Russian Circles – wider die Eingängigkeit

Brachial und ohrenzerschmetternd, harmonisch und melancholisch. Russian Circles, Post-Rock-Trio aus Chicago, erfüllen die Kriterien ihres Genres und trotzen dennoch dessen Stereotypen. Im Leipziger Conne Island präsentierten sie nun ihr neuestes Werk Guidance. Mit dabei: Helen Money und das Cello.


07.11.2016, Conne Island, Leipzig

Vor wenigen Wochen noch fand sich das Conne Island als nicht wegzudenkende Institution der Leipziger Kultur- und Politlandschaft mehr oder weniger freiwillig in den Schlagzeilen der großen Verlagshäuser des Landes wieder. An diesem Novemberabend sollte der politische Diskurs jedoch einmal in den Hintergrund rücken, um stattdessen instrumentellen und sinfonieartigen Klangwerken im Post-Rock-Format eine Bühne zu bieten.

Als Support betrat zunächst Helen Money die Bühne im nahezu ausverkauften Kulturzentrum in Connewitz. Die Instrumentalistin, die eigentlich Alison Chenley heißt und im kalifornischen Los Angeles beheimatet ist, kehrte zurück zur ursprünglichen Bedeutung des Terminus der Solokünstlerin. Lediglich mit ihrem Cello ausgestattet komplettierte sie ihre Bühnenpräsenz, dies jedoch mit einer solchen Wirkung, dass man eher dazu neigte, mindestens ein Quintett vor sich zu haben. Die klassisch studierte Cellistin nutzte die ganze Bandbreite ihres Instruments und ging sogar darüber hinaus. Angeschlossen an einen Verstärker machte sie die hervorgerufenen Rückkopplungen zu ihrer Kunst, indem sie das Cello in sämtliche Richtungen manövrierte. Mit einem kleinen Dankeschön überließ sie schließlich dem Hauptakt das Podest.

Der nannte sich an diesem Abend Russian Circles. Das Trio aus Chicago offenbarte sich klanglich als noch einnehmender und kommunikativ als noch weniger redselig – wie bei ihnen üblich, verloren sie während ihres Auftritts nicht ein einziges Wort. Damit taten sie niemandem im Publikum unrecht, knüpften sie doch auf diese Weise argumentativ an ihr instrumentelles Werk an. So hielten sie sich selbst im Hintergrund und waren aufgrund der Lichttechnik nur schemenhaft zu erkennen. Nur die Silhouetten zeigten Regungen, die sich gewissermaßen an diejenigen des Publikums anschlossen.

Quelle: YouTube

So spielten sie ihr Set herunter, das nicht unwesentliche Teile ihres im August veröffentlichten Longplayers Guidance beinhaltete. Dieser Spielplan hatte es jedoch in sich. Neben den harmonisch und teils melancholisch angeschlagenen Tönen waren es vor allem die brachialen Riffs sowie der dominante Einsatz der Drums von Dave Turncrantz (für den ein Ventilator essentiell zu sein scheint), die den Raum mit einer wahnsinnigen Lautstärke und überbordender Vibration auf links drehten. Ein nicht allzu schwerwiegend anzumerkender Kritikpunkt ist somit, dass das Conne Island für das Volumen der Russian Circles eventuell etwas zu klein geriet.

Kompositorisch bewegt sich die Band ohnehin in eigenen Gefilden. Angesichts der Tatsache, dass die Chicagoer ihre Herkunft in einem der Epizentren des Post-Rocks sehen dürfen, bleibt ihnen kaum etwas anderes übrig, um aus der Menge hervorzustechen. Zwar definieren sie sich vor allem durch experimentelle Songs, die meistens die Sechs-Minuten-Grenze überschreiten. Ebenso verzichten sie auf einfache Stilmittel wie das Crescendo, das letztlich kathartisch in einer Explosion mündet, sodass die Strukturen unvorhersehbar bleiben. Dennoch müssen Russian Circles Alleinstellungsmerkmale zugutegehalten werden. Diese sind wohl am ehesten darin zu sehen, dass die Band sich nicht davor scheut, sich gleich mehrerer Stilrichtungen wie allen voran dem Metal und Post-Hardcore zu bedienen und mit ihren eigenen Interpretationen in Verbindung zu setzen. Diesen charakteristischen Weg, mit dem sie düstere und emotionale Erzählungen vertonen, verfolgen sie auch in ihrem nun sechsten Studioalbum. Und damit ließen sie die an diesem Abend anwesenden Zuhörer٭innen unisono mit gedämpften Trommelfellen und imponiertem Wohlwollen zurück.

Titelbild: © Chris Strong

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