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Wider der klassischen Ausstellungspraxis. Anni Albers im K20

In Düsseldorf läuft seit ein paar Tagen eine Ausstellung zum Werk Anni Albers‘. Die Ausstellung gibt einen umfassenden Eindruck in das Gesamtwerk der Bauhaus-Ikone. Sie offenbart aber auch einige Probleme, mit denen die Künstlerin ihr gesamtes Schaffen lang zu kämpfen hatte.

von Fabian Korner

Anni Albers (1899-1994) kann sicherlich als die ambitionierteste Bauhauslehrerin bezeichnet werden. In der Malerklasse nicht zugelassen, in die Textilklasse verbannt, wollte sie sich zunächst nicht so recht auf das Material (Stoff) einlassen, später sollte es ihr Schaffen bestimmen. Die Ausstellung im K20 zeigt mehr als 200 Werke, Originale sowie Archivaufnahmen, die Leihgaben von verschiedensten Museen und Archivorten sind. In Anni Albers verbinden sich zwei Elemente, die eine klare Kanonkritik darstellen: Zunächst ist sie eine Frau – und mit Frauen in der Kunst tut man(n) sich gerne einmal schwer.

Des Weiteren hat sie mit Textilien, mit Stoffen gearbeitet; einem Material, das bis heute keinen festen Platz in den Kunstakademien hat. Zu sehr ist Stoff – sei es in Form von Klamotten, Bettwäsche oder Teppichen – ­Teil unseres Alltags. Was Teil unseres Alltags ist, wird seltener als Kunstgegenstand wahrgenommen, da Gebrauch künstlerische Qualitäten schmälert. Genau diesem klassischen Verständnis wird sich, so scheint es nach der Ausstellungsbetrachtung, hier widersetzt. Dies geschieht nicht nur durch das Material, sondern auch durch den Umgang mit Formen und Farben. In ihrem frühen Werken ist Geometrie sehr präsent, spätere Überlegungen führen zu mehr Dynamik. Weder die Geometrie, noch die Dynamik in Form und der Art und Weise des Spinnens, können als Selbstzweck verstanden werden. Albers bricht die geometrischen Formen auf konstruktivistische Weise und versucht ein Moment von Bedeutung zu erschaffen.

Der gefühlte Widerstand

Spätestens an dieser Stelle angekommen, fragt man sich, ob das Ausstellungskonzept das Werk überhaupt adäquat wiedergibt oder ob hier Zugriffsarten verstellt werden. Wer schon in Ausstellungen konstruktivistischer Künstler oder Werke (Malewitsch, Kandinsky, Klee) war, der mag sich an das Gefühl erinnern, dass „irgendwas nicht so ganz passt“. Woher kommt dieser Eindruck?

Ausstellung „Anni Albers“ im K20, hier fotografiert von Achim Kukulies, © Kunstsammlung NRW.

Die Ausstellung im Düsseldorfer K20 ist einem klassischen Ausstellungskonzept nachempfunden. Es werden uns die Werke Anni Albers auf geniale Weise pompös vorgestellt – bzw. im ganz buchstäblichen Sinne: vor die Nase gestellt. Kleine Veränderungen, wie das Ablösen vom rein Bildnerischen, dahin, dass ein Gegenstand liegt, um sein räumliches Element zu illustrieren, sind nur kosmetische Gesten und verstellen den eigentlichen Widerspruch. An dieser Stelle sei, bei all der Kritik, gesagt, dass die Ausstellung wirklich gut komponiert ist. Es wurde uns eine Künstlerin präsentiert, die gerne hinter all den Männern versinkt und dazu ein Material, welches selten so begutachtet wird. Im Versuch, dies wie eine Ausstellung eines Otto Dicks, Rennbrand oder Kandinsky aussehen zu lassen, wird versucht, Hegemonie aufzubauen. Es ist eine Form, in der Hegemonie des Kunstbetriebes Frau und Textilien ebenfalls Raum zu geben. Der Versuch muss aber kläglich scheitern. Nicht weil – wie schon betont – das Anliegen oder die Ausstellungskomposition schlecht wäre, sondern weil das Werk nach einem anderen Zugriff verlangt.

Konstruktivismus als Ausgangspunkt

Der Grundgedanke einer konstruktivistischen Kunst ist nicht im Altbewerten neue Foki zu erschaffen, sondern das bisher gedachte grundsätzlich hinter sich zu lassen. Es ist kein Einbruch in Bisheriges, sondern ein Aufbruch mit Neuem. Der Begriff des „neuen“ führt bei Malewitsch zur „gegenstandlosen Kunst“, die nicht zu verwechseln ist mit „abstrakter Kunst“ und letztlich zum schwarzem Quadrat, welches nur wirkt, wenn man versteht welchen Bedeutungshorizont es versucht zu eröffnen. El Lissitzkys Plakat „Roter Keil“ – ein Propagandaplakat der Roten Armee – zeigt auf offensichtlicher Weise wie die, von Malevich geforderte Gegenstandslosigkeit, eben keine Abstraktion, sondern eine vollkommene Neubelebung von Symbolen bedeutet: Ihre alte Bedeutung gilt nicht, ihnen wird neue verliehen.

Auch El Lissitzkys „Roter Keil“ findet Platz in Ausstellungen, hier in Berlin:

© postmondän bei Instagram

Allein dass der Konstruktivismus einen neuen Zugriff benötigt als er durch klassische Ausstellungen gegeben werden kann, ist schon ein erstes Indiz für die Problematik der Aufbereitung ihres Werkes im K20.

Wenn schon ihr eigenes Denken anders funktioniert?

Albers selber war als Lehrerin im Black Mountain College (North Carolina) überaus beliebt und bekannt. Ihre pädagogischen Methoden legen dabei zu gleich ein Zeugnis davon ab, wie sehr ihre Kunst auch außerhalb klassischer Verständnisse zu verstehen ist – ihr eigenes Herangehen möchte ich hier also als Argument anführen. So war es nicht unüblich, dass sie ihre Studierende an einen Strand setzte und diese sollten, lediglich aus den Materialien, welche sie umgaben, nun Gegenstände errichten. Diese Gegenstände waren nicht nur funktional (sie schützten vor Sonne), sondern können durchaus als sehr ästhetisch verstanden werden; ihre Form und Aussehen war häufig sehr unüblich. Weiterhin hat sie Schmuck geschaffen, aus Gegenständen, die sie „einfach zur Hand“ hatte: Haarnadeln, Siebe, Kronkorken. Hier deutet sich das ursprüngliche Element eines konstruktivistischen Denkens an: Baue die Welt neu, mit den Dingen, die du hast.

Anni Albers Anfang der 1930er Jahre, fotografiert von Josef Albers, © The Josef and Anni Albers Foundation / Kunstsammlung NRW.

Bauhaus neu denken

An dieser Stelle verschmelzen Bauhaus und Konstruktivismus zu einer Einheit und enthüllen einen Geist, der nur als modern beschrieben werden kann: Ablösung von bekannten Traditionen und Erschaffen neuer Bedeutungs- und Funktionselementen, durch die Fähigkeiten jedes einzelnen und erlernbar für jeden einzelnen.

Möchte man Anni Albers also ausstellen, sodass ein Zugriff erlangt werden kann, der ihrem Ausdruck gerecht wird, darf nicht in den Formen standardisierter Ausstellungsformate gedacht werden. Eine Kunst wie die von Anni Albers, hat doppeltes Ausbruchspotential: Sie schafft eine neue Sphäre der Hegemonie, in dem sie sich, schon durch ihre Ausdrucksweise, klassischer Ausstellungspraxis entzieht, ebenso durchbricht sie tradiertes Kunstdenken. Ganz im Sinne des Bauhauses, so führt Anni Albers uns vor, ist unsere Welt, jetzt genau, die uns umgibt, Objekt unseres eigenen, künstlerischen Ausdrucks und wir können sie gestalten, neu erfinden und stets umbilden.

Die Ausstellung „Anni Albers“ läuft vom 09.06. bis 09.09.18 im Düsseldorfer K20.


Fabian Korner studiert seit 2014 Philosophie und Germanistik an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Im Rahmen seines Studiums beschäftigt er sich mit den politischen Momenten von Kunst und Kultur. Dabei geht es ihm stets darum, Ausstellungen, Theater, Literatur oder alternative Formate nach ihrer Aktualität zu befragen. In diesem Zusammenhang erfolgt eine Auseinandersetzung mit Kultur, die stets die Frage stellt: „Und was soll ich jetzt damit machen?“

Beitragsbild: © Achim Kukulies / Kunstsammlung NRW

Von Amateur zu Amateur. DIY-Kult-Filmemacher Dirk Oetelshoven und Jens Barlag im Interview

Anarchie war immer eine der Urtriebfedern des Films“ – zumindest aber ist sie es für den No-Budget-DIY-Epos Amateure. Den Film drehte Dirk Oetelshoven, als die fetten Jahre vorbei waren, in Ko-Regie mit Jens Barlag. Warum sie dies taten, wie der Film sich im anarchischen Kino verortet und warum ausgerechnet Robbie Williams mitspielt, erzählen sie im Interview.

Zur Orientierung: Dirk Oetelshoven, geboren 1968 in Remscheid, ist seit Schulzeiten fasziniert von Film und Theater, als Darsteller sowie als Regisseur und Autor. Die ersten Erfahrungen sammelte er mit den Theatergruppen „Hootons wilde Komödianten“ und „Brot & Spiele“. Mit der Letzteren hat er viele preisgekrönte Kurzfilme gedreht. Nach dem Studium an der Kunsthochschule für Medien Köln arbeitet er u. a. auch als Cutter für TV und Kino (z. B. Die fetten Jahre sind vorbeiDie Summer meiner einzelnen Teile). Dirk ist verheiratet mit der Videokünstlerin Magdalena von Rudy und lebt zusammen mit ihr und ihren beiden Söhnen in Wuppertal. Jens Barlag, geboren 1967 in Nordhorn, Germany, wiederum studierte an der Kunsthochschule für Medien Köln von 1995 bis 2000. Um ihren 2009 veröffentlichten gemeinsamen Film Amateure dreht es sich im Folgenden.


Euer Film Amateure ist „so geil, du lachst Kotze“. Was ist sonst noch so alles zum Kotzen/Lachen/Klotzen/Koten/usw.?

Dirk

Worte mit K sind komisch; „Kruzifix“, „Karambolage“ ist komisch. „Kakerlake“ ist sogar sehr komisch. „Amateure“ ist nicht komisch. Also das Wort, mein ich …

Jens

Ich finde „kotzen“ und „koten“ nicht witzig und „Kotze lachen“ erst recht nicht, sondern eher ekelig. Allerdings ist „Amateure“ auch nicht witzig, den Film meine ich.

Als Alternativtitel kämen in Frage: „Schaben“, „Suppenhelden mit Schlumpfhoden“ oder „Tragödem – Desolat-Aggregationen“ – wie wichtig ist das Depressive in der Kunst?

Dirk

Um es mit Mel Brooks zu sagen: Tragödie ist, ICH haue mir mit dem Hammer aus Versehen auf den Daumen. Das tut weh, ich bin schlecht gelaunt etc. Komödie ist, DU wirst vom Bus überfahren und stirbst!

Jens

Ich mag traurige Lieder, traurige Filme und traurige Menschen.

Welche Bedeutung haben das sog. Fremdschämen und verwandte Geschmackskniffe?

Dirk und Jens

Besser Fremdschämen als fremdenfeindlich!

Nur Dirk

Aber ernsthaft: Ich glaube, wenn Trump, Putin, Erdogan, Wilders, Petry, LePen, Farage, Johnson, Imperator Palpatine für den Bruchteil einer Sekunde spüren könnten, was sie in anderen Menschen für Gefühle auslösen, sie würden sich vor Scham in Meerschaum auflösen. Nicht in diesen schönen weißen Meerschaum, sondern diesen öligen, gelben, nach Fäulnis und Fisch stinkenden Meerschaum.

Jens

Ich glaube nicht, dass die Damen und Herren wasserlöslich sind, aber schön wäre es. Fremdschämen ist immer scheiße und fremdenfeindlich ist noch mehr scheiße.

Einer der Superhelden im Film heißt TRAFO, seine Sidekick-Freundin LUX; ein anderer nennt sich AKKU. Ergeben die drei in Kombination irgendeine relevante Gerätschaft, von der ich wissen sollte?

Dirk

Das ist doch klar: Natürlich die WDR-2-Schütteltaschenlampe!

Jens

Als der Film gedreht wurde, war das iPhone noch nicht erfunden, wir waren immer unserer Zeit ein Stück voraus.

Was steckt hinter dem Plakat von Robbie Williams in Jürgens Wohnung (außer Tapete natürlich)?

Dirk

Dahinter steckt der vergebliche Versuch unserer Praktikantin, auch Ausstatterin sein zu wollen.

Jens

Ich dachte immer, dass die Praktikantin zu faul war, das Bild abzuhängen.

Ich habe polnische „Vogelmilch“ probiert und war enttäuscht – deutsche Süßigkeiten sind doch gar nicht so übel?

Dirk

Vergiss es. Nur der Mangel macht’s. Aus ihrem Bonbon-Stanniolpapier basteln die Polen wahre Kunstwerke! Kleine bunte Kirchen oder Paläste. Wow!

Jens

Sorry, da bin ich raus.

Was ist vom Bedingungslosen Grundeinkommen zu halten, das immerhin für 1000 Gramm Brot und 12 Spiele reichen müsste?

Dirk

Nur her damit, und dabei gehts mir gar nicht ums Geld, sondern: Wie sähe eine Welt aus, in der jeder nur noch das macht, was ihm Spaß macht? The Walking Dead oder Star Trek: The Next Generation?

Jens

Anarchie war immer eine der Urtriebfedern des Films, auch wenn ich das erst Jahre später begriffen habe.

Wodurch sollte der übliche Büroalltag am ehesten ersetzt werden, um alle akuten gesellschaftlichen Probleme endlich in den Griff zu bekommen: Nazighuule, Macrogol oder Antihistaminika-Horrortrips?

Dirk

Definitiv Nazighuule. Endlich mal ein Wort, das man nicht googeln kann!

Ansonsten vertrau’ ich auf die Entwicklung der KI, die uns alle Arbeit abnehmen wird. Ich hör jetzt schon mal auf zu arbeiten, damit es schneller geht. Doch auch die KI wird irgendwann die Schnauze voll haben, also sollte die KI vielleicht nicht zu I sein.

Jens

Und wir singen im Atomschutzbunker: „Hurra, diese Welt geht unter!“ Auf den Trümmern das Paradies.

Wie schneidet Helges Jazzclub im Vergleich zu seinen anderen Filmen ab?

Jens

Muss zugeben, dass das der einzige Schneider ist, den ich noch nicht zu Ende gesehen hab. Was sagt das über mich?

Dirk

Im Wendekreis der Eidechse dagegen ist ein kleines Meisterwerk meiner Ansicht nach. Hugos Ansicht nach auch! (Mein Sohn, 10.)

Jens

Mit Helge Schneider konnte ich nie was anfangen, Terror 2000 finde ich weitaus besser.

Was ist zum zeitgenössischen deutschen Film zu sagen?

Dirk

Hallo, zeitgenössischer deutscher Film, aber ich kann heute leider wieder nicht, sorry …

Jens

Jetzt mal eine ernste Antwort: Da gibt es eine Menge Dreck, aber ein, zwei Perlen sind dabei.

Welche Geheimtipps des (nicht ausschließlich deutschen) Indie-Kinos wären nennenswert?

Dirk

Super von James Gunn natürlich, auch wenn er alles geklaut hat von uns, aber man muss auch gönnen können.

Jens

Da schließe ich mich an.


Den gesamten Film Amateure gibt’s hier:

Quelle: YouTube