachdem es während des ersten Hörens in Teilen noch schwer zugänglich zu Tage tritt, eine durchaus gefällige Dynamik.
Quelle: Youtube
Was den Sound betrifft, setzen Pascal Pinon auf Understatement, das sich wohl am ehesten mit den Prädikaten Lo-Fi und Minimalismus beschreiben lässt. Ergebnis ist eine ausgesprochen ästhetische Klarheit, die das Geschaffene zum einen äußerst authentisch sowie glaubwürdig und zum anderen spezifisch erscheinen lässt. Spezifisch vor allem deswegen, da die klar erkennbare klassisch-musikalische Ausbildung der Zwillingsschwestern, die unter anderem durch multiinstrumentalen Einsatz Ausdruck findet, immer wieder von experimentellen Texturen untermalt wird. So kommen nicht nur vermeintliche Low-End-MIDI-Keyboards zum Einsatz, sondern gar Percussions in Form von Metallschrott und alten Flugzeugteilen, die von Áki Ásgeirsson, dem Vater und Studioassistenten der beiden Musikerinnen, beigesteuert wurden. Diese unkonventionellen Einsätze verschaffen dem Werk eine zunächst ungeahnte Tiefe. Während des Großteils des Albums steht jedoch die charmante Harmonie zwischen Ásthildurs pianistischer Interpretationen sowie des sanften und mystisch erscheinenden Timbres Jófríðurs im Vordergrund.
Quelle: SoundCloud
Musikalisch ohnehin, verhält sich “Sundur” nicht nur von der Betitelung, sondern auch narrativ als Antagonist zum juvenilen Vorgänger “Twosomeness”, der in allen Belangen freudiger und heller daherkommt. Gleich mit dem ersten Song “Jósa & Lotta” wird deutlich, dass Pascal Pinon persönliche Trennungserfahrungen verarbeiten, die zuallererst die beiden selbst betreffen. In diesem Zusammenhang erzählt Jófríður von der räumlichen Entzweiung der beiden Geschwister, die sich 2013 durch Ásthildurs Studium zwangsläufig ergab und eine neuartige emotionale Herausforderung darstellte. Darüber hinaus kommen andere Dimensionen der zwischenmenschlichen Trennung wie der Tod zur Sprache, was sich im wohl eingängigsten und bittersüßen Titel “53” widerspiegelt.
Quelle: SoundCloud
Dass mit “Sundur” trotz der sich durch das Werk ziehenden Thematik alles andere als ein klar strukturiertes Konzeptalbum vorliegt, wird auch dadurch dokumentiert, dass die einzelnen Titel scheinbar willkürlich mal in englischer, mal in isländischer Sprache interpretiert werden und für sich stehende Instrumentals das Bild komplettieren. Das erscheint vollkommen legitim, denn all dies tut dem positiven Anschein keinen Abbruch, da Pascal Pinons neues Album durch Authentizität, die verspielten Arrangements und doch reife Ausstrahlung sowie insbesondere den subtilen Gesang Jófríðurs beeindruckt. Das Zusammenspiel des Duos selbst lässt jedenfalls nicht auf die thematisierte räumliche Distanzierung schließen. Man darf also auch auf die weitere Entwicklung der beiden vielseitigen Schwestern gespannt sein.
Together with her sister she forms the band Pascal Pinon. Furthermore she is part of the musical project Samaris and performs solo as JFDR as well. Because of the upcoming Pascal Pinon album “Sundur”, we seized the opportunity of having a chat with her during Jófríður’s Berlin stay. In Morr Music’s kitchen she explained both her new work and the world.
an interview by Gregor van Dülmen and Moritz Bouws
and postmondän’s first blog post in English (feels like the beginning of something)
Pascal Pinon consists of you and your twin sister Ásthildur. Have you been making music all your life together or was there a certain point in your musical life where you said, “Let’s start a band!”?
Yes, there was a certain point when we were eleven years old. Our mom or our dad lent us their laptop and introduced us into the music software GarageBand. We found it amazing and just started recording even though we had no idea how to do that. We didn’t even have headphones, but we recorded anyway and produced two albums under the name “Við og Tölvan”, which means “We and the computer”. At that time we said, “We’re gonna start a band now.” Then we got a sound card, a microphone, and a midi keyboard for a christmas present. We still have this midi keyboard. No, sorry, my sister left it in Amsterdam where she lived to study. When she moved away from Amsterdam she left all of her things. She still hasn’t come back to pick them up. That’s already two or three years ago.
Where does she live now?
In Reykjavík. She only left Reykjavík twice since that time. One time was to go to London to visit me and to go to Berlin once for a couple of meetings.
You are following a nomadic kind of lifestyle at the moment, don’t you?
Yeah, I can’t sit still, I can’t stay anywhere. Also I’m really thrifty, I don’t want to spend much on rent when I’m not there most of the time anyway. I think you just really have to go hardcore doing one thing like travelling all the time or settling down – or live somewhere cheap. I don’t know, I’m working on this.
We would like to talk to you about your upcoming album “Sundur”. Your father helped producing your new album. Did he play an important role in the whole process?
Yes, he helped us. I would say my sister actually is the producer, because she is the one who had the most issues with everything. She was the one who actually kept everything super real, super raw, and she decided how we roll this album. I even would have put reverb on the mastering, like it’s my vibe that everything is in reverb. So for me it was really hard to say, “Okay, we’re just gonna do this.” And my dad was the one who said, “Just relax, I’ll come with you, I’ll help you out, I’ll set the microphones for you and I’ll be there and push the buttons.”
And he helped you to not get into a fight with one another?
Exactly, that’s the thing. Because the issue is I wouldn’t have minded if somebody else had done that for us. I wanted to pay a person to do that for us, just because I didn’t want to do that. But she said, “No way. We’re not going to hire anybody. It’s just a waste of money and we can do everything ourselves.” And I replied, “No, because you don’t know how to do that and then I’m going to be the one and I don’t want to.” That argument was for months. So our father was the one who said, “You go ahead and book a studio. I’ll be the one to engineer.” So both of us kind of got what we wanted. She didn’t even want to book a studio, but I told her, “There are people who want to hear this album and there’s a certain kind of pressure on this. They don’t want to listen to your bedroom recordings.” But at the same time I felt like, “Maybe they do, I don’t know.” So we met somewhere in between.
The sister’s new album “Sundur” will be released on 19th august
So it was just the three of you in the studio?
Yes.
Were you and your sister also the only ones playing music on your last album?
We got a guitar player for a couple of tracks, so we met and improvised a few different songs. But yes, generally it was pretty much the two of us. And a producer in addition.
But you started your bands with four members. What happened to the other two?
We were so young and actually kind of doing a lot: We released the first album ourselves before it got re-released by Morr Music. But up onto that point we were doing everything ourselves. We ordered CDs in a manufactory and we walked to the shops when we were fifteen and asked, “We have ten CDs. Do you want to sell them?” – and they all consented. But it was a lot of pressure, because somebody had to take care of the accounting and somebody had to take care of actually going to the shops to see whether it’s sold out or not.
The thing is, it’s just too much to be friends – and we were really good friends to begin with – and to run a business at the same time when you are fifteen. It didn’t really go hand in hand very well and it became this kind of division between the two other girls on the one hand and Ásthildur and me on the other hand. There accidentally was a tension between those two groups. I was sad about it and it really wasn’t pleasant. So together we decided that they would leave the group and we would continue. We rather wanted to stay friends than letting this completely seperate us. That was the reason. And then a couple of month later we got the record deal, which was great. It was easier for us to continue with this. But then the guitar player went on tour with us a few times. She was in the tour band for three years. So that issue didn’t actually make a big difference.
Pascal Pinon as a quartet:
source: youtube
Regarding your name: We think it’s really interesting, because Pasqual Piñón is a historic person – a Mexican guy who worked on a circus. What’s the connection, why did you choose his name for your band?
The four of us sat in a café together and we just opened this book and there was a picture of him and we were like, “The name is Pasqual Piñón, let’s go for that, that sounds weird!” We just liked the name.
And he neither seemed to be a bad guy, did he?
No, he seems to have been misunderstood, the poor thing.
Pasqual Pinon – “The Two-Headed Mexican” (Source: Wikimedia Commons)
He was in kind of a freak-show in the beginning of the twentieth century.
Yeah, I wouldn’t have wanted to be in his position of being laughed and stared at. It must be hard if the whole purpose of your existence is to creep people out. But there’s something beautiful about it, embracing being a little bit different and to make that your something. So the name is for everyone who is different.
And concerning your home, Iceland: We got the impression that there’s always the question of an affiliation due to the isolation. On the one hand you feel connected to Europe, on the other hand to the U.S.A., right? If you agree with that impression, could you describe these influences?
It’s right. And I think Iceland is ridiculous in so many ways. One of the things is exactly what you’re talking about. We’re influenced both by America and Europe. And we are a part of Europe and we’re also kind of a part of America. We had the U.S. Army base for many years and that was right at the time when we gained our independence and caught up with the rest of the world. Before that we were such a poor country and that was the time when there was actually a lot of prosperity and really good changes in the economy. So that was thanks to the U.S. Army. And the crazy thing is that this happened during World War II. Everywhere else in the world things were just blown up and destroyed, but in Iceland things went as well as never before. There was a celebration. That’s why people in Iceland are not sensitive about anything that has got to do with the war and the terrible things that happened there, because they’re used to think of the time period as such a positive thing. And this just doesn’t make sense to the rest of the world. It was a world war and almost everywhere there was chaos and in Iceland there was growth. That’s kind of the American influence.
And then we are in Europe but we keep fighting it, thinking we are independent. There are so many ads and anti-EU campaigns. And there are people who generally just feel like we’re losing our independence. They think because we’re an island we can be totally sufficient for ourselves. But the world doesn’t work like that. Such a stated idea. We are a small community and the different parts of the earth should work together more closely. People don’t see that. And Iceland is a joke compared to that. We are about 300.000 people. And if we weren’t in the EEA I wouldn’t be able to be here. It wouldn’t be that easy for me to travel. But enough about politics, let’s go back to music!
Okay, but let’s do this switch with one more Iceland question: Like many Icelandic artists you’re signed at Morr Music. Would you say the Berlin-based label or, let’s say, labels like Morr Music in general play a significant role for Iceland’s indie scene to become recognized internationally? Because from a German point of view it seems that there has been a particular development during the last years.
Definitely. The people see that they can travel more, that they can go abroad and that there is interest. But this is happening everywhere in the music industry anyway. Everywhere there’s a lot of music being made and there’s a lot of interesting things happening. Something is always getting through and something’s always staying under the radar. Same for Iceland. But now we have this Music Export Office that was founded only a couple of years ago. They’re doing great things, give out grants and care about new artists. It’s definitely becoming more common that bands go abroad and that they are signed at an earlier stage in their careers. For instance, have a look at the work of Seabear for so many years.
So is it a motivation for young musicians to be able to go abroad with their own music?
Absolutely. That’s what they try to do. But it takes time. And you don’t really go abroad unless you have a label that is putting money into your marketing. I remember that with Pascal Pinon we wouldn’t go abroad until we started working with Morr Music. Before that we went to Sweden once which was a joke although it was great nevertheless. But otherwise we didn’t go abroad the first two years and now we play more shows in other countries than we do in Iceland. I actually think it plays such a big role in the whole thing.
With respect to the language in which you are singing: Do you prefer Icelandic or English? As you know worldwide there are millions of people, listening to Icelandic music even though they don’t understand the lyrics.
It’s really hard to say. Because first of all, I make music for myself. I have something in my head, like, “I need to make this one and it needs to be in Icelandic.” Just because the word and the poetry make sense that way to me. I could translate it, but it wouldn’t be the same. I think some people do it for the market or for the people they’re communicating with. And I understand and respect that. It’s really cool, too, when people understand you, when you have something to say. Then you give it another layer of depth, like the feeling and the emotion of the music. But for us, I mean, there are two songs on Sundur that don’t even have any words. They’re just instrumental. So we just don’t give a fuck. We just do whatever we want. I like to sing in English as well.
Your new album’s title is “Sundur” which is the Icelandic word for “apart”, right? Is that the main theme of your album, standing apart from each other?
It’s definitely the main theme in the whole process of making this album. When we started doing it Ásthildur had already left to Holland and before that we used to have such an easy access to each other. We were sharing a bedroom most of the time growing up. We are twins and we always had a super tight relationship, whether we wanted to have or not. Making music was such an easy thing to do because we always were around each other. But then she was away and things went up in the air. We realised it’s even a struggle merely to see each other.
And did songs come up in that process? Did you send demos to each other?
The first song of the album we wrote together. And it’s kind of an introduction to that situation. But I wrote all songs apart from the first one on my own. It was more like bringing a song to her and seeing if she likes it and if she wants to collaborate and just do something with it.
Your last album was called “Twosomeness”. Do both tell a story together?
They do. It’s a contrast. It’s like this vs. this. But it’s a natural kind of next chapter. The first album, “Pascal Pinon”, was just composed of home recordings. For the second album we worked with a producer for the first time. We were just messing around and exploring different things we can do in the studio, things that we had never done before. This album is kind of a going back to the beginning, this tight unit of going separate ways. And this is the result. In my mind it was such a chaotic piece of music, because the sound is just all over the place. I thought people might find it scattered and crazy. I’m so surprised that people seem to be so open-minded about it. That shows me that you just have to stay true to yourself and then people will respond. If you’re real, they will recognise it. And that’s great thing to be reminded of.
impressions of Twosomeness:
source: youtube
For the people who don’t know your new album yet: How would you describe its sound compared to the sound of the one before?
I would say that this is a ridiculous album. But listen to it if you want to! I’m so sorry to the label, I hope they didn’t hear this. (She’s laughing)
Because listening to it for the first time it sounded more melancholic than the last one. It sounds more raw and diverse. It’s not like a concept, but it sounds very real and natural.
Yeah, that’s actually kind of the best way to describe it. Saying it’s ridiculous is such a cheap way of describing. I’m so sorry, I’ll try a little bit harder. It’s just I had something in my head that I wanted to create. We started that journey and the result is not what we wanted to make at the beginning. But it’s obvious that you can’t ever think you have something in your mind and go out doing exactly that. It doesn’t work that way. Things change and that’s great. It’s worth celebrating. So this album is probably kind of fucked up as much as it possibly can be. But within that space it’s folk-cute music, it’s not fucked up music. If we were a little bit angrier as people we’d probably be making punk music and the concept would still be the same.
So if this is going to become the most popular of your albums so far. What will you do in the future?
I don’t know at all. Things are going to happen and I’m just learning.
So one last question: Will there be a tour after the release? Will you come back to Germany?
Yes. We have a tour coming in November. It’s from 10th to 20th November. Berlin, Münster, Tecklenburg and Cologne. Some shows are with Peter Broderick. The dates will be announced, but the Berlin show is on 11th November.
O cool, so we’ll meet again there. Thank you very much for the interview!
Thank you, guys!
One show missing in the list is the one at Alínæ Lumr Festival on 26th August in the internationally well-known metropolis of Storkow. Fair enough, since we only asked her for tour dates. But after the interview we feel prepared for a “Sundur” review which will follow in a few days. But then we’ll switch back to German again. Sorry for that, such a cheap way of writing a review.
Gemeinsam mit ihrer Schwester betreibt Jófríður Ákadóttir (links im Bild) die Band Pascal Pinon. Sie ist ebenfalls Teil des Musikprojekts Samaris, aber als JFDR auch solo unterwegs. Da in Kürze das neue Pascal Pinon-Album “Sundur” herauskommt, nutzten wir einen kurzen Berlinaufenthalt der Isländerin, um uns in der Küche von Morr Music ihre neue Musik erklären zu lassen. Und die Welt.
ein Interview von Moritz Bouws und Gregor van Dülmen
Pascal Pinon, das sind deine Zwillingsschwester Ásthildur und du. Wie ist die Band entstanden? Habt ihr von klein auf zusammen Musik gemacht oder gab es einen bestimmten Punkt in eurer Entwicklung, an dem ihr euch gesagt habt, dass ihr eine Band gründen möchtet?
Den gab es, als wir elf Jahre alt waren. Unsere Eltern liehen uns ihren Laptop, zeigten uns das Aufnahmeprogramm GarageBand und erklärten uns, wie man damit umgeht. Wir fanden das großartig und begannen sofort, aufzunehmen, obwohl wir uns damit überhaupt nicht auskannten. Wir hatten noch nicht einmal Kopfhörer. Trotzdem haben wir zwei Alben aufgenommen, damals noch unter dem Namen “Við og Tölvan”, isländisch für “Wir und der Computer”. Wir entschieden dann, eine Band zu gründen. Zu Weihnachten bekamen wir eine Soundkarte, ein Mikrofon und ein Midi-Keyboard, das wir sogar immer noch haben bzw. das wir immer noch hätten, wenn meine Schwester es nicht in Amsterdam liegen gelassen hätte. Als sie nach dem Studium dort die Stadt verließ, hat sie ihre Sachen dort gelassen und sie bis heute nicht abgeholt. Das war vor zwei oder drei Jahren.
Wo lebt sie zurzeit?
In Reykjavík. Sie hat die Stadt seitdem erst zweimal verlassen. Das eine Mal, um mich in London zu besuchen, das andere Mal für ein paar Termine in Berlin.
Und du verfolgst im Moment einen eher nomadischen Lebensstil, stimmt’s? Was bedeutet das?
Dass ich nicht stillsitzen kann, nicht zur Ruhe komme. Und dass ich nicht mein Geld für hohe Mieten ausgeben möchte, wenn ich die meiste Zeit über eh nicht da bin. Ich finde, man muss entweder radikal das eine oder das andere durchziehen, die ganze Zeit über reisen oder sich niederlassen. Vielleicht wäre es eine Option, irgendwo günstig zu leben. Mal sehen, ich arbeite daran!
Wir würden gern über euer neues Album “Sundur” sprechen. Euer Vater hat euch bei der Produktion geholfen. Hat er eine wichtige Rolle für den Entstehungsprozess gespielt?
Ja, er hat uns geholfen. Ich würde sagen, dass meine Schwester letztendlich die Produzentin war, weil sie sich um alles gekümmert hat. Sie war es, die entschied, wie das Album klingen soll, die alles roh und authentisch hielt. Wäre ich für den Sound verantwortlich gewesen, hätte ich wahrscheinlich einfach einen Reverb-Effekt über die Masterdatei, über alle Spuren gelegt, weshalb es für mich erst nicht leicht war, mich darauf einzulassen. Unser Vater war dann derjenige, der uns beruhigen konnte, sich anbot, uns zu unterstützen und dabei zu helfen, die Mikrofone einzustellen und die Technik zu bedienen.
… und euch zu helfen, nicht miteinander zu streiten?
Genau, das war der Punkt. Denn ich war sowieso dafür, dass uns jemand unterstützt. Ich hätte auch jemanden dafür bezahlt, einfach, weil ich es nicht selbst machen wollte. Aber meine Schwester war komplett dagegen, jemanden zu engagieren. Sie hielt das bloß für Geldverschwendung und meinte, dass wir das genauso gut selbst machen können. Ich sagte ihr immer wieder, dass das nicht funktionieren würde, weil sie nicht wisse, wie man aufnimmt und alles an mir hängen geblieben wäre, worauf ich keine Lust hatte. So ging es monatelang, bis mein Vater sagte: “Okay, bucht ein Studio. Ich begleite euch und übernehme die Technik”. Das war für uns beide der beste Kompromiss.
Das neue Album der Schwestern “Sundur” erscheint am 19. August
Ihr wart also nur zu dritt im Studio?
Ja.
Wart auf eurem letzten Album “Twosomeness” auch nur ihr beiden als Musikerinnen zu hören?
Da hatten wir noch einen zusätzlichen Gitarristen für einige Tracks dabei, mit dem wir ein bisschen improvisiert haben. Aber ansonsten waren wir abgesehen vom Produzenten nur zu zweit im Studio.
Aber beim ersten eurer drei Alben “Pascal Pinon” wart ihr noch zu viert. Was ist aus den anderen beiden geworden?
Wir waren noch so jung und wirklich aktiv: Das erste Album haben wir komplett selbst herausgebracht, bevor es später von Morr Music neu herausgegeben wurde. Bis zu dem Punkt haben wir noch alles selbst gemacht. Wir haben die CDs bestellt, sind damit, obwohl wir erst 15 waren, selbst in die Läden gegangen und haben gefragt, ob sie Lust hätten, davon welche zu verkaufen – was auch erstaunlich gut geklappt hat. Denn alle haben zugestimmt. Trotzdem stand ein hoher Druck hinter dem Ganzen, denn jemand musste ja die Buchhaltung machen, jemand die Verkäufe koordinieren und in den Läden nachfragen, ob die CDs ausverkauft sind oder nicht.
Das Problem bestand darin, dass wir gleichzeitig gute Freunde sein wollten, was wir damals auch wirklich waren, und gemeinsam ein Unternehmen führen wollten. Mit 15. Das hat leider einfach nicht funktioniert und es entstand eine Spannung zwischen den beiden anderen Mädchen auf der einen sowie Ásthildur und mir auf der anderen Seite, was mich wirklich traurig gemacht hat. Wir haben dann gemeinsam entschieden, dass die beiden die Band verlassen und wir zu zweit weitermachen. Wir wollten lieber Freundinnen bleiben als uns davon komplett auseinanderreißen zu lassen. Das war also der Grund. Und ein paar Monate später hatten wir dann den Plattenvertrag, was großartig war. Für uns war es einfacher, so weiterzumachen. Aber unsere frühere Gitarristin hat uns später auch noch auf Tour begleitet und war drei Jahre lang in unserer Liveband. Einen allzu großen Unterschied hat die ganze Sache also gar nicht gemacht.
Pascal Pinon, hier noch zu viert:
Quelle: YouTube
Lass uns kurz über euren Bandnamen sprechen: Da gab es ja die historische Person Pasqual Piñón – einen mexikanischen Zirkusdarsteller. Worin besteht die Verbindung, warum habt ihr seinen Namen als Bandnamen gewählt?
Wir saßen damals zu viert in einem Café und blätterten in einem Buch, in dem wir auf ein Bild von ihm stießen. Wir fanden, sein Name “Pasqual Piñón” klingt so schön seltsam, dass wir ihn übernehmen wollten. Der Name gefiel uns also einfach.
Und er schien kein schlechter Kerl gewesen zu sein, oder?
Nein, ich glaube, er wurde einfach nicht verstanden, der Arme.
Pasqual Pinon – “The Two-Headed Mexican” (Quelle: Wikimedia Commons)
Er war Anfang des 20. Jahrhunderts Teil einer Art Freakshow.
Genau, und ich hätte ungern in seiner Haut gesteckt. Die ganze Zeit ausgelacht und angestarrt zu werden und seine gesamte Existenz darauf aufzubauen, Leute zu erschrecken, muss wirklich hart sein. Andererseits liegt aber auch etwas Schönes darin, die eigene Andersartigkeit zu betonen und sie zu seiner Besonderheit zu machen. Unser Bandname ist daher eine Widmung an alle, die anders sind.
Bezüglich deiner Heimat, Island: Man hat von hier aus ein wenig den Eindruck, dass es aufgrund der isolierten Lage immer die Frage einer Zugehörigkeit gibt, dass ihr euch in gewisser Weise auf der einen Seite Europa, auf der andern den USA verbunden fühlt. Falls du zustimmst, wie würdest du diesen Einfluss beschreiben?
Ich stimme zu. Und ich finde Island aus verschiedenen Gründen lächerlich. Der eine Grund ist genau das, was ihr beschreibt. Wir sind gleichzeitig von Amerika und Europa beeinflusst. Zum einen sind wir ein Teil Europas, aber irgendwie sind wir auch ein Teil der USA. Denn wir hatten viele Jahre lang die Militärbasis der U.S. Army in Island. Das war genau zu der Zeit, in der wir unsere Unabhängigkeit erlangten und zum Rest der Welt aufschlossen. Bis dahin waren wir ein wirklich armes Land, aber mit einem Mal kamen ein Wirtschaftsaufschwung und Wohlstand auf, was wir letztendlich der U.S. Army verdanken. Das Bizarre ist, dass dies während des Zweiten Weltkriegs geschah. Überall waren Chaos und Zerstörung, aber Island ging es so gut wie nie zuvor. Das ist auch der Grund, warum es Isländer٭innen an Sensibilität für die Grausamkeiten des Kriegs fehlt, denn im kollektiven Gedächtnis wird die Zeit als eine so positive Periode für das Land wahrgenommen. Für den Rest der Welt ergibt das aber absolut keinen Sinn. Der Krieg wütete nahezu überall, nur in Island gab es Wachstum und vor allem darin besteht der amerikanische Einfluss.
Und dann sind wir natürlich ein Teil Europas, kämpfen aber gleichzeitig um unsere Unabhängigkeit. Es gibt so viele Anti-EU-Kampagnen und wirklich viele Leute, die Angst haben, dass wir unsere Unabhängigkeit verlieren könnten. Sie glauben, Island könne sich selbst versorgen, aber so funktioniert die Welt einfach nicht. Wir sind eine so kleine Gruppe von Menschen und müssen international noch viel enger zusammenarbeiten. Global betrachtet ist Island mit seinen 300.000 Einwohnern einfach ein Witz. Wären wir kein Teil des EWR, wäre ich nicht in der Lage, so einfach zu reisen und wäre vermutlich grad nicht hier in Berlin. Aber genug über Politik, lasst uns zurück zur Musik!
Okay, aber lass uns mit mit einer weiteren Islandfrage zur Musik zurückkehren: Genau wie viele andere isländische Musiker٭innen steht ihr bei Morr Music unter Vertrag. Würdest du sagen, dass das Berliner Label bzw. internationale Indie-Labels wie Morr Music eine bedeutende Rolle dafür spielen, dass die isländische Indie-Szene international immer mehr Beachtung findet? Denn zumindest aus deutscher Sicht scheint es so, als wäre in den letzten Jahren viel passiert.
Definitiv. Die Leute sehen, dass es im Ausland ein Interesse an ihrer Musik gibt, dass diese ihnen es ermöglichen könnte, zu reisen. Aber ich würde nicht unbedingt sagen, dass das ein Island-spezifisches Phänomen ist, denn genau das scheint im Moment auch überall sonst auch der Welt zu passieren. Überall auf der Welt wird Musik gemacht und es entstehen viele spannende Dinge. Überall ist es gleich, etwas kommt durch, etwas anderes bleibt auf der Strecke. In Island ist es genauso. Aber seit ein paar Jahren haben wir in Island das Music Export Office, in dem großartige Arbeit geleistet wird. Sie unterstützen jungen Künstler٭innen und vergeben Stipendien. Es gibt sicher einen starken Zuwachs an Bands, die international unterwegs sind. Auch bekommen Künstler٭innen zu immer früheren Zeitpunkten in ihren Karrieren Plattenverträge. Aber seht euch nur die Karriere von Seabear an, die viele Jahre international unterwegs waren.
Ist die Möglichkeit, durch ihre Musik ins Ausland reisen zu können, also für junge isländische Musiker٭innen eine besondere Motivation, weiterzumachen?
Absolut, genau das ist es, woran wir arbeiten. Und man spielt eben keine internationalen Touren, bevor man ein Label gefunden hat, das einen fördert und marketingtechnisch unterstützt. Mit Pascal Pinon haben wir auch erst im Ausland gespielt, nachdem wir die Zusammenarbeit mit Morr Music begonnen hatten. Davor waren wir bloß einmal in Schweden, was, obwohl es eine großartige Erfahrung war, ein Witz war. Ansonsten sind wir die ersten zwei Jahre gar nicht gereist. Heute hingegen spielen wir in anderen Ländern mehr Konzerte als in Island. Plattenlabel spielen also eine wirklich große Rolle bei dem Ganzen.
In euren Liedern wechseln sich englische und isländische Texte ab. Welche Sprache würdest du der anderen vorziehen? Denn, wie du weißt, gibt es weltweit Millionen von Menschen, die gern isländische Musik hören, obwohl sie die Texte nicht verstehen.
Das ist schwer zu beantworten. In erster Linie mache ich Musik ja für mich selbst. Ich habe dann zum Beispiel einfach etwas Bestimmtes im Kopf, bei dem ich das Gefühl habe, dass es auf Isländisch sein muss, einfach weil der Text und die Poesie darin Sinn ergeben. Würde ich es dann übersetzen, wäre es nicht mehr dasselbe. Andere Künstler٭innen sind da sicher marktorientierter oder denken mehr darüber nach, durch ihre Musik mit Leuten zu kommunizieren. Das kann ich verstehen und respektiere ich voll und ganz. Es ist cool, etwas zu sagen zu haben und Menschen zu haben, die dich verstehen, denn das gibt der eigenen Musik eine weitere Tiefe, eine neue Emotionalität. Aber unsere Musik funktioniert anders. Auf “Sundur” gibt es ja auch zwei Lieder, die gar keine Texte haben und einfach instrumental sind. Wir kümmern uns also nicht darum und machen bloß das, worauf wir Lust haben. Ich singe eben einfach genauso gern auf Englisch.
Der Titel eures neuen Album ist “Sundur”, was das isländische Wort für “auseinander” ist. Ist das ein Hauptmotiv des Albums, auseinander bzw. voneinander getrennt zu sein?
Das ist auf jeden Fall das Hauptmotiv des gesamten Entstehungsprozesses der Platte. Als wir anfingen, daran zu arbeiten, war Àsthildur bereits in die Niederlande gezogen, was ein großer Schnitt für unsere Beziehung war. Bis zu dem Zeitpunkt hatten wir einen so unkomplizierten Zugang zueinander. Über Jahre hinweg haben wir uns ein Schlafzimmer geteilt und hatten als Zwillinge einfach eine extrem enge Bindung aneinander, ob wir wollten oder nicht. Es war bis dahin also sehr leicht für uns, zusammen Musik zu machen, weil wir sowieso immer zusammen waren. Plötzlich war alles anders und wir haben gemerkt, was für ein großer Aufwand es auch schon sein kann, sich überhaupt zu sehen.
Und sind in dieser Trennung Songs entstanden? Habt ihr euch Demos hin- und hergeschickt?
Den ersten Song des Albums haben wir zu zweit geschrieben. Er ist eine Art Einleitung zu unserer Situation. Aber den Rest der Lieder habe ich komplett allein geschrieben. Es hat also eher so funktioniert, dass ich ihr meine Musik präsentiert habe und sie entschieden hat, ob sie sie mag und mit mir etwas daraus machen möchte.
Korrespondiert “Sundur” inhaltlich also mit eurem Vorgängeralbum “Twosomeness” (“Zweisamkeit”). Erzählen beide eine zusammenhängende Geschichte?
Das tun sie. Als Kontraste. Das eine steht gegen das andere. Aber ist es auch das ganz natürliche nächste Kapitel unserer Entwicklung. Das erste Album “Pascal Pinon” besteht vollständig aus Heimaufnahmen. Beim Nachfolgealbum haben wir dann zum ersten Mal mit einem Produzenten zusammengearbeitet, haben zusammen herumgealbert und ausprobiert, was im Studio alles möglich ist. Das war alles neu für uns. Unser neues Album ist eine Art Rückbesinnung auf den Anfang, die ein Ergebnis dieser kurzen Episode der Trennung ist. Ich empfinde es aufgrund der vielen unterschiedlichen Sounds als ziemlich chaotisch. Deswegen habe ich auch damit gerechnet, dass es vielen zu zusammenhangslos und verrückt vorkommen würde. Die Offenheit derjenigen, die es bisher gehört haben, hat mich total überrascht. Es ist eine tolle Erfahrung zu sehen, dass du einfach dein Ding machen kannst und es Menschen gibt, die genau das schätzen. Wenn deine Kunst ehrlich ist, werden Leute das erkennen. Es ist großartig, sich dessen bewusst zu werden.
Impressionen aus der Zweisamkeit:
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Für diejenigen, die euer neues Album noch nicht hören durften: Wie würdest du die musikalischen Unterschiede im Verhältnis zum Album davor beschreiben?
Ich finde, es ist ein lächerliches Album geworden. Aber hört es euch an, wenn ihr wollt. Hoffentlich hat das Label das jetzt nicht gehört… (Sie lacht.)
Vom ersten Höreindruck her klingt die Musik aber auch deutlich melancholischer als beim Vorgänger. Die Songs hören sich viel roher und vielfältiger an. Auch klingt das Album weniger nach einem geschlossenen Konzept, aber direkter und natürlicher.
Ja, das ist vielleicht die beste Art, es zu beschreiben. Es einfach nur lächerlich zu nennen ist eine schäbige Umschreibung. Es tut mir leid, ich streng’ mich nochmal etwas mehr an: Ich hatte einfach etwas Kopf, was ich unbedingt machen wollte. Also sind wir diese Reise gemeinsam angetreten und das Ergebnis ist zwar nicht das, was wir uns am Anfang vorgestellt hatten. Aber es ist auch klar, dass sich Ideen nicht immer eins zu eins umsetzen lassen, sondern sie sich im Prozess wandeln. Und das ist großartig. Denn auch wenn der Entstehungsprozess des Albums chaotisch war, ist daraus auch völlig unchaotische Folk-Musik hervorgegangen. Wären wir wütendere Personen, würden wir mit Sicherheit Punk machen. Unsere Arbeitsweise dahinter wäre aber dieselbe.
Sollte “Sundur” nun euer bisher erfolgreichstes Album werden – wie würde das eure zukünftige Arbeit beeinflussen?
Ich hab’ absolut keine Ahnung. Dinge werden passieren und ich lerne immer dazu.
Und eine letzte Frage: Wird es nach dem Album eine Tour geben? Kommt ihr zurück nach Deutschland?
Ja. Wir gehen im November auf Tour, vom 10. bis zum 20. und spielen unter anderem in Berlin, Münster, Tecklenburg und Köln. Ein paar der Shows sind zusammen mit Peter Broderick. Das wird alles noch bald angekündigt werden, aber das Konzert in Berlin ist auf jeden Fall am 11. November.
Perfekt, dann sehen wir uns im November! Vielen Dank für das Interview.
Ich danke euch!
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sie in der Liste noch den Festivalauftritt Pascal Pinons beim Alínæ Lumr am 26. August in Storkow unterschlagen hat. Aber wir haben ja nur nach einer Tour gefragt. Wir lassen derweil noch nicht ganz von Pascal Pinon ab und schließen in wenigen Tagen nochmal ein Review von ”Sundur” an.
Sóley geht es gut. Sie hat sich neulich sogar dabei erwischt, fröhliche Songs zu schreiben. Das hat ihr so viel Angst gemacht, dass sie auf Tour gegangen ist.
Sóley in der Passionskirche, Berlin, 22. Juli 2016
Denjenigen, die schon vor der Fußball-EM von der Existenz Islands wussten, ist auch Sóley vielleicht längst keine Unbekannte mehr, auch wenn sie nach wie vor als Geheimtipp gehandelt wird. Als ehemaliges Mitglied der Band Seabear widmet sie sich bereits seit 2010 ihrem Soloprojekt und ist so Sinnbild einer jungen Generation isländischer Musiker٭innen, denen es gemeinsam gelang, aus dem Schatten von Björk und Sigur Rós heraus eine breite Indie-Szene aufzubauen, die international ihre Liebhaber٭innen findet. Gemeinsam, da sie sich jeweils gegenseitig darin unterstützen, etwas völlig eigenes zu machen. So auch Sóley, die schon in Live-Bands anderer Musiker gesichtet wurde, die sich aber von Anfang ihres Projekts an ureigener experimenteller Musik widmete, in denen sie melancholische Geschichten aus Märchen-, und Horrorwelten erzählt. Auf ihrem ersten Album klang das noch so:
Quelle: YouTube
Zwei Alben und drei EPs später nun findet sie in einer Kirche in Kreuzberg am Flügel wieder und singt umgeben von einer größeren Live-Band hoffnungsvolle “Mommy Songs”, wie sie es selbstkritisch nennt. Ist das dieselbe Künstlerin, die mit ihrem letzten Album “Ask The Deep” noch Depressionen oder die Geschichte eines lebendig Begrabenen vertonte? Oder auf deren Debütplatte “We Sink” sich Songtitel wie “I’ll Drown”, “Kill The Clown” und “Smashed Birds” fanden? Aber diese Fragen beschäftigen offensichtlich niemanden stärker als sie selbst. Denn mit dem letzten Album zu touren und ständig den reduzierten, meist elektronischen fahlen Songs ausgesetzt zu sein, hätte sie, wie sie erzählt, selbst so sehr belastet, dass sie sich zurückgezogen hat, um sich mit neuen Kompositionen zu therapieren. Herausgekommen ist etwas völlig Neues, etwas, was ihr Spaß macht, was sie aber auch verunsichert. Deswegen hat sie sich zu einer kleinen Probetour aufgemacht.
Vielleicht stand ihr Supportact bei dem Berlinkonzert, die Sängerin Mr. Silla, wenn man schonmal an einem so metaphorisch aufgeladenen Ort wie einer Kirche ist, auch für die alte, die nunmehr überwundene Sóley, kommt sie auf der Bühne doch komplett ohne Mitmusiker aus und singt einfach über Electro-Samples, die sie nur selten mit live gespielten Gitarren- oder Keyboardspuren begleitet. Ihr Sound ist dem von Sóleys letzter Platte sehr ähnlich, ist aber eben auch ähnlich spannend.
Quelle: YouTube
Sóley selbst, die ihr jüngstes Werk überraschend kritisch sieht, möchte auf ihrem nächsten Album positivere Musik machen, obwohl ihr die Welt der “Happy Pop Music” eigentlich unsympathisch ist. Aber sie möchte es richtig machen, dabei niemanden verlieren oder vor den Kopf stoßen. Deswegen probiert sie es schonmal live aus, bevor auch nur ein einziger Song veröffentlicht ist. Deswegen ist sie nach Berlin geflogen und sitzt in der Kirche. Für ihre neue Musik öffnet sie sich auch anderen Musiker٭innen. Sie möchte ihren Sound und ihre Liveshow mit einem größeren Ensemble neuerfinden, in dem sich neben Gitarrist und Schlagzeuger auch ein Bläsersatz, eine Akkordeonspielerin und eine zweite Sängerin und Pianistin befindet.
Herauskommt eine Show, die ihrer letzten Tour, ihrem 2015er Konzert in der Volksbühne etwa, tatsächlich überlegen ist, die vielseitig und offen ist. Das Publikum mit neuen Arrangements der alten Songs ans Neue heranzuführen, die dadurch folkiger klingen und sich ein wenig an den Sound von Beirut annähern, funktioniert erstaunlich gut. Den logistischen Aufwand, selbst auch innerhalb von Songs zwischen mehreren Bühnenpositionen hin und her zu wechseln, bewältigt sie mit sympathisch-chaotischer Herangehensweise. Dabei ist es ein Glück, dass sie auch ganze Shows komplett ohne Musik bestreiten könnte, da sie ebenfalls ureigene Comedy-Qualitäten aufweist. Denn eine solche Show, in der alles außer der Musik improvisiert ist, kann auch kippen. Nicht so bei Sóley, die unbeirrt minutenlange Monologe darüber hält, dass ihr Kleid zu kurz ist und sie daran denken muss, die Arme nicht zu hoch zu heben. Dass sie glaubt, ihr Soundtechniker würde sie hassen. Dass sie geträumt hat, zum Auftritt in Berlin würden nur fünf Leute kommen und sie würde sich ständig verspielen. Dass man nicht denken darf, die Männer in ihrer Liveband seien ihre Liebhaber.
Eher nicht so gut aufgegangen ist das Experiment, die Berliner Show in eine Kirche zu legen. Zwar sind die schlichte Eleganz der Passionskirche und ihre herausragende Akustik ein würdevolles Setting. Aber gerade letztere wurde dem Konzert teilweise zum Verhängnis, da eben nicht nur die Musik von der Kuppel endlos hallverstärkt wird. Auch die Geräusche der Theke, die für das Konzert aufgebaut wurde, jede klirrende Flasche, jedes Gespräch durchbrach immer wieder die Performance und ließ keine rechte Konzertatmosphäre aufkommen. Es gibt offensichtlich nicht nur religiöse, sondern auch ziemlich profane Gründe dafür, warum auf Kirchenbänken sonst nicht gesprochen oder Bier getrunken werden darf.
Dass es Sóley ohnehin fremd ist, eine Distanz zum Publikum aufzubauen, entschädigte hierfür in der Show jedoch. Und da es sich bei dem Ganzen um ein Work-in-Progress-Experiment handelte, war ein wenig Proberaumatmosphäre auch verkraftbar. Um die präsentierte Musik war es dennoch schade. Wie Sóleys neues Album wird, bleibt abzuwarten. Es soll 2017 herauskommen. Hoffnungsvolle Musik steht ihr zwar augenscheinlich ziemlich gut, ist aber zunächst ungewohnt. Doch der bleibende Eindruck des Abends ist, dass man Sóley trauen kann, da niemand so souverän mit offenen Karten spielt wie sie.