Er kommt aus dem Hamburger Underground, hat bereits in zahlreichen Städten Deutschlands gespielt und arbeitet derzeit an seinem vierten Album. Der Rest singt deutsch, klingt dunkel und steht knöcheltief im Post-Punk. Als aktueller Support von Front Line Assembly wird er nun erstmalig im Ausland auftreten.
06.03.2016, LOGO, Hamburg
Es ist Sonntagabend und bannig kalt in Hamburg. Das sollte aber nicht weiter stören, denn wenn ein Konzert im LOGO ansteht, kann man gewiss sein, dass es dort muggelig warm wird. Ungefähr 150 Menschen gemischten Alters sind hier, um die kanadische Kombo Front Line Assembly zu sehen. In Liebhaberkreisen der Electronic Body Music und des Post-Industrials ist sie bereits ein alter, liebgewonnener Hase. Unniedlich, versteht sich. Dunkel-elektronischer Hardcore, der zum Abfeiern einlädt. Zwar bin ich dem nicht abgeneigt, aber eigentlich der Vorband wegen hier. Postmondän goes Post-Punk.
Sie nennen sich Der Rest und kommen aus Hamburg. Heimspiel also. Vielleicht hat der eine oder die andere schon mal von ihnen gehört oder sie in irgendeiner Großstadt Deutschlands live erlebt – nicht sehr unwahrscheinlich, denn Der Rest tourt seit einigen Jahren immer mal wieder durch die Bundesrepublik. Wer keine Ahnung hat, von wem ich rede, sei herzlich eingeladen, ein wenig mehr über die zwei-drei-köpfige Band zu erfahren, die sich vage den Genres Avantgarde-Rock, Post- und Depro-Punk zuordnet und derzeit an ihrem vierten Studioalbum arbeitet. Zwischen dem ersten und zuletzt releasten Album liegen gerade mal drei Jahre. 2014 erschien 10 Lieder für Freunde, das geradeheraus sagt, was es meint und trotzdem einiges im Dunkeln lässt – oder vielmehr Philipp Taraz, Kopf und Stimme der Band.
Quelle: YouTube
Man könnte die poetisch durchwirkte Ungeschöntheit das Steckenpferd der Gruppe nennen. In einer Rezension zu 10 Lieder für Freunde beschrieb der Sonic Seducer treffend, „dass sich die Songs der Norddeutschen vorwiegend im Schatten der menschlichen Existenz aufhalten und in eine ähnliche Kerbe schlagende Bands wie Messer oder Die Nerven wie rumpelige, verzweifelt um Bedeutung ringende Hipsterkapellen aussehen lassen.“
Woanders wurde Der Rest argwöhnisch als Teilruine der Hamburger Schule beäugt; das Bandkredo „Nicht Pop und nicht Indie, nicht Liedermacher und nicht Rock“ hat sich mit der Zeit jedoch immer stärker behaupten können. Auf Konsole wiegen die besagten thematisierten Schattenseiten des Lebens schwerer als auf der Bühne, während der mal rockig treibende, mal doomige Sound in beiden Formaten überzeugt.
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Ist es Zufall, dass Abwärts damals schon sangen „Und der Rest fährt im Sonderzug zur Endstation“ oder ist es umgekehrt Der Rest gewesen, der sich davon inspirieren ließ?… Jedenfalls wird er im Mai 2016 mit Abwärts unterwegs sein, nachdem er Front Line Assembly noch ein bisschen durch Europa begleitet hat. Man darf gespannt sein, wie die deutschsprachige Band im Ausland ankommt – ein kleiner Schritt ins Ungewisse, ein großer Schritt für Der Rest.
An diesem Sonntagabend standen Philipp Taraz und Bassistin Jeannine Max zum ersten Mal mit einem neuen Schlagzeuger auf der Bühne. Die drei wirkten wie ein eingespieltes Team und rock’n‘rollten fast pausenlos mit 12 Liedern im Gepäck, davon 4 neue, das LOGO. „Was, wenn dies mein Ende ist?“ wirft Taraz zu Anfang immer wieder ungerührt ein, um später in einem ziemlich Hardrock-inspirierten Stück zu skandieren: „Wir wollen den Horror!“ Mit Dein Lächeln verabschieden sich die Hamburger für diesen Abend – „Alles wieder normal“.
Nach einer kurzen Umbaupause betritt der Hauptact die niedrige Bühne und bringt die bunkerartige Location endgültig zum Brodeln: die EBM-Partypeople tauen endlich auf. Abgesehen davon, dass sie unterschiedlicher kaum sein könnten, stehen sich die beiden Bands auf der Bühne in Sachen musikalischer Härte nichts nach. Siedepunkt erreicht!
Unter anderem spielt Der Rest am 25.03.2016 im K 17, Berlin.
Die Mai-Tourtermine mit Abwärts gibt es hier.
Titelbild: © Le Colmer
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