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„Lotta Sea Lice“ – auf ein interkontinentales Frühstück mit Courtney und Kurt

Nicht das Dies- und Jenseits trennen sie, sondern der Pazifische Ozean bzw. 16.000 km Distanz. Was sie nicht davon abhält, ein gemeinsames Album aufzunehmen. Courtney Barnett und Kurt Vile schaffen aus ihrer gegenseitigen Bewunderung eine der charmantesten Kollaborationen dieses Jahres.


Courtney und Kurt, die Wiedervereinigung des Jahres? Nein, Frau Love weilt nach wie vor unter den Lebenden, während Herr Cobain allen Verschwörungstheorien zum Trotz dem Gras beim Wachsen weiterhin von unten zusieht. Die Rede ist von Courtney Barnett und Kurt Vile, die soeben den Longplayer „Lotta Sea Lice“ veröffentlichten. Vollkommen frei einer gewissen Beeinflussung des Grunges sind die beiden Künstler ganz sicher nicht, vor allem in optischer Hinsicht. Ansonsten war es das aber fast mit den Gemeinsamkeiten. Erstere, wohnhaft in Down Under, genauer gesagt in Melbourne, und zweiterer, wohnhaft in Philadelphia, Pennsylvania, haben soeben von ihrer interkontinentalen Freundschaft inspiriert ein gemeinsames Album aufgenommen, das durch ontologisches Songwriting über Songwriting und andere spannende Inhalte besticht.

Durchbruch auf Solopfaden

Barnett und Vile zählen unabhängig voneinander seit einiger Zeit zu den meistbeachteten Geschichtenerzählern der Indierock-Szene. Kurt Vile kann dabei bereits auf eine längere Karriere zurückblicken, bis 2008 war er Leadgitarrist bei der ebenfalls aus Philadelphia stammenden und momentan nicht weniger erfolgreichen Band „The War On Drugs“. Mit seinem bluesgeprägten Zusammenspiel zwischen Gitarre und Gesang wurde er spätestens mit seiner 2011er-LP „Smoke Ring For My Halo“ dem breiten Publikum auch als Solokünstler bekannt. Courtney Barnett hingegen verweist, auch altersbedingt, auf eine etwas jüngere Laufbahn. Ihren Durchbruch schaffte die zu dieser Zeit noch in Kneipen jobbenden Melburnian 2015 mit „Sometimes I Sit and Think, and Sometimes I Just Sit“, das in zahlreichen illustren Fachmagazinen zum Kreis der Alben des Jahres gewählt wurde. Grund dafür war vor allem ihre Fähigkeit, auf eine liebenswürdig arglose Art und Weise und mit trockenem Humor die Seltsamkeiten und Wunderlichkeiten des Alltags zu beschreiben.

Dies verbinden Barnett und Vile, zwischen denen zunächst nur eine flüchtige Bekanntschaft bestand, jetzt. Ganz musikerlike kreuzten sich im Rahmen von Tourauftritten, Festivals oder anderweitigen Veranstaltungen immer wieder ihre Wege. Dass sie menschlich auf einer Wellenlänge lagen, bemerkten sie laut eigener Aussage schon relativ früh. Viel wichtiger scheint heute jedoch die gegenseitige Bewunderung für das künstlerische Werk des jeweils anderen. Den ersten Schritt machte Vile, der mit dem Schreiben des vom einsamen Songwritings handelnden „Over Everything“ begann und Barnett eine E-Mail mit der Frage nach einer etwaigen Zusammenarbeit schickte. In der Folge trafen sich beide in Australien und schlossen sich im Studio ein.

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Sandwich mit Erdnussbutter und Marmelade

Das Ergebnis ist „Lotta Sea Lice“, ein Nebenprodukt zweier Künstler, die eigentlich weiterhin an ihrer Solokarriere basteln. Dies soll jedoch nicht heißen, dass das jetzt veröffentliche Projekt in den Hintergrund rücken kann, sobald entweder Barnett oder Vile ihr nächstes Soloalbum hervorbringen. Bahnbrechend ist es nicht unbedingt. Dazu mangelt es an Innovationismus, was bei „Lotta Sea Lice“ aber nicht negativ zu Buche schlägt. So covern sie zum einen Belly’s „Untogether“ und bedienen sich zum anderen mit „Fear Is Like A Forest“ bei Barnetts Lebensgefährtin Jen Cloher, hinterlassen dabei jedoch unübersehbar ihre Sichtweise. Das Album ist schlichtweg als Resultat der gegenseitigen Beeinflussung zweier Musiker zu betrachten, deren Qualität allen voran das Storytelling ist. Die Tatsache, dass sowohl Courtney Barnett als auch Kurt Vile in manchen Fällen selbst nicht so richtig sagen können, worum dieser oder jener Song denn jetzt überhaupt handle, erweitert den individuellen Interpretationsspielraum und macht die akustische Lektüre ebenso bildreich.

Das Talent, selbst die profansten und irrelevant daherkommenden Begleiterscheinungen des Lebens zu äußerst beachtenswerten und humoristischen Geschichten zu formulieren, macht dieses Duo in ihrem gemeinsamen Wirken aus. Oder wie es ein Fan in den Sozialen Medien ausdrückt: „Courtney and Kurt could sing about making peanut butter and jelly sandwiches and it would still be solid gold.“

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Titelbild: © Courtney Barnett/Kurt Vile