Alle Artikel von Daniel Ableev

Adobe-Quiz mit Katrin(terview) Salentin(view)

Katrin Salentin, die man auf www.katrinsalentin.de (und hoffentlich bald auf masterclass.com unter „Teaches the Art of Analogue and Digital Collage“) findet, meistert mit Bravur ein paar knifflige Fragen zu Photoshop – and then some …


1. Was wäre ein coolerer Name für „Photoshop“?

krēˈādər, CreatorTool, Composer, Frauder, Ersatzteillager, Bildschatz. Für mich ist es mein Vokabelheft, das ich schon mit zahlreichen Vokabeln gespeist habe. Mit jedem Strg+N bilde ich neue Sätze, versuche die (nur) mir bekannte Grammatik zu umschiffen.

2. Was ist von einem Kinderbuch zu halten, das „Leichenfund“ im Titel hat?

Hierbei kann es sich nur um einen Sehfehler handeln. Weil das Buch von anderen Dingbüchern verdeckt wird, ist der Titel nicht in Gänze zu erkennen. Möglichkeiten der vollständigen Titel sind: „[G]leichenfund“, „[B]leichenfund“, „Leichenfund[länder]”. „[G]leichenfund“ ist ein ermüdendes Mathematikbuch für die Unterstufe. Lee/hrstunden über das Lösen von Gleichungen. Für ein Vollbad in guter Vorbildung. Bei „[B]leichenfund“ handelt es sich um einen Geschichtenband, der über das Verschwinden der Sonne narrativiert. Der sich ausbreitende Schatten nimmt das Lachen und die Farbe aus den Gesichtern. Die Entdeckung einer neuen Hunderasse wird in „Leichenfund[länder]” verhandelt. Eine Abenteuerreise, begleitet mit viel Fotomaterial – und Entdeckervideos, abrufbar per QR-Codes.

Und insgeheim macht sich doch der Gedanke breit, keinem Sehfehler zu erliegen. Sondern einer Verweigerung des Erkennens. Grau, rosa, dunkelgrün. Graublau. Viel Unsicherheit, Leichtigkeit. Und ein Rasensprenger. Bilder steigen in mir auf, die ich gerne zu diesem Buch collagieren möchte. Es ist kein Kinderbuch. Es ist die Erinnerung aus der Erwachsenenwelt an eine Kindheit.

3. Welche Photoshop-Funktionen sollte es geben, welche dürfte es geben, welche wird es nie geben?

Niemals sollte es DIE Entertaste geben, die das Bild, das Foto, die Illustration mit einem Klick fertigstellt. Zwar würde das viele Grübelstunden ersparen, viel Digitalpapier, viele Nein-Ordner, die im Papierkorb landen. Aber eben genau das würde fehlen, das un/gute Kribbeln, das Tüfteln, das Lösen(wollen), die Zweifel (die grauen Haare nicht). All das, was das Bildwerden ausmacht. Inmitten von Loslassen, Akzeptieren, Finden, Erkennen.

Es darf die Taste geben, die fertiggestellte Bilder mittels einer Tastenbetätigung oder Tastenkombination automatisch für Dokumentationszwecke auf die Künstlerwebsite stellt und in Social-Media verbreitet – selbstverständlich mit passendem Textstatement und H#shtags.

4. Welche Dinge sollten häufiger aus Wänden kommen?

Nägel, Schrauben, Dübel – dann hängen sich die Bilder von alleine auf. In dem Moment, wenn die Wasserwaage an der Wand liegt und der Bleistift die Markierung setzt, ploppt der Nagel aus der Wand. Jede Wand gibt ihren spezifischen Nagel heraus. Drahtstifte, verzinkt oder aus Eisen, Stahlstifte, rostfreie Messingnägel, Schraubnägel, Ankernägel und Senkkopfschrauben. Ist ein Dübel zwingend nötig, ist auch er dabei. Welch eine Erleichterung.

5. Was sind die 3 wichtigsten Durchbrüche, die Adobe in den letzten zwölf Jahren geglückt sind?

„Lassen Sie den Computer nicht zu viel arbeiten.“ Ein Satz meines Professors vor über 12 Jahren. Lag mir lange Zeit wie eine Vorschrift auf dem Magen. Zwar war es sicherlich nur als ein RatVorschlag gemeint (das Gegenteil von gut ist gut gemeint), hat sich aber eingebrannt und hängt seitdem wie eine unsichtbare Regel an meinem Kopf. So habe ich stets versucht, viele Programmfunktionen zu umgehen. Meine Arbeit gleicht der meditativen Modifikation von Pixelgewebe. Will sagen: ich kenne mich mit Adobe nur unzureichend aus und kann nicht auf die Beantwortung der Frage eingehen. Eine Unterscheidung zwischen: a) „neue Funktion“ und b) „das gibt es schon seit etlichen Jahren“ kann ich nicht vornehmen.

6. Wie punktet man in ekelerregenden Teammeatings?

Tanzend den Raum verlassen.

7. Wenn die menschliche Existenz eine *.psd-Datei wäre, wie viele Ebenen hätte sie?

Bin mir nicht sicher, ob das die richtige Frage ist. Die Frage stellt sich nicht nach der Anzahl der Ebenen. Vielmehr müsste die Frage lauten: Wie sieht die Systematik einer *.psd-Datei aus, die das Überleben einer solchen Datei sichert? Die Ebenen wären wohl bestens organisiert. Jede Ebene, jede Gruppe so in Reih und Glied, dass das Zusammenspiel aufeinander angewiesener Datensätze/Organe reibungslos funktioniert. Eine Schönheit an guter Inszenierung. Und dennoch würde ich durch diese scheinbare innere Ordnung kein Durchkommen finden. Mein eigener Ordnungswille, den ich gerne den Dateien aufzwänge, würde an dieser scheitern. Ver(w)irrt wäre ich, die Datei würde mich ständig austricksen. Ebenen abstrahieren, kopieren, verzerren ___ nicht möglich. Überspeichern, löschen, hinzufügen, ausdrucken … begleitet von Error und Fehlermeldungen.

8. Ist „Mensch“ überhaupt ernst gemeint?

Ist es ernst gemeint, dass wir für jede Seite, die wir im Internet aufrufen, entscheiden müssen, welches Keksrezept wir akzeptieren? HRN] Man*n und Frau sollte sich selbst jedenfalls nicht immer allzu ernst nehmen.

Beitragsbild: © Katrin Salentin

Wir sind ein kleines, unabhängiges und kostenfreies Kunst-Magazin. Hast du Lust, uns zu unterstützen und dabei gut auszusehen? Dann schau mal in unserem Support-Shop vorbei.

Maximales Jokschusview

Max Jokschus, mit dem unser Autor Daniel Ableev (also ich) über Diesel & Jena klönschnackuliert, wurde am zweiten Dezember 1992 in einem Zwickauer Krankenhaus geboren, woran er sich aber nicht mehr erinnert. Seit Erinnerungen existieren, nehmen Bilderbücher, Gedichtbände und Horrorfilme einen großen Stellenwert ein. Aktuell lebt er in Leipzig, arbeitet dort halbtags an der Uni und die andere Hälfte an einer Promotion über den Horrorfilm. Obwohl sein Tag damit ausgeschöpft ist, stiehlt er sich regelmäßig ein paar Extrastunden, in denen er kleine Reimereien verfasst und bebildert.


Welche Tools benutzt du zur Erzeugung deiner Kunst?

Ein Surface Book (teuer) und FireAlpaca (das Gegenteil).

Was ist schwarz-rot-gelb und trägt zur Novelle888 bei?

Eine Koalition aus CDU, SPD und FDP, die Orthographie strafbar macht.

Nicht ganz, Urus war gemeint. Was sind einige Vor- und Nachteile des Künstlerseins?

Das wüsste ich auch gern.

Unter welchen Bedingungen würde Sarah Palin auf einem Ursus die Prämisse für eine fesselnde Graphic Novel ergeben?

Unter der Bedingung, dass Orthographie strafbar ist und die Sprechblasen voller Kringel und Flecken sind. Ansonsten leider aussichtslos.

Wobei ich mich freue, klugscheißerisch anzumerken: Bei Urus Palin bitte keine Verwandtschaft zur amerikanischen Politik unterstellen, sondern allein zu Palinurus elephas.

Wer inspiriert dich und wen inspirierst du?

1) Edward Gorey und Mike Mignola; 2) niemanden, der mich kennt.

Wer oder was ist unbedingt in mJok (Millijokschus) zu messen?

Die Kratzigkeit des Hustens im Verhältnis zur Versicherung, man sei wirklich nicht krank.

Mit welchen Adjektiven (bzw. Interjektionen, Partikelkanonen usw.) würdest du am ehesten deinen Stil bezeichnen?

Preisunverdächtig. Wohlig. Hmm.

Welche unmittelbaren Privilegien ergäben sich aus einer sublimen Mensch-Languste-Bastardisierung?

Wahrscheinlich hätte es keine Covid-Pandemie gegeben, denn Langusten haben keine Lungen (glaube ich). Gewisse Konflikte mit jüdischen Speisegesetzen ließen sich aber nicht kleinreden.

Was sind deine cleversten Lebenssinnhaftigkeitsvorgauklertricks?

Thomas Ligotti nur in kleinen Dosen lesen.


Urusvon Max Jokschus gibt’s online, in den Headquarters of Experimentalism.

Titelbild: © Max Jokschus

Wir sind ein kleines, unabhängiges und kostenfreies Kunst-Magazin. Hast du Lust, uns zu unterstützen und dabei gut auszusehen? Dann schau mal in unserem Support-Shop vorbei.

Interliefiew – Im Gespräch mit Thomas Liefhold

Im folgenden Gespräch mit Thomas Liefhold – geboren in 1984, aufgewachsen in Gera, lebend in Mannheim – geht es nicht zuletzt um Cindy Told Him of the Sea, seine 2020 erschienene Sammlung generativer Maschinengedichte. Nagesake hingegen bleibt relativ unerwähnt.


Drei meiner Lieblingsautoren sind Burroughs, Brautigan und Beckett – und deine?

Gerade sind das wahrscheinlich Agnar Mykle, John Fante und Tove Ditlevsen.

Welche Dienstleistungs-App wärst du am liebsten?

Translate von Google.

Drei meiner Lieblingsbands sind Redemption, Jean-Michel Jarre und Carlo Domeniconi – und deine?

Die letzten Titel, die auf meinem Handy liefen, waren von Leighton Craig, Glorious Din und Mary Halvorson.

Wie lange noch bis zum ersten Auto-Complete-Herrn?

Das kommt darauf an, wann ich wieder länger auf Reise gehen kann. Die Gedichtsammlung, die du ansprichst und die ich 2020 unter dem Titel Cindy Told Him of the Sea herausgebracht habe, hatte ja eine solche längere Reise zum Anlass. Ich war sechs Monate unterwegs und habe einfach notiert, was Google Translate an Gedichten fabriziert, sobald die App versucht, thailändische oder vietnamesische Rezensionen ins Englische oder Deutsche zu übersetzen. In den USA, Mexiko und Guatemala gab es da keine Probleme, aber in Südostasien wusste die App phasenweise wirklich nicht mehr weiter. Die Algorithmen sind zumindest heute noch nicht so vollständig fehlerfrei, wie wir manchmal glauben, und das ist irgendwie beruhigend, denn aus den Fehlern der Maschine entsteht manchmal etwas sehr Poetisches. In Vietnam hieß es beispielsweise über ein Restaurant, dort stünden „vier Tassen Licht“ auf der Speisekarte, und über ein Ausflugsziel in der Nähe von Hanoi hatte jemand geschrieben, man sehe „die Berggeister im Nebelmeer spielen“, sobald man ein paar Treppenstufen eines Tempels nach oben gehe oder etwas in diese Richtung. Was derjenige wirklich geschrieben hat, kann ich nicht sagen, aber was Google verstanden haben will, ist klasse. Diese unfreiwilligen Gedichte habe ich festgehalten.

Drei meiner Lieblingsvideospiele sind Super Mario World, Pony Island und Monument Valley – und deine?

Ich habe mit meinem besten Freund aus der Grundschulzeit viele Nachmittage im Zimmer seines Bruders verbracht, um ihm beim Spielen am Sega Mega Drive zuzusehen. Ich erinnere mich noch ziemlich genau an Streets of Rage 2, was eine Art Prügelspiel war, das man auch zu zweit spielen konnte, aber dazu kam es meist nicht, weil uns der Bruder meines Freundes nur selten an die Konsole ließ. Damals fand ich es unglaublich, dass man als Vierzehnjähriger einen eigenen Fernseher und eine Konsole besitzen konnte. Vor drei Jahren habe ich in Mexiko einige Wochen lang Stardew Valley gespielt, während meine Freundin im Pazifik surfen war. Wir sind am Morgen gemeinsam aufgestanden, die anderen Zimmer im Hostel lagen da noch totenstill, und dann lief Kathrin in Richtung Ozean und ich habe Kaffee gekocht und im Bett meine Farm aufgebaut und erst wieder aufgehört, als Kathrin drei Stunden später völlig erschöpft vom Strand zurückkehrte.

Worum geht es in deinem Blog Das Jahr der Fahnen?

Um dieses Jahr. Ich wusste im Januar, dass mein Roman im Sommer erscheint, ich wusste auch, dass ich einen neuen Job antreten werde oder vielmehr muss. Anfangs habe ich an einen Umzug gedacht und an eine neue Stadt, manchmal sogar an eine längere Reise. Aber das hat sich schnell zerschlagen. Außerdem war mir klar, dass ich dem Schreiben endlich vertrauen muss, weil es anders gar nicht mehr geht, und ich wollte unbedingt festhalten, was in diesem beweglichen Jahr mit mir geschieht, denn dieses Jahr stellt für mich so etwas wie eine Entscheidung dar, und deshalb dachte ich, am Ende macht es womöglich Sinn, über ein entscheidendes Jahr zu schreiben und herauszubekommen, ob es tatsächlich so entscheidend wird, wie man anfangs denkt. Außerdem geht es im Jahr der Fahnen um das kontinuierliche, tägliche Schreiben, auch wenn manchmal ein paar Tage zwischen den einzelnen Einträgen liegen. Ich arbeite jeden Tag etwas und erinnere mich plötzlich wieder an Dinge, die fünfzehn oder zwanzig Jahre lang nicht mehr da gewesen sind, und dann denke ich, irre, dass so etwas möglich ist, dass die Dinge überhaupt wieder auftauchen können, denn dafür gibt es ja weder einen Grund noch eine Garantie. Mittlerweile glaube ich sogar, dass ich im Jahr der Fahnen einen solchen Grund oder Anlass für mich selbst geschaffen habe, einen Anlass für die Rückkehr der Dinge sozusagen, für ein paar bedeutende oder unbedeutende Erinnerungen, für das Auftauchen meiner verlorenen Freunde, an die ich mich nicht mehr oder nur indirekt zu schreiben getraue, für die viele vergeudete Zeit, die ich mir wahrscheinlich immer zum Vorwurf machen werde. Ich versuche noch immer, aus allem herauszukommen, ohne wirklich zu wissen, was ich damit meine, und für dieses Gefühl ist das Jahr der Fahnen am Ende da.

Drei meiner Lieblingsfilme sind Lost Highway, Begotten und Everything Is Terrible – und deine?

Die Feuerpferde von Paradschanow fallen mir ein, Licht im Winter von Bergman und Ariel von Kaurismäki. Aber auch 2001: A Space Odyssey von Kubrick, alles von Tarkowski, Kurosawa und Ozu, Idioten von Lars von Trier. The Act von Killing habe ich in einem komplett leeren Kino in Wien gesehen, als der Film gerade rausgekommen war, und er hat mich damals völlig umgehauen und mitgenommen, so etwas habe ich danach nie wieder erlebt. Leider habe ich von Filmen nur eine oberflächliche Ahnung und zähle mit Sicherheit zum sentimentalen Publikum. Ich finde also alles gut, was ich mit mir selbst in Verbindung bringen kann.

Wie seltsam wird dein erster Roman Gärten in der Wildnis?

Der Roman selbst ist hoffentlich nicht seltsam, aber was mit meinem Erzähler passiert, wahrscheinlich schon. Seltsam ist hier vielleicht sogar eine ganz gute Beschreibung. Der Roman spielt in naher Zukunft, im Sommer 2029, und das Leben von Jakob, meinem Erzähler, gerät nach und nach völlig aus den Fugen. Eigentlich nimmt er dieses Leben überhaupt nicht mehr als Leben wahr, als Möglichkeit und Chance, als etwas Offenes, denn er hat sich komplett vergraben. Er arbeitet als Texter für fiktive Liebesbeziehungen in einer Agentur und liest durch Zufall von einem Schreibkurs. Schreiben, das wollte er immer, ein Buch, das wäre doch was, darin könnte ja der Ausweg aus der Sackgasse liegen, und deshalb macht sich Jakob zu diesem Schreibkurs auf und das wiederum bringt alles ins Rollen.

Er wird Teil einer Gruppe von dilettierenden Außenseitern und lernt einen verbotenen Schriftsteller kennen, ein euphorischer Abschnitt beginnt für ihn, plötzlich scheint das Schreiben real, und Jakob will von vorn anfangen. Das alles passiert vor einem düsteren Hintergrund – im Roman steckt ziemlich viel Dystopie –, denn die Stadt wird von einer Terrorgruppe heimgesucht, deren Agenda unscharf bleibt, patriotische Bürgerwehren sind allgegenwärtig, man hat alle Obdachlosen an die Ränder der Städte verbannt. Zu allem Überfluss bilden sich dort draußen gerade Wüsten, die Tage sind unerträglich heiß, aber dafür haben Jakob und die anderen keinen Blick. Sie halten weiter an der Kunst fest, darin steckt so etwas wie ein Ausdruck von Freiheit. Und genauso geht es auch Ruben, dem Zentrum des Kreises, zu dem alle aufschauen und der in erster Linie ein brutaler Dichter ist, was Jakob unglaublich fasziniert.

Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Ruben ist mit Sicherheit seltsam, wenn man darunter etwas Zwiespältiges und Besonderes versteht. Vor allem Jakob treibt er an, er ist sozusagen für einen Lichtblick in der allgegenwärtigen Wildnis verantwortlich. Ruben will ganz einfach mehr als das, was uns überall angeboten wird, als wäre es genau für uns und nicht für alle anderen gemacht. Und damit zeigt er Jakob einen Weg aus der selbstverschuldeten Monotonie seiner Tage. Wobei nicht ganz klar ist, wie weit Jakob diesem Weg letztendlich folgt.

Drei meiner Lieblingsvokabeln sind „Trumen“, „Raumzeit“ und „safidal“ – und deine?

„Verunsicherung“ und „Sanftmut“, würde ich sagen.

Wofür sind deine Soundscapes am besten geeignet?

Die haben keinen Zweck.

Drei meiner Lieblingsbildkünstler sind Giger, Dalí und Mœbius – und dune?

Ich mag die Landschaften von David Hockney und die Stillleben von Wolfgang Tillmans. Und ich mag Goodiepals Installationen.

Drei meiner Lieblingsästhetiken sind minimalist’sch, rot-schwarz und transmutiert – und deine?

Das überlasse ich anderen.

Was ist der Sinn des Lebens?

Wer hat auf diese Frage eine spruchreife Antwort?

Titelbild: privat

 

Wir sind ein kleines, unabhängiges und kostenfreies Kunst-Magazin. Hast du Lust, uns zu unterstützen und dabei gut auszusehen? Dann schau mal in unserem Support-Shop vorbei.

doors&beingruen@mayroecker.@

DÖBLING’s BLUDENZ PNEUplatzt
LULUHONIGBrATZEN
FUCKARzT AUFKLAUBENd

[Friederikollage]

Friederike „Unstern über Wien”[1] Mayröckers ωte Makulatour de Force als Volljährige Kunstschrulle avantgärtnert sich mit schlichten Strichninkrüppelchen + Feststelltaste unterm Arm durchs Grusel-Ich zu bewerben, weckt womöglich Neugier. Doch die 200 Seiten starke Promotionsschrift zum Thema „Suadomasochismus“ ist eine eher schwächelnde Verklumpung von im Rahmen endloser Nabelschau gewonnenen Pulmäusen, deren Künstlernamen das lyrische (wortsp)I(el) dropt wie Netflix True-Crime-Shows.


„Althing“, wie die Grande Made des Wirrsals von Erbelke genannt wird, entfuhr im Café Sperl, inzwischen Deutschlands keinstes Endlager für Mottenfallen, jenes Quantum, mit dem sie fast zeitgleich das Einlaufen lernte. Doch schert sich Wunderschräubchen, im Gegensatz zu ihrer Namensvettelin Ingrischlotte, nen zitznassen Raptus um Wurmlöcher, da sie nun mal in die KUNST verknallt ist und hier dement-sprechend so einige Buchstabierflaschen, Malermeister oder Straßenmusiker durchästimiert kriegt. Am meisten steht das von Schmelzhure Zeit angesägte Tantchen allerdings auf deutschen Jugendjargon mit seinen Gabelstaplerfrühstückchen, Gurgeldingers und Klaubuntspechten. Die eine oder andere Lieblichkeit = allerliebst angekuckt! wie Kuckuck = mag das eine oder andere geistreich schmunzelnde Gespenst hinterm Spamofen hervorlocken, zugleich ist die so banan besungene „Sprachverspieltheit“ (vgl. Das Geheimnis dieses neugierig machenden Textes, ein Zwischending aus Ort und Zeit, lässt immer wieder aufhorchen. Das Schreiben am Morgen in seinem überaus fruchtbaren Zusammenspiel mit elegischen Blicken aus der Luke ist die Morgentoilette der Künstlerin und Intellektuellen. Durch eigenwillige Komma- und Beistrichsetzung beschwört die Autorin einen Ort der Träume und damit zugleich ein poetisches Programm herauf, das unbeirrbar Höhepunkte auslotet und um die Bedeutsamkeit des Neugierigwerdens – und -bleibens! –  weiß. Obwoolst ein grauer Schleier des Wenig-Tröstlichen sich über die Sollbruchstelle legt, arbeitet sich die Autorin im Rausch der Kaffeehäuser an jenem unbändigen Wechsel zwischen Lyrik und Prosa, Sub und Optimum ab, der mal als literarischer Lackmustest, mal als moralinverseuchtes Fanal Sollbruchstellen im Konjunktiv aufzeigt. Dabei eröffnet das Spracheffluvium einen Wahrnehmungsraum voller Mosaikschnappschüsse, eine geheimnisvolle Landschaft im poetischen Konjunktiv. Insofern haftet der Liebeserklärung an die Sprache etwas Hommage an – doch kann das funktionieren? Man darf jedenfails auf das nächste Buch gespannt sein – und darauf, wie es der Vergänglichkeit ein Schnippchen schlägt.) derart abkotzig, dass nicht einmal die Aufzählbarkeit von Eigenschaften den dazugehörigen Text veredelt. Ermüdend onanzephale Intellektuellenlängen, die Kunst so viel weniger voranbringen als etwa die von ihr erwähnten Suigeneratoren Beckett oder Schwitters, demontieren einmal mehr Belesenheit, die viel eher Zitier- als Zitierfähigkeit zur Folge hat. Selbst wenn Bildung sicherstellt, dass Salmonellen keine Fische sind und gegen Blutkruste am Mäulchen in 08 von 15 Fällen dnepropetrollhaltige Salben helfen, ist das noch lange kein Grund, zwischen zwei Suhrkamp-Deckel zu keulen. Musensöhne auf Psychonatrium müssen nun mal nicht über jede Noch-so-Umbuschigkeit abbeichten. Zumal Derrida-Fans beim Gamen zuzusehen bisweilen (durch verkapptes Mitleid mit Lutzleichen und vergleichbaren Kawaiitäten charakterisierte) Niedlichkeitsgefilde erschließt, in denen Tandoorian Chicken mit Dekompression und Tod reüssierte – doch kann das funktionieren?

Die draisingende Kultschabracke, deren Metal-Ümlaut leider nicht über logorrhoische Anämie hinwegzutrösten vermag, streamt ihr Conschissness bequem in die heimischen vier Augén, welche wie ein Päckchen Cojones unterm Sacktuch hervorfunkeln und sich, ganz analog zu Licht, mittels Welle-Genital-Dualismus fortpflanzen. Klar will die graphomanische Chimäre im Fichtenwäldchen durchaus noch ein Blättchen vollkritzeln, inzwischen ist es allerdings > 1 Akt, eine Treppe hinab[zu]steigen, schreibt man „dass“, da da, mit Droßßel-p und verzichtet bei einem Lamentation-Buchstabierchen (s. o.) nur unter Extrembedingungen auf „lame“. Denn ein Tag ohne Zeile ist ungefähr so, als würde die Schreibmaschine (eine Ex-Zentrifuge) losheulen, ohne die Tränen vorzuheizen.

Wem sweatshop ein Schweiszgeschäft ist, dem sind sweatpants womöglich auch US-Vize. Wer Frau Freude mit einschlägiger Ode begrüßt, sollte so konsequent sein und dem Taube seinen Kropf abkleben. Und wer den eigenen Vornamen hauptsächlich dazu nutzt, Sublämmer zu befehligen, ist nur eine Frage der Zeit, bis der erste klonende Mumienwurm das Spülicht der Welt erblökt. Jedenfalls muss es schon reichlich spät sein, wenn die Uhr 15er-Potenzen anzeigt und herauskatapultierbare Kausalitätskaskaden „Baum : Knospenkunst = Mensch : Knorpelkunst“ nahelegen.

Indes verzetteln sich glasierte Gürkchen in Traumata wie der am Mond deines Daumennagels […] empor. Kletterndste Verwahrloser aller Zeiten und lyrres Gewürm glotzt mit Geäug aus Enfant the Terribles Damenloch, um Multiples im Vorgarten anzutreffen: dentalsommerliche Krankheitswinde aus der Schattentüte, Deppenapostrophieh macht auch Mist & Last but not Liszt: Sobald GRAMMO‘s BETTELARM überm Rohling v.GAIA zu levitieren beginnt, wird die Baustelle Hirn! blitzschnell mit einem sog. Mäntelchen aus baumelter (Ö-Ton Partizip VIII.) KUNSTSPRACHE verhüllt und gilt von da an als eine Art Brut, die sich nur der allerschlimmste Erzhold von Messi zusammengereimt haben kann. Sich jedoch darauf einen Reim zu machen heißt unweigerlich, in Graz zu beißen.

Die – ganz im Gegensatz zu einem Femtolaserpuls – am ehesten mit Hintergrundstrahlung gleichzusetzende FM-Einheit köchelt also auch nur mit Abwasser, weshalb es statt Siedepunkten bloß wärmliche Schachtelsätze à l’ich schreibe PROEME, schreibe digital gibt. Nebenbei jandlt sich Ready-Mademoiselle durch diverse Ernstigkeitsstufen, von Depressivität über melancholerische Sinti-Mentalität bis hin zum Schwulenpärchen Ruhm & Rühm (née Tieck & Tick), wobei einem enigmatische Maiskolben mit Klomatten v. Vögelchen (inkl. Bubenfrisur) leider kaum begegnen. Stattdessen hat Dr. skrrl. Augenhitze-mit-„Hot Eis“-Gleichsetzer offenbar von Otto gemopst und sollte dringend die Tierzeitung mit vorinstallierter Wurstware – von Tieren fürs Tieren! – abonnieren.

Fazit: Obgleich hier mitunter munter verhext, eingelernt und geteufelt wird, grassiert tendenziell unendliches, b. h. einer stark apoplektischen 8 ähnliches Grindwalium, welches am Schluss als eine Überdosis fnufffnuff fossilisiert – ‘fnuff said.

Friederike Mayröckers da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete erschien am 20.07.2020 bei Bibliothek Suhrkamp. und hat 12.000 Wörter. Weitere Infos unter: novelle.wtf/mayrock-n-roll/.

[1]   Alle Zitate kursiv.

Aber nur dieses eine Interview mit Tobias Premper

Wir fühlen Tobias Premper, dessen aktuelles Buch Aber nur dieses eine Mal, eine Sammlung autobiographischer Notizen, vorhin bei Steidl erschienen ist, auf den Leckzahn.


Wie und wo bist du aufgewachsen?

Ich hatte vergessen, wie inspirierend deine Fragen sind. Ich musste bislang nur ein paar kleine Morde unter Freunden begehen, die aber alle überlebt wurden, auch von mir. Ich frage mich auch manchmal, ob ich mehr Leuten die Augen ausstechen wollte als mich skalpieren wollten. Oder umgekehrt mit dem Faktor 3,25. Und je länger ich diesen Arztkittel trug, desto stärker wollte ich ihn merzen, pollocken, twomblen. So ging’s los.

Wie bist du zum Schreiben gekommen?

Ich hab hier einen geflochtenen Korb, blau lackiert, an manchen Stellen blättert die Farbe schon ab, hat aber sentimentalen Wert. Da sind 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 Hafer-Soja-Drinks und ein altes, Weißhaarige-Männer-junge-blondierte-Frauen-SHAMPOO drin. Weiß manchmal selber nicht, wer von beiden ich bin und welches der Tetra Paks ich als Erstes aufmachen soll.

Welcher Filmemacher, Musiker, Künstler hat dich und dein Schreiben am meisten beeinflusst?

Ein russischer Autor schrieb mal: „Wenn alle im Frack kommen, komme ich auf einer Bulette geritten“, und ich denke, das passt nicht so recht zu deiner Frage. Aber es steht ja bislang auch noch nicht im Grundgesetz, dass alle, die mit dem Hintern wackeln und das dann ins Internet stellen, das Recht auf Verbannung nach Kolyma haben. Leider, leider, leider. Aber das kommt, das kommt. Oder wolltest du über schlechte Bücher sprechen? Einfach wegschmeißen und aufs nächste hoffen. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, selbst bei den schlechtesten Autoren, die die schlechtesten Bücher schreiben. Das kann uns auch mal passieren, dass uns zehn Bücher nacheinander abrutschen. Und dann wollen wir ja auch nicht von unserer Possy fallengelassen werden. Zurück zu deiner Frage: Am schlimmsten ist diese Konfrontation mit diesem „wir“. Ich bin nicht Papst, ich bin nicht Weltmeister, ich schaffe das nicht.

Stones oder Beatles?

Ach, das ist einfach: Verlieb dich in mich. Der Rest kommt dann von selbst.

Was sind deiner Meinung nach einige Meister der Kurzform?

Alle, die mein neues Buch kaufen.

Bist du religiös?

Den Schatten von Zeit nehme ich stets als Loch unter den Armen in meinen ehemals weißen T-Shirts wahr.

Was ist deiner Meinung nach der Sinn des Lebens bzw. gibt es überhaupt einen?

Den willst du gar nicht haben. Da haben die die Beine angesägt und drum herum n riesigen Graben ausgehoben mit so Viechern drin, die dich ganz langsam auffressen. Und was mir zum Thema „Lehrstuhl“ auch einfällt: Starkes Übergewicht und Schweißgeruch, bildlich gesprochen.

Was kannst du uns über Melancholie, Sentimentalität und/oder Depression verraten?

Unwetter können auch mal etwas Gutes haben, so wie ein wirklich gut geschriebener Krimi, der die Charts stürmt. Ich mache da gar nicht Halt vor. Ich lese alles Mögliche, also auch Mainstream-Sachen. Aber selber glaube ich, es gibt da einen bestimmten kleinen Kreis an Menschen, die sich für das interessieren, was ich schreibe, die das auch wirklich gerne lesen. Und das können natürlich immer noch ein paar mehr Menschen sein, überraschend mehr von mir aus. Oder als verdeckte Steuer eingeführt: Ein Buch von Premper ist Pflicht in jedem Haushalt.

Titelbild: © Lillian Birnbaum

 

Wir sind ein kleines, unabhängiges und kostenfreies Kunst-Magazin. Hast du Lust, uns zu unterstützen und dabei gut auszusehen? Dann schau mal in unserem Support-Shop vorbei.

Interspiel mit Laia Alvarez Mestre

Laia Alvarez, Schauspielerin. Geboren in Barcelona. Lebt in Berlin. Passionierte Tangotänzerin. Finalistin von IN ZUKUNFT II als Theaterautorin. Entschloss sich nach längerer Arbeit als Journalistin zu einer Schauspielausbildung, „da sie es ihrem Vater schuldig war“. Zurzeit in der spanischen Fernsehserie Com si fos ahir (TV3) zu sehen. Steht demnächst für den ZDF-Spielfilm Der gute Bulle – Wenn Tote reden (Regie: Lars Becker) vor der Kamera.

Was gibt dir Schauspielerei im Vergleich zu anderen Künsten? 

Ich kann durch sie ein anderer Mensch sein: Ich darf jemanden umbringen, ohne ins Gefängnis zu kommen, ich darf arm sein, ohne zu verhungern, oder unverschämt, ohne dass ich gehasst werde. Wir Schauspieler sind ja sehr neugierig. Wir wollen verstehen, erfahren. Wir lieben Emotionen. Wir suchen Konflikte, pasión … Wir müssen uns selber spüren, um zu wissen, dass wir am Leben sind.

Anders gefragt: Warum bist du Schauspielerin geworden?

Weil ich es leider einmal probiert habe. Schauspiel ist eine harte Droge. Wenn du es einmal probierst, kommst du nie wieder raus … Ich wollte schon immer eine Schauspielausbildung machen, aber mit achtzehn habe ich mich nicht getraut und erst mal einen Umweg eingeschlagen. Während meines Journalistikstudiums habe ich ein Erasmus-Semester an der UDK gemacht. In der Zeit habe ich meinen Freund auf der Bühne spielen sehen. Ich war neidisch. Mein Papa hat vierzig Jahre einen Job gemacht, den er gehasst hat. Er sagte dann zu mir, ich solle das tun, was mich glücklich macht. Ich bin es ihm also schuldig.

Und wo hast du dein Handwerk gelernt?

Genauso wie viele erfolgreiche Schauspieler in Deutschland wollte ich mich eigentlich bei einer staatlichen Schauspielschule bewerben. Aber ich bin Frau, Ausländerin und viel zu alt: keine Chance. Also bin ich bei einer Privatschule gelandet. Es war mir klar, dass es viele Vorurteile gegen Privatschulen gibt – Scheiß drauf. Ich wollte einfach eine gute Schule finden, wo ich an meinen Schwächen und Stärken arbeiten konnte, und habe mich bei einer der wenigen Schulen auf der Welt eingeschrieben, wo man eine Ausbildung nach Michael Tschechow machen kann. Ich möchte, dass die Leute meine Arbeit schätzen, egal, von welcher Schule oder aus welchem Land ich komme.

Wer ist Michael Tschechow und was macht seine Methode so besonders?

Er war Antons Tschechows Neffe und einer der brillantesten Schüler von Stanislawski. Stanislawski sagte einmal: „Wenn ihr meine Methode verstehen wollt, solltet ihr Tschechow studieren.“ Tschechow spielte einmal Hamlet. Stanislawski war so begeistert von seiner Interpretation, dass er ihm sein Beileid aussprach. Er dachte, Tschechows Vater wäre tatsächlich gestorben. Er war aber sehr überrascht, als Tschechow erklärte, dass sein Vater noch am Leben sei … Bei Tschechow ist die Imagination eine der wichtigsten Kräfte im Schauspiel, und diese ist, im Gegensatz zu Stanislawski, unbegrenzt. Aber hey, ich bin eigentlich gar kein Fan von Methoden. Ich habe mit anderen Methoden gearbeitet und bin davon überzeugt, dass man sich aus allem seine eigene Technik zusammenbauen sollte.

Könnte man also von Schauspielern behaupten, dass sie allesamt aus der Tschechowstanislawakei stammen?

Hahahahaha, total. Obwohl in Moment Meisner, Chubbuck u. a. sehr in sind, sind sie am Ende doch alle gleich. Ihre Ansätze variieren halt ein bisschen. Deshalb ist es beim Schauspiel egal, ob man eine Ausbildung in Spanien, Deutschland oder auf La Pampa macht, denn Schauspiel ist eine internationale Sprache. Als ich noch kein Wort Deutsch verstand, habe ich mir trotzdem viele Stücke angeschaut. Ich konnte über die Körpersprache und die Stimmungen erkennen, ob das Stück gut war oder nicht. Wenn es gut war, habe ich es verstanden. Wenn es schlecht war, habe ich mich zu Tode gelangweilt. 

Robert De Niro zum Beispiel ist hauptsächlich eine Rolle, nämlich die des Mafioso, perfekt auf den Leib geschnitten, während einer wie Sean Penn durch Vielseitigkeit überzeugt. Wer (oder was) ist für dich ein guter Schauspieler bzw. ein Vorbild?

Nicht einfach zu sagen. Ein guter Schauspieler ist, wer seine Rolle wahrhaftig spielt und sich verwandeln kann. Es gibt viele, die besonders vielseitig sind, aber nicht wahrhaftig genug spielen, oder andere, die nur einen bestimmten Typ glaubhaft spielen, obwohl sie sonst nichts anderes können. Eine andere Frage ist, ob der Markt es ihnen erlaubt, andere Facetten zu zeigen … Beides zu können ist nicht einfach. Kalki Koechlin hat bei Margarita, with a Straw eine behinderte Frau gespielt. Wenn man sich nur überlegt, was für eine körperliche Arbeit und Recherche dahinter stecken, um so eine Rolle derart überzeugend zu spielen, darf man mit hundertprozentiger Sicherheit behaupten, dass sie eine gute Schauspielerin ist. Schauspiel ist wie Langstreckenlauf: Es geht nicht darum, besser als die anderen zu sein, sondern nie aufzugeben, immer dranzubleiben. Wenn man glaubt, dass man als Schauspieler fertig ist, ist man kein guter Schauspieler. 

Laut Ben Stillers Tropic Thunder hat es ja Sean Penn in dem Drama i am sam mit der Behinderung etwas übertrieben, während Dustin Hoffmann in dem Klassiker Rain Man den Autistenking Peek recht adäquat getroffen zu haben scheint – was denkst du?

Wäre das ein Live-Interview, würde ich wahrscheinlich so was antworten wie: „Also, ich finde, dass Sean Penn bei i am sam … bla bla bla … scheiße ist.“ Ganz ehrlich? Ich hab mir den Film noch gar nicht angeschaut. Soll ich …? Next question, please.

Was machen wir denn jetzt mit Kevin Spacey?

Was soll ich sagen … geiler Schauspieler. Schuldig oder nicht schuldig, sein Name ist für immer verschmutzt. Ob er Glück oder Pech gehabt hat, werde ich nie so richtig erfahren, denn als Spanierin habe ich in die Justiz leider nicht so viel Vertrauen.

Tut mir echt leid zu hören!

In seiner MasterClass weist Spacey einen Schauspielschüler an, seiner Figur eine Verkrüppelung zu schenken. Welche Empfehlung würdest du einem angehenden Schauspielschüler mitgeben?

Zuschauer wollen immer Figuren sehen, die Probleme haben, weil es sonst langweilig ist. Ohne Konflikte gibt es keine Spannung, ohne Spannung ist Theater tot. Mein Tschechow-Trainer sagte immer: „Im Leben sollte man Konflikte meiden, auf der Bühne sollte man sie suchen.“ Das gilt genauso für den Film, klaro.

Worauf würdest du eigentlich eher verzichten – Theater oder Kino?

Für unbegrenzte Zeit: weder auf das eine noch das andere. Es gab in meinem Leben eine extrem anstrengende Zeit, als ich komplett ohne Theater und Film auskommen musste, und ich bin gaga geworden. Wenn ich eine Zeit lang nicht gespielt habe, fange ich an, Quatsch zu machen. Es geht gesundheitlich nicht. 

Besitzt du einen sog. Schauspieler-Daumen, der sich durch eine charakteristische Konkavkrümmung auszeichnet?

Ne … Aber ich kann das Geräusch einer Taube imitieren und in der Luft sitzen. Ist das was? Ansonsten kann ich Tango tanzen.

Kannst du mir ein Beispiel für schlechte Schauspielerei geben? 

Schlechte Schauspielerei siehst du jeden Tag bei den Daily Soaps. Aber weißt du, wie wenig Zeit diese Schauspieler haben, um sich vorzubereiten? Häufig kriegen sie den Text zwei Tage vorher und dürfen nur zwei bis drei Takes spielen, weil die Produktionskosten sonst zu hoch werden. Es gibt keine schlechten Schauspieler, nur wenig Zeit oder unzureichendes Engagement.

Welcher Schauspieler ist deiner Meinung nach überbewertet?

Meine Mama sagt immer, dass ich die beste bin.

Wer ist eigentlich prätentiöser – Schauspieler oder Lyriker?

Der Schaulyrikspieler.

Warum wirken deutsche Filme und Serien so komisch, etwa im Vergleich zu amerikanischen? Deutsche Schauspielerei ist teilweise auch irgendwie seltsam unüberzeugend.

Die Kohle. Eine Low-Budget-Produktion in Amerika liegt zwischen 10 und 15 Millionen Euro. Stell dir mal vor, wie viel eine „normale“ Produktion kostet und wie hoch das Gehalt der Schauspieler ist (Schauspieler verdienen im Schnitt immer noch viel mehr als Schauspielerinnen!). Spielst du in einer amerikanischen Serie, kannst du dir einen Personal Coach leisten, brauchst nichts anderes zu tun, als dich auf deine Rolle vorzubereiten, und musst eventuell nie wieder arbeiten gehen. Die meisten Schauspieler in Europa können nicht davon leben und müssen nebenher anderen Jobs nachgehen. In Spanien zum Beispiel liegt die Arbeitslosigkeit von Schauspielern bei 95 Prozent. Eine Tragödie. 

Ist Shakespeare nicht überbewertet?

Nein. Ich würde mir jetzt nicht unbedingt ein klassisches Shakespeare-Stück anschauen, es sei denn, es interessiert mich etwas Spezielles. Ich habe mich während der Ausbildung schon für die ganzen Klassiker interessiert, und Shakespeare gehört natürlich dazu. Seine Sprache ist schön, aber nicht einfach zu entziffern bzw. zu spielen. Die Gesellschaft, für die er schrieb, hätte ihn allerdings sofort verstanden.  

Ist denn Shakespeare vielleicht unterbewertet? Oder jemand/etwas anderes?

Shakespeare ist „unterverwandelt“. Ich würde gerne mal Romeo und Romeo sehen, 

oder eine schwarze Hamlet-Familie, oder eine selbständige Ophelia, oder oder oder. 

In ihrer Sketch-Comedy Mr. Show machen sich Bob (Odenkirk) & David (Cross) u. a. über Schauspieler lustig, die als dressurbedürftige Dummerles dargestellt werden. Was sagst du dazu?

Schauspieler kommen häufig dumm oder verrückt rüber, das gebe ich zu. Der Klassiker ist, wenn man auf der Straße seinen Text lernt oder in der U-Bahn sich noch ganz schnell aufwärmt und dabei komische Geräusche macht.

Hast du eigentlich viel mit Berliner Hosenbeinumkremplern & Chapeausern zu tun?

Hatte ich früher mal. Man glaubt es nicht, aber 70 Prozent der Arbeit als Film- und Fernsehschauspieler findet am Computer statt. Als ich die obligatorische langweilige Office-Arbeit als Schauspielerin anfing, saß ich ganz oft in diesen Latte-macchiato-Cafés. Irgendwann habe ich gemerkt, dass mein Lohn für so was nicht reicht … Man muss viele Stunden pro Tag am Computer sitzen, nur damit die Leute irgendwann dein Gesicht mit deinem Namen verbinden. Daher kann man es sich nicht leisten, täglich Kaffee und Kuchen zu verzehren, nur um an ein Internet-Passwort zu kommen. Ich arbeite meistens von zu Hause aus oder bei Freundinnen. So unterstützen wir uns gegenseitig, trinken selbstgekochten Kaffee und müssen nicht alle zwei Stunden nach dem aktuellen Passwort fragen. 

Titelbild: Laia Alvarez Mestre (c) Katharina Ira Allenberg

Die Totenmaske des Epidermes

Nach der Lektüre von Raoul Schrotts überaus ambitioniertem Epos Erste Erde, worin Kunst und Wissenschaft, Literatur und Natur ihre gemeinsamen Werte entdecken, drängen sich einem tausende von Fragen auf, darunter auch die folgenden:


Können Götter umgeboren werden?

(1 Spiralarm + 3 Stollenmundlöcher) x lächelnde Haut = ?

Was haben ultramarine Monaden unter der Motorhaube?

Wer gilt als der Begründer der Fernbohrkunst?

Wird prophylaktisches Sterben von den Krankenkassen übernommen?

In welchen Kulturen gilt es als unhöflich, das Synapsenköpfchen mit einem Leichentuch zu bedecken?

Durch welchen traditionellen Trick bringen Bergbewohner die Tatarenmatrix zum Pulsieren?

Was ist (außer „stunden“ natürlich) die Lieblingsvokabel der Dichter?

Was unternahm Kaiser Mark gegen Trugbildabrieb?

Unter welchen Umständen geht Fleischdetonation mit einer Humpelnden Druckwelle einher?

Was macht einen Bluterguss selig?

Welche Kristallkreatur kommt typischerweise als Fehldruck in der Magmakruste zum Vorschein?

Worauf weist ein erhöhter Serotoninspiegel im Lustwandelwurm hin?

Warum haben Astronauten Saurieraugen?

„Luzifers Gleichung“ beschreibt die Beziehung zwischen unterschwelliger Sphärenmusik und überirdischer Signifikanz – wahr oder falsch?

Wie vielen Lichtjahren lässt sich in einem mit Parabolspiegeln ausgekleideten Kneiff-Gyrov-Labyrinth auflauern?

Warum ist Schlamm aus dem Höllenpfuhl gesünder als Schaum aus dem Dorfkino?

Wie kann sich ein haarmenschlicher Fingerabdruck in Gischt einmieten?

Wie lautet der Terminus technicus für die frivolen Mehlreste einer Jahrmillionen alten Fabrik?

Eine Gestalt verlöre ihre Brustwarze, wenn der Pilznippel ________________.

Kommt ein Bleigürtel als Infusorienkluft in Betracht?

Wie funktioniert Eiweißumkehr bei Kameltreibern (Firmware)?

Honigwabe unter der Achsel?

Bei welchen Druckverhältnissen wird Blindenschrift von dreiäugigen Manierismen rezipiert?

Für wen kommt eine Kryptohumus-Nuklearbier-Diät am ehesten in Frage?

Wie kann Dahinkroch sein Präteritum überwinden?

Eine Brustwarze verlöre ihre Gestalt, wenn die Nippelsyntax-basierte Lippenchoreographie ________________.

Wie geht man mit schnarchenden Eukarioten und ihren schmatzenden Torsos um?

Was passiert, wenn man einen Hexameterdocht in lispelnde Luciferase taucht?

Wie reagieren Stummelfüßer auf filzige Photonen?

Macht Lähmung unsterblich, oder ist es eher andersherum?

Worüber verfügt ein Panzerfisch nicht: pralle Schleimhäute, elastische Keratinstirn oder laminiertes Schwanzphantom?

Golfhammer vs. Otolithen – wer wen?

Bei welchen Lebewesen lässt sich ein pigmentierter Schatten beobachten?

Was ängstigt Raum?

Wie tauschen sich die Tentakel einer sumpfigen Hyänenalge untereinander aus?

Aus welchem leider in Vergessenheit geratenen Frühwerk Xenomorphs stammt dieses Fragment:

„Strompulver zerknüllt Plankton im Knochen-Akkord
Omen bersten wie Lunarpixel prozesshafter Analogien
Opalisierte Mikroben mit Hydrokarbonstachel
Verschmelzen in Autopoiesis mit Scheißkorallen
Magnetischer Stoffwechsel ist das Umkehrbild der Irrläufer
Und die ölige Kulmination anekdotischer Kolbengeister
Das Loch im Lithium heißt Phoenix-Nautilus
Sein Feuerball ist Konjunktion und Kugelphosphor
Mikroskopwurzellkernnormierung
Als Nimbus im Nullpunkt
der Einfühlung ins Röhrchen dient er
Fragmentierte Haziendafetzen kreisen um uns
Wie der Hummelsatellit ums Apathit
Und ein Tränensäure-Selfie
[…]“?
Titelbild: © Hanser Berlin

Brief an Johannes Apokalyptus

Das folgende Schreiben setzt sich mit der 2016 von Kurt Steinmann neu übersetzten und mit 7 Illustrationen des schwedisch-griechischen Künstlers Daniel Egnéus ausgestatteten Offenbarung Johannes’ auseinander: Was können wir aus dieser fast 2000 Jahre alten Vision lernen, und ist das überhaupt gute Literatur?


Lieber Johannes,

mit großem Interesse habe ich deinen Text gelesen, der mich immer wieder beeindruckt hat. Wenngleich ich vorwegnehmen muss, dass ich Schrebers Denkwürdigkeiten noch einen Tacken stärker finde.

Das mit „Alpha und Omega“ ist natürlich ein Klassiker. Das Konzept eines verschlüsselten (und ggf. zu hackenden) Todes gefällt mir auch sehr gut, vielleicht kannst du da aber noch was Zero-Day-Mäßiges rauskitzeln. Und das Buch mit sieben Siegeln ist der Krypto-Kult schlechthin, allerdings finde ich die Asymmetrie zwischen den sieben Siegeln und den vier Reitern der Apokalypse bemerkenswert unästhetisch.

„Drangsal“ kommt für meinen Geschmack ein bisschen zu häufig vor, evtl. solltest du mehr mit Synonymen arbeiten und Satans Thron anzünden oder wenigstens mit irgendwas einsprühen.

Gewaltig tosende Wasserfälle dürften phonetisch viel zu undifferenziert sein, um komplexere Nachrichten zu übermitteln. Wer sind denn die sieben Donner und was gibt ihr Grollen informationsmäßig so alles her?

„Kranz“ ist eine intrinsisch alberne Vokabel, die sich auf Tanz, Wanz, Stanz, Franz etc. reimt und daher nicht inflationär verwendet werden sollte. Dementsprechend klingt der „Kranz des Lebens“ nach einem Euphemismus für etwas zutiefst Debiles, vielleicht lieber umformulieren. Du hast es aber auch mit Posaunen. Posaunen und Kränze, das kann man unmöglich ernst nehmen, zumal beiden ein Poloch eigen ist.

Fleisch und Huren scheinen es dir ebenfalls angetan zu haben. Das Hurenfleisch sollte nach Möglichkeit abebben, ebenso der Hurenwein. Tipp: „Huren und Scheußlichkeiten“ bzw. „Verkehr mit Frauen“ und „besudelt“ im selben Satz könnte als misogyn ausgelegt werden.

Das „Schwert des Mundes“ ist ein ziemlich groteskes Bild (vgl. Premutos oder Mortal Kombat), „Tiefen des Satans“ hingegen klingt ein bisschen nach Hardcore-Schwulenclub, könnte missverständlich sein. „Denn ihr Wirken und Tun wird ihnen angerechnet“ liest sich gar wie ein Schreiben vom Jobcenter.

Allein das Versprechen einer Morgenstern-Schenkung ist schon ziemlich gewaltig – vielleicht sollte man den ganz harten Tobak für später aufbewahren.

Ich habe mir sagen lassen, dass die Geheimzutat einer von dir erwähnten Augensalbe Stein ist – ich würde eher Dexpanthenol-Tropfen empfehlen (allerdings sollte aufgrund der natürlichen Abwärtskompatibilität von Hygiene niemals im Auge angewendet werden, was zuvor in der Nase gewesen ist). Ein einbeiniger Krüppel wird ja auch nicht zum Sprinter, wenn man seinen Stumpf in Hyaluronsäure tunkt.

Du hast so einiges für Zahlenfetisch übrig, und zwar von der uneinheitlichen Sorte. Auf der einen Seite arbeitest du mit Primzahlen wie 3 oder 7, auf der anderen Seite mit äußerst teilbaren Zahlen wie 4, 12, 12² und 24. Warum genau fünf Monate lang quälen? Sind 200.000.000 Reiterheere nicht etwas übertrieben? „In dunkle Sackgewände gehüllt Gottes Offenbarung verkündigen, zwölfhundertsechzig Tage lang“ – „Tausendsechshundert Stadien“ – „Der zehnte Teil der Stadt stürzte ein, siebentausend Menschen fanden … den Tod“ – holla die Waldfee! Es stellt sich unweigerlich die Frage, wie genau du auf diese in hanebüchene Spezifität getauchten Zahlenangaben kommst.

„Wesen, übersät mit Augen vorne und hinten“ – aber wie erkennt man dann noch, wo vorne und hinten ist? Und wäre es nicht krasser, wenn jedes Auge Flügel statt Wimpern hätte?

Ist es wirklich Sünde, lauwarm zu sein? Sollte der blinde Nacktpenner in seiner unendlichen Erbärmlichkeit ernsthaft zur Rechenschaft gezogen werden?

Gekrönte Heuschrecken mit Menschengesichtern, Frauenhaaren und Powerschwänzen? – nice. Eine aus zwölf Sternen bestehende Krone – selten einem sublimeren Bild begegnet.

Schwarze Sonne, roter Mond, Sterne fallen vom Himmel, der sich spaltet und schrumpft und zusammenrollt wie ein Pergament … mächtig oneiroide Bilder, die allerdings etwas rar gesät sind, weil du im Zweifel Politik stets der Safidalität vorzuziehen scheinst. Immerhin ist „Seelenschlachtung“ voll Warhammer 40K.

Es ist aber schon ziemlich bizarro, Jesus als ein ungeschlachtes Lamm „mit sieben Hörnern und sieben Augen“ zu bezeichnen. Abgesehen davon hat „Zorn des Lammes“ was von Monty Python.

„Ein Drittel der Erde verbrannte“ – woher nimmst du diese Daten? Das ist ja fast so anal wie bei Thanos, der es exakt auf 50 Prozent des Universums abgesehen hat. Und wie kann ein einzelner Stern auf ein Drittel aller Flüsse fallen oder ein Drittel der Sonne weggesprengt werden? Dein Gott hört offenbar auf den Namen Randôm, und der Schweiß, den er in bzw. aus uns treibt, heißt „Das Wermutstropßen“. Ölbäume, Leuchter, Feuer aus dem Mund – was für ein herrlich saukontingenter Schwachsinn.

„Und in der Hand hielt er ein aufgeschlagenes Büchlein“ – die Verwendung des Diminutivs ist fast so bemerkenswert wie im Falle „Mehlhäufchen“. Das Büchlein aufzuessen ist auch sehr cool, denn wenn das Wort Fleisch ist, dann kann man sich davon nähren, daran laben, oder auch den (erstaunlich unmetaphorischen) Magen verderben.

Die Vernichter vernichten – recht so, Angriff ist die beste Verteidigung. Aber wirklich jegliche Art von Geißel? Wie wäre es dann mit Oliver dem Zahntorpedo, Kranichdoom oder Elons tentakelbewehrtem U-Boot als Universaltool, das selbst im Zusammenhang mit Beziehungsproblemen eine gute Figur macht?

„Ein Drache … mit sieben Köpfen und zehn Hörnern“ – das ist wieder etwas unstimmig. Noch unstimmiger wird es aber, als anschließend von einem Tier die Rede ist, das im Gegenteil zum Drachen nicht sieben, sondern zehn Diademe (auf immer noch zehn Hörnern) trägt. Dem folgt ein geradezu triviales Tier mit lediglich zwei Hörnern. „Dem zweiten Tier wurde die Macht verliehen, dem Bild des ersten Tieres Leben einzuhauchen“ – sorry, aber die diversen Tiere lassen sich nur unter höchster Anstrengung auseinanderhalten. Ähnlich verhält es sich mit den verschiedenen Engeln – was genau ist ein „starker Engel“? –, deren diverse Funktionen und Qualifikationen schnell verwirrend werden. Du musst auch ein bisschen an den Leser denken und ihn ein Stück weit abholen.

Zweiundvierzig Monate Schandmaul – selbst Iron Maiden waren mit The Number Of The Beast nicht so lange on the road.

„Da warf jener … seine Sichel auf die Erde, und abgeerntet wurde die Erde“ – offenbar eine Smartsichel, die mit reduktionistischer Mechanik einen Gegenentwurf zu realen Lebensvorgängen liefert. Du alter ESC-Buttonmasher.

Wie gerecht ist eigentlich ein Gott, der „jedes belebte Wesen im Meer“ sterben lässt, nur weil ein paar Leute etwas antichristlich drauf sind? Wenn Gott sieben Schalen „bis an den Rand“ mit seiner Zornesbrühe füllt, dann spricht das für eine therapiebedürftige Psychopathologie weit jenseits von Notwehr. Ich bin ja auch nicht für Satanismus, aber solange jemand nichts Böses tut, gilt die Glaubensfreiheit, alles andere wäre Gesinnungsstrafrecht, welches mit dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip nur eingeschränkt vereinbar ist.

Und wenn wir schon dabei sind: Kommen als gotteslästerliche Namen so was wie Tremur, Negroð oder Safiduq in Frage?

Ich finde die Vorstellung witzig, dass „von glühender Hitze versengte“ Männchen mit brennenden Hintern cartoonhaft durch die Landschaft hechten und dabei unablässig böse Flüche ausstoßen – offenbar machen Geschwür-, Zungenzerbissenheitswunder und dergleichen nicht bußfertig, vielleicht hätte man die elenden Lästermäuler mit etwas mehr Diplomatie für sich gewinnen können?

„Drei unreine Geister fahren wie Frösche [aus dem Mund,] es handelt sich um teuflische Geister, die Zeichen wirken“ – was für ein erzmagisches und ziemlich rutziges Konzept, jemanden mittels Zeichen zu verführen.

„Babylon, die Große“ erinnert mich etwas an „Ludwig van“ aus Clockwork Orange.

„Die Stadt ist viereckig angelegt, und ihre Länge beträgt so viel wie ihre Breite“ – das kann man aber einfacher ausdrücken.

Und, ach ja, könntest du bei Gelegenheit noch irgendwo Feinstes Linnen muss Absalom fressen, bis in Scharlach gekleidete Huren den thronenden Schwanz vergolden. Des Kutschers satter Furz brennt wie Weihrauch aus Menschenwurst. Der Großhure von Babylon die Eier rausreißen und die Augen mit dem Schleifstein abwetzen. Hin- und hergeschlachtet durch die Watte des Wahns ertönen Unerträgliche Richterbefehle und zerren an der F*ckunft. Aus Diademen bestehende Diademe geleiten Fraktalismann auf seinem weißen Schimmel ins Misenabymsengott. Zornesflocken aus Schabenfleisch lassen sich die Polizei schmecken. „Fresst Vogellust und versklavt gewegte Pseudoren!“, schreit das zuckende Glied aus Heilands Maul und verschießt die gesamte Gammastrahlung des Universums in unter fünf Sekunden. „Tausend Jahre sollst du bluten, Drachenweird, erst danach kannst du aufsteigen und mit deiner Hackhand Satans Überstunden abfeiern.“ Finsterrauch aus dem Gog/Magog-Höllenschacht ersetzt den ISDN-Router inkl. Pseudoschwefler von Alfa Romeo bis Opel Omega, und alle Götzen erben xten Tod!“ einbauen?

Alles Liebe

Dein Lektorat

PS: Und was hats mit diesem Alienrohr von Messstab auf sich?


Die Apokalypse erschien in Neuübersetzung von Kurt Steinmann mit Illustrationen von Daniel Egnéus 2016 beim Manesse Verlag und hat 176 Seiten.

Das Ӎҋƈʮăęŀ-Ŝŧāʌɐŕɪč-ĶïʼnĐĕɹƃɄƆƕ-₰ρɇϛίΔḶ (fördert diakritisches Denken)

michael stavaric kinderbuchspecial

Während schlechte Kinderbücher nicht einmal als Mottenfalle taugen, zeichnet sich gute Kinderliteratur dadurch aus, dass sie ganz verschiedene Altersgruppen (auch unter „Jung und Alz“ oder „alles von 0 bis 666“ bekannt) anzusprechen bereit und fähig ist. Die Jüngsten betrachten die bumpen Bilder, die Älteren erweitern ihre Ach- und Sprachkenntnisse, und wir Verwachsene erfreuen uns an bildnerischer Kunstfertigkeit und ironischem Wurstwitz. Die 9 im Folgenden präsentierten Kinderbücher von Romancier, Lyriker, Linguist, Übersetzer, Österreicher und Tscheche Michael Stavarič entstanden in Kooperation mit einer seiner begabt-begnadeten Kunstpartnerinnen und arbeiten oft mehrschichtig, was ihm auch jede Menge einschlägiger Preise und Nominierungen eingebracht hat, nicht zuletzt den Österreichischen Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur in dreifacher Ausführung.


 

Michael Stavarič & Renate Habinger: Gaggalagu (kookbooks, 2006)

Gaggalagu

Vielleicht weiß man, was „Gaggalagu“ auf Isländisch heißt, doch weiß man auch, warum dieses kunstvolle Kuckbuch mit vier halbtransparenten und ziemlich reißbaren Folienblättern ausgestattet ist? Damit die Kinder schon früh lernen, sorgfältig mit dem Gut Buch umzugehen. Doch steht diese bemerkenswerte Metaebene nicht im Vordergrund, das tut schon die lustige und lehrreiche Phonetik. Baskische Hunde machen „zaun“, indonesische Tiger „ngaung“ und chinesische Mauern „ausdemweltallsichtbarklischee“. Der Unterschied zwischen Schwedisch und Schwäbisch ist so gut wie nicht vorhanden, Lüttich ist sowohl eine Stadt in Belgien als auch ein Sittich in Oma Ottilie. Dänische Enten neigen zum Rappen, was sich Wassili (das Pferd) gerne mal über Tidal (Jay-Z hat die Exklusivrechte) reinzieht. Der Frosch aus Lubosz ist genauso Quäker, wie in Stockholm Syndromedar Sören wohnt – oder hätte ich doch lieber „wie sich in Stockholm Syndromedar Sören sonnt“ schreiben sollen, um beim Alliterativen Nobelpreis mitmachen zu dürfen? Jedenfalls können auch Tiere einen Kulturschock erleiden, wenn etwa ein japanischer Egel auf eine pafnutische Anschwebfliege trifft.

 

Michael Stavarič & Renate Habinger: BieBu – Mein Bienen- und Blümchenbuch (Residenz, 2008)

BieBu – Mein Bienen- und Blümchenbuch

Leider werden die bis zu 70 PS starken Bienen nicht nur in diesem Sachlachbuch krank und sind daher gezwungen, sich von anderen Tieren (darunter ein von Kurdo erlegter Bugatti Veyron) aushelfen zu lassen, was naturgemäß nicht allzu gut funktionieren kann. Das spezifische Know-how der unter anderem für ihren informationstechnischen Tanzstil critically acclaimed Schwirrvölker kann halt nicht einfach mal so auf Fledermaus Sayo, Beutelteufel Preeti oder etwa Berg-Schneck-Hybrid Popokakapeter übertragen werden. Natürlich ist permanentes Scheitern stets in der Nähe von Komik angesiedelt, daher haben wir es hier mit einigen Albernheiten sowie Kapitelüberschriften wie „Netzwerkarbeit“ oder „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ zu tun. Die Geschichte über die Suche nach einem halbwegs adäquaten Bienenersatz ist aber nicht nur pädagogisch aufbereitet, sondern auch grafisch imposant. Allein die zahlreichen Schriftkapriolen belegen, dass sich aus InDesign so viel mehr rauskitzeln lässt als beispielsweise aus einem Baum.

 

Michael Stavarič & Dorothee Schwab: Die Kleine Sensenfrau (Luftschacht, 2010)

Die Kleine Sensenfrau

Wie es wohl ist, mit dem Tod eine Familie zu gründen? Wie/ob Freund Hein sich in seinen Vatereigenschaften von Hainfreund Waldemar unterscheidet? Jedenfalls muss Thanatos’ Tochter früher oder später in Senseniors düstere Fuß- und „Gerät zum Mähen, dessen langes, bogenförmig gekrümmtes, am freien Ende allmählich spitz zulaufendes Blatt rechtwinklig am langen Stiel befestigt ist“stapfen treten. Sie wird dabei, nach Abschluss einer lehrreichen und von Schwab vielseitig-filigran inszenierten Walz, sanft und liebevoll vorgehen und etwa ein unheilbar krankes Kind behutsam in den ewigen Schlaf wiegen. Hier wird ein durchaus verstörendes Thema behandelt, an dem allerdings kein Lebensweg vorbeiführt. Und wenn unser aller Leben wirklich eine Volks- bzw. Zivilisationskrankheit ist, wie einige Gemmologen behaupten, dann muss man zumindest einmal, wenn auch nur ganz kurz, so rational sein und den Tod als ein probates und nebenwirkungsfreies Naturheilmittel anerkennen, das sowohl in homöopathischen als auch hippopotamischen Dosen gleichermaßen wirksam ist.

 

Michael Stavarič & Renate Habinger: Hier gibt es Löwen (Residenz, 2011)

Hier gibt es Löwen

In diesem Buch gibt es so viel mehr als Löwen, nämlich Handrücken, Mittelfuß und sogar Schamlippen. Es geht um Körperteile, die erst benannt und danach mit allerlei Unfug (welcher leider viel zu selten als Kompliment Verwendung findet) bemalt werden, und zwar von Antonio, dem zweirädrigen und zigarmigen Malerich. Er produziert Kunstbuntwelten am laufenden Zentimeter: Wespen reiten Schmetterlinge, Kosmonauten lassen sich von Astronauten hinter den Mond entführen, Zehmonitore mit Motoren reimen sich auf Eimer wie sonst nur der Arsch aufs Auge. Mona Lisa entpuppt sich als veritabler Faker, der Rücken wird zur Yakuza-Ausstellung, und unter den Achseln findet sich für je einen Sauggreifbot Platz. Und wenn selbst das Steißbein der Stiefbruder eines Kreuzbandrisses ist, dann darf die Wirbelsäule ruhig nachtaktiver als die Gummibärenparade auf der Wade ausfallen … ein wahnsinnig schönes Buch!

 

Michael Stavarič & Dorothee Schwab: Gloria nach Adam Riese (Luftschacht, 2012)

Gloria nach Adam Riese

Stavarič ist, völlig zu Recht, Fan von Listen und Aufzählungen und erzeugt hier gemeinsam mit seiner bildgewaltigen Mitstreiterin Dorothee Schwab im heimischen Badezimmer ein schaumspielerisches Wortkaskadrom aus lobenswert sinnfreien Reimen, in denen surrealismustergültig zusammenkommt, was normalerweise selten zusammenkommt: Don Quichotte mit Salamibrotpanzer, ein Haufen Affen auf Waldfeenreifen mit einem Schwarm Kaiserschmarrn oder gar (etwas abstrakter) eine Kaste Kontraste mit einer Formation Inspiration. Adam Riese, seines Zeichens Inhaber des Lehrstuhls für das Kleene Einmaleins in Princeton a. d. Rühl, ist jedenfalls froh, dass Rechenkunst den Spieltrieb so wunderbar ankurbelt. Doch auch das gute alte Alphabeet lädt zum Nonsemstreuen im Buchstabierzelt ein, wenn Andenäste Xaver Xerxes dem XXLften zu infiltrierende Irokesen als halbwegs in Ordnung gehendes Lévistraußenburgersurrogat darbringen. Anhand solcher Eskapaden überrascht es kaum, dass mongoloide Winde, einheimischen Schweinen nicht unähnlich, zu „sulsulieren“ pflegen.

 

Michael Stavarič & Christine Ebenthal: Mathilda will zu den Sternen (NordSüd, 2015)

Mathilda will zu den Sternen

Schweinchen Mathilda will das Unmögliche – einen Stern anknabbern. Was sie nicht weiß: Sterne eignen sich am besten als Metaphern. Außerdem ahnt das kleine, antiproportional ambitionierte und astrophysikalisch unverbildete Saugerät mit eigenem Sternbild nicht, dass Sterne weder nach Haselnuss noch Erdbeerkäse, sondern vielmehr nach 100 Millionen Grad Celsius bzw. Kelvin (darauf kommts nun wirklich nicht an) schmecken. Zum Schluss findet Matte~ aber immerhin einen anständigen Sternersatz in Form von Verliebtheit zu Bruno, der, wie der Autor ein natural-born Brnoer, Mathildas inneren Kosmos erstrahlen lässt. Ach ja, schon niedlich, dies endlose Streben von Tier- und Menschelein.

 

Michael Stavarič & Ulrike Möltgen: Milli Hasenfuss (kunstanstifter, 2016)

Milli Hasenfuss

Hier haben wir es, passend zum (wieder einmal kleinzuschreibenden) Verlagsnamen, mit einem echten Kunstbuch zu tun, in dem Ulrike Möltgen McKean’sche Mixed-Media-Meisterschaft walten lässt. Etwas Assemblage da, ein wenig Julian dort, und schon beißt sich Milli als weißes Kaninchen durch rassische Ressentiments, bis sie endlich im Heimathafen Schnee einläuft, wo sie sich gleich zu Hause fühlt. Doch schon kommen Dunkelkarnickel angeschwärzt …

 

 

Michael Stavarič & Linda Wolfsgruber: Als der Elsternkönig sein Weiß verlor (kunstanstifter, 2017)

Als der Elsternkönig sein Weiß verlor

Was für eine dezente Farbgebung, was für ein geschmackvoll bebildertes Buch über einen Vogelking, der aus unerfindlichen Gründen den Reverse-Leland macht und über Nacht drongoschwarz wird. Finster schaut er drein, denn nicht nur seine natürliche Färbung, sondern auch seine Laune ist hin. Ein Fragezeichen erscheint über seinem Kopf und muss von nun an mehr schlecht denn recht als Hütchen herhalten – Chapeau! Danach rastet er kurzerhand aus und greift nach klassischer Psychokratenmanier ordentlich durch, indem er die Totale Schwärzung einfordert: schwarze Einhörner, schwarzer Schnee, schwarzer Rauch, schwarze Quadratur der Kreissäge, schwarze Milch von früh bis spät usw. Lange hält das gepeinigte Volk ihren irren Diktator nicht aus und verbannt ihn schließlich. Nach reichlicher Zeit der Kontemplation und Einkehr, was ein bisschen redundant anmutet, findet er schließlich wieder zu sich, und mit Hilfe seines fortgeschrittenen Alters – denn Alter ist nur was für Fortgeschrittene – auch zum (Grau-)Weiß.

 

Michael Stavarič & Ulrike Möltgen: Der Bär mit dem roten Kopf (aracari, 2017)

Der Bär mit dem roten Kopf

Dass der Bär einen roten Kopf hat, bedeutet nicht, dass er peinlich berührt ist. Oder dass er irgenson schräges Corporate-Design-Maskottchen von irgendsonem semihippen Start-up ist. Weder ist er Blutwarnbär noch zur Großmutter unterwegs noch MarSPDler noch chinesischer Bordellbetreiber mit indianischem Betteppich. Er hat einfach nur einen roten Kopf, so wie andere einen nichtroten Kopf haben. Oder Vermutungen anstellen. Oder unter Zeitdruck stehen. Und doch kriegt er seine Naturfarbe (ein bisschen farbintensiv gehts in diesen Büchern ja schon zur Sache) nicht ignoriert und sucht nach Zugehörigkeit, was mehr als nachvollziehbar ist. Auf seiner Reise durch die harsche, jederzeit zum Fremdeln einladende Welt bekommt er so manches Nixlili spendiert, bis er schließlich eine grünköpfige Bärin heiratet und mit ihr eine Familie gründet, zu der bald drei bärenbraune Originärbärkinder gehören.

 

*

 

Fazit:

 

Gaggalagu, Dobendan,

Hatschi schnief im Ramadan.

Halsschmerz, Husten und Erkältung

sind gut für Völkerverständigung.

 

Blümchen profitieren

nur von Profi-Tieren,

Bienen etwa oder Hummeln,

nicht von Dilettanten dummen.

 

Das Sensenfräulein lernt so viel

von ihrem Herrn Papa.

Die Kunst des Lebennehmens

ohne Sichverhebens (möglichst locker aus der Hüfte).

 

Löwen fönen Römer,

Ösen ölen Höhlen.

Götter löten Öhrchen.

(Vgl. „posttrëmatische Belächelungsstörung“.)

 

Adam zählte zu den Riesen,

wenns um Zahlen ging wie diese:

eins, grei, sorben, achtundzwanzig,

viehundvielzigkommaschwanzig.

 

Mathilda möchte Sterne knuspern,

doch diese sind zu weit.

Drum repariert sie kurzerhand

ihre Zweisamkeit.

 

Milli ist so groß wie Meter,

Weiß ist ihres Glückes Schmied.

Drum isst sie 8 Kilo Feta,

bis sich ihre Lücke schließt.

 

Die Elsterseele inhaliert

exorbitante Schwärzen.

Aus ihr erwachsen böse,

endosäuge Herzen.

 

Ein Bär sieht … Rot (nicht wirklich).

Ein … Rotor ist er auch nicht.

Rotisserien … besucht er selten,

von … Rothko trennen ihn acht Welten?

 

1,603 kg Powergnosis

Es gibt gute Gründe, eine Schwäche für Eklektiker, Enzyklopädisten und polymathisch-polyhistorisch versierte Uomini universali zu haben: Zu wahrer Herrlichkeit erblüht Erudition doch erst, wenn Physiker komponieren, Schriftsteller IT-Systemelektronik treiben oder Biokryptographen Comedy-Bühnen unsicher machen, wenn Trudeau die (auswendig gelernten) Grundzüge des Quantencomputers darlegt und Gell-Mann sich von Finnegans Wake zu Quarks, oder zumindest deren Nomenklatur, verarb… inspirieren lässt. Doch Moment mal: In dem vorliegenden Kulturbrocken von Braunstein, Florence und Pépin, Jean-François werden die Naturwissenschaften nur nebenbei – immerhin – gestreift.


Welches Wissen ist bedeutender: die Funktionsweise von PET-Scans oder von Milorad Pavićs Metaphorik? Wer sich fürs Erstere entscheidet, könnte ein Philister sein. Wer sich fürs Letztere entscheidet, könnte eine „Entropie“ inflationär und/oder (grob) falsch verwendender Geisteswissenschaftler (pejorativ gemeint) sein. Fakt jedenfalls bleibt: Errungenschaften auf dem Gebiet der klassischen bis postmodernen Femtochemie, Mathephysik und Keksmechatronik sind selbstverständlich ebenso Teil der menschlichen Kulturgeschichte wie die Künste und unexakten Wissenschaften, zumal die Physik des 20. Jahrhunderts durch die Erschließung spekulativer Wunder seit langem wieder in die Nähe der Philosophie gerückt war und so die mannigfaltigen Avantgarden in Literatur, Musik, Malerei etc. kongenial zu komplementieren vermochte … Aber natürlich ist das hier Gezicke auf hohem Niveau, wäre doch eine derart grenzenlose Tour d’Horizon, die weder Bill Bryson noch Peter Watson (und schon gar nicht Dietrich „Thermodynamik ist nur was für Freaks“ Schwanitz) gelungen ist, für ein einziges Buch etwas viel verlangt. Andererseits gibt es Brockhausens lobenswert umfassenden, auf rund 600 Seiten aber naturgemäß nicht allzu tief greifenden Versuch in Form von Bildung21.

Kommen wir nun aber zu dem dennoch üppigen Weltwissen, das unter der Haube dieses von zwei grünen Buchdeckeln parforcerittlings gezäumten Bildungsboliden steckt …

*

Galilei lässt Unrat auf Newtons Haupt niedergehen, das, elffach verknotet, sogleich in die Mesosphäre entweicht. Murnau und Lang liefern sich erbitterte Klimm- und Kniffelduelle, woraufhin Lottab Reiniger einen Batzen Ton verfilmt und so das heliozentrische Weltbild als illegitimen Gauzentrismus-Nachfolger enttarnt. Frank Le Jefferson wird nach Kalkutta verfrachtet, wo angeblich 1 Qing wächst, Vasco da Gambas, Lebensmittel, kann sich sogar bis nach Austernitz durchboxen, muss aber spätestens beim Wiener Forellenkongress innehalten: Der Schinkenklimt ist ebenfalls mit von der Partie, nachdem Kleists Hölderline „gerissen“ ist. Gelich spürt diversen Phänomenologien nach, zuletzt der des Gefriertumblers, parallel entwickelt Søren eine ganz eigenwillige Butter, die anschließend von Nietzsche und Deleuze (fast) unverändert übernommen wird. Sigmunch Freud steuert auf die Psychopathologie zu, wobei der Bruckner Brahms die entsprechende Motivik anleitet. Dann erscheint Silur (403 bis 367 v. Kru.) und legt einen Würm ins Loch des Neandertalers, der von Früh- bis Spätneolithikum Dolmen schiebt. Es kommt zu Religion, in deren Rahmen Steppenmonaden ihre Hühner gen Zukunft und ihre Anti-Hühner gen Vergangenheit pfeifen. Der Hirsch aus Pekingmenschenfleisch formt einen ersten Keramikisolator sowie die dazugehörige Mesopotamische Null, mit der die Dynastie numerischer Fürsten eingeleitet wird. Fast zur selben Zeit wälzt sich Marcel Proust neurasthenisch auf der Chaiselongue, Apollinaire dreht am Radadad, Breton und Aragon sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen, wozu Jarry und Artaud sich wie paradoxe Cocteau-Zwillinge verhalten. Selbst Rilke neigt zu absurdem Theater, das tatsächlich aber von Neville Chamberlain auszugehen scheint. Beckett wittert die von Mussolinis billigen Tuchen durchgepeitschte Irland-Mafia und flieht als Codex Hammurapi nach Babybelon, als die Phönizier in ihrem eigenen Alphabet ersaufen. Die Kulaken klemmen sich ihre Simultanfäustchen ab und machen Iran unsicher, 300 Spartaner schauen phlegmatisch zu. Die Sphinx beginnt mit dem Gerüstbau für die Pyramiden, weil Osiris und Amon-Re eine viel zu komplizierte Wette abgeschlossen haben, deren Bedingungen bis heute unverstanden sind. Im Totenbuch wird die Zubereitung von Ramses genauestens beschrieben, während Kleopatra sich mit dem Leuchtturm von Alexandria orthogonal befriedigt. In der Bibliothek gleich nebenan lauert Ptolemäus darauf, Moses’ Wurfhammer zu inthronisieren. Die einzelnen Sippen fließen zu einer Großmischpoke zusammen, doch lediglich Talmud der Feine schlägt eine halbwegs akademische Laufbahn als Bundeslade ein und wird im Tempel von Jerusalem zwischengelagert, was dann und wann Nebukadnezar in Gel-Form zur Folge hat. In der Zwischenzeit wird Rigveda implementiert und die Upanishades of Grey verkaufen sich wie geschnitten Mehl, zumal Krishna als Brahmännchen in die Geschichte der MLB einzugehen beginnt. Auch Buddha lässt nicht lange auf sich warten und hilft als 8 ohne Grenzen jungen Fischkulturen beim Digitalisieren der Mahabharata mit: Darin streitet sich Kama Sutra mit einer tantrischen Swastika um den Wahlpflichtfach-Status an der École Polytechnique, unterdessen balsamiert Meister Brahmagupta seine Ayurvedenpitta kryogenetisch ein. Der Ukrainer von China seinerseits kann Konfuzianismus wenig bis viel abgewinnen und lässt folgerichtig Kafkas Metamorphoden von der Terrakotta-Armee zustampfen. Die Xing-Dynastie dauert nicht allzu lange an und macht dem Sechzehntelkönig Platz, der sich kurz zuvor an Rezikiller Shōtoku verhökert. Panzerkreuzer kommen – im Gegensatz zu Dumas – selten allein, daher entscheidet der Sowjet, Unkenrufen zum Trotzki, Lenins Akkreditierung greenzulighten. Als die UdSSR schließlich ihre Tore öffnet, kommt es unvermittelt zu Stalin: Die Gulags weisen niemanden zurück, Schwarze Donnerstage sind ebenso willkommen wie die Atlantik-Charta. Allmählich hält der Symbolismus Einzug, Hugo und andere Irrationale verzüchten sich an den Blumen of Steel, deren Vordenker Rimbautréamont sich mau passant zum experimentellen Flohbart-Naturalismus gedrängt fühlt. Der Beginn des Fin de siècle wird von Dekadandys gesäumt, die mit Mallarméladenbroten durch Verlaine und Wilde flanieren wie durch die Seine, ohne in Moralin zu versauern. Indochina dankt ab, #AffäreDreyfus kostet nicht nur Zola, sondern auch seine Kollegen Manet, Monet und Neo K. „Mango“ Lassizismus einen Balzac Money. William Turner reißt das Ganze aber noch einmal um, auch wenn Cézanne und Urinaro eigentlich kein Zurück zu kennen scheinen. Kurz zuvor wird in Pearl Harbor Ghandi-san via Hirohito Nagasaki nach Mao Zedong geleakt, um Äthiopien den erfolgreichen Launch von „Nok Nok“-Humor zu ermöglichen. Mykene zieht daraufhin Byzanz und verfüttert Kleisthenes an Thailand, die entsprechende Olympiade wird wegen Do Pings Unpässlichkeit auf n. Kru. vertagt, was Alexander dem Großen endlich die Gelegenheit gibt, Hellenismus nach Deutschland einzuschleppen. Inzwischen sind die Alliierten auseinandergestoben, und Captain Dunkirk organisiert einen finalen Fight zwischen Pétain und Göring. In Stalingrad führt Schukow Rommel derart hinters Licht, dass die V1 und V2 sich praktisch gegenseitig neutralisieren. Sobald die Charta der Vereinten Nationen beschlossen ist, werden van Goghs Ohren vollautomatisch nach Toulouse-Lautrec expatriiert. Aristoteles macht es sich als einer von insgesamt höchstens zehn Intellektuellen weltweit deutlich zu leicht und kümmert sich eher schlecht als recht um seine Landeier in Großprytanien. Als die Akropolis wegen Bombenalarm geräumt werden muss, hängen sich im Apollo-Tempel drei Säulensorten in einem lange Zeit für unverfilmbar gehaltenen Winkel auf, der die Propyläen missgünstig stimmt. Xo Naxos gelingt zum ersten Mal, den Donutismus Homers auch ihren zyklopischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern nahezubringen. Hesiod schildert in seiner fabelhaften Oper Äs die Geschichte der thespischen Koryphäen, es ist aber schlussendlich Euripides, der den Weg ins nächste Eigentor ebnet. Thales von Milet hilft mit seinem bis dato magersten Schaltkreis Heraklit, seiner Zenon-App (mit Hilfe eines pythagoreischen Einecks) auf die Sprünge zu helfen, wobei Leonardo, da Vincis chronisch unbeholfener Nygus konsequent totgeschwiegen wird. Immerhin verdankt er dem Atomismus das postsokratische Och in Form von Platons aristotelischem Duftorgan „Plotin“. Die Metaphysik der Kyniker reicht weit über Diogenes und seine (schlussendlich in des Teufels Zirkelschluss gehörende) Skepsisbande hinaus. Epikur genießt mit stoischer Unverfrorenheit das Delphinarium von Orca, während Nike sich mit des Orpheus Hybris versohlt. Gaia die Grundgütige bläst Hades ins Horn, mehrere Götter müssen infolgedessen abdanken. Der hippokratische Meineid genießt vor allem in Euklids Kreisen einiges an Streetcred, wenngleich Archimedes erst viel später Heurekiri begeht. Die Etrusker haben ihre Nekropolen nicht umsonst eingeschmolzen, wie Lucifers ausverkaufte Genugtuungstour unzweideutig belegt. Von „7, 5, 3“-Romulus bis „Bromid springt aus der Moleküleichenhalle“-Remus wird das Imperium Romanum quasi ab urbe vergilbt und entflacht, die Res Publica (vgl. SPQR-Code) soll in Form eines Kleinkrieges gegen Horazius Ovidus endlich Realität werden. Marc Aurels Dioklettverschluss schlägt sich dementsprechend lange genug mit Rambo herum, was im Großen Sackhüpfenlassen von 333 gipfelt. Als endlich Cloaca Maxima ihr Riesenarschloch über die patrizischen Großfamilien von Damaskus schleift, zeugen spätrömische Garnituren endgültig von Seneca. De rerum natura und andere rhetorische Taschenspielertricks werden um Panlyra, Dudensack und Cicero ergänzt, wobei die Redekunst des Letzteren Nero wegen unsachgemäß geminter ฿฿ in den Knast einwandern lässt (wobei „Armut + Psyche = Antidepressiva“ gilt). Auch Tacitus geht auf jeden zweiten Agricola los und bemannt solcherart die Astronomie mit den jeweils unabdingbaren Arithmetica. Pontius Pilatus lässt seine zuverlässigsten Pharisäer dermaßen langsam kommen, dass aus Saulus Sallust und aus Paulus Plinius werden. Hieronymus nimmt den Aposteln ihre Gnosis und verankert mit ihr Konstantinopel fest im Schlamm der Raumzeit. Beim Konzil von Nicäa wird der Papst in den Okzident eingebacken und schlägt sich anschließend als stattliches Schisma nieder, sodass Benedikt von Nursia dringend aufs Kloster muss. Le Cottbuser wettert gegen Gropius, Mies van der Grobe muss sich von Picasso die Zweitnase umtünchen lassen. Aus Wittgenstein wird mit der Zeit dem Jaspers sein Heidegger, Gödel stößt bei einer Kognietenziehung an seine Grenzen und deckt sich am Ende der Parabel mit Husserls Rüssel zu. Bergsons Köpfchen allerdings verführt Durkheim zum Positivismus, überhaupt schreiben sich ganz neue Wissenschaften an der AdK ein. Der Marshallplan läuft rund und lässt die Entropäische Union XaSS ausbaldowern. Lucius „D.“ Clay beteiligt sich am Grundgesetz, scheitert aber an mangelnden Deutschkenntnissen. Ludwig Erhard findet für seine Art von Comedy kaum Absatz, dafür sorgt die Rentenreform für Vollbeschäftigung. Die SED zieht eine zweite Schallmauer hoch, Willy Brandt vertraut Helmut Schmidt nicht einmal Kohl an, dessen Ära von kollateralen Verträgen merklich gezeichnet ist. Homöopathisch motivierte Völkerwanderungen schlagen Attila mehrfach nieder, und Geiserichs Kaiserreich muss sich dem Codex Seraphinianus unterordnen. Auch in der Peterskirche nimmt Lethargie eine Sonderstellung ein, als koptische Mumien wie von selbst nach Hause losschlendern. Bei den Alemannen ist der Odokaeder gern gesehen, die Langobarden hingegen wollen Karl dem Großen ihre Runen schenken, ohne vorher die Rechnung mit finnelnden Hunnen oder wenigstens selbstgoogelnden Wikingern gemacht zu haben. Joule, Ampère und Faraday werden endgültig vereinheitlicht und unterstützen so die Gebrüder Lumière bei der bemannten Raumfahrt. Max Weber konkurriert mit den Utopistenkommunen, die von Verdisraeli und dem Goth-Prinzen Albert von Sachsen-Cobalt betrieben werden. Die entscheidende Frage bleibt auch nach Eingreifen durch Blasetti zunächst unbeantwortet, ganz im Gegensatz zur Gothic Novel, deren Hauptvertreter Byron, Shaw, Dickens, Wells, Kipling, Stoker, Joyce, Lawrence, Konsalik und Doyle heißen. Der Stream of Consciousness wird erst spät auf die darwinistische Transformationslehre angewendet, da diese sich zunächst vom modernen Kreationismus lossagen muss. General de Gaulle kommt auf Hô Chí Minh überhaupt gar nicht klar und findet den Indochinakrieg „total gestört“ (G. Pompidou). Der Irak versucht sich vergeblich an der Unmöglichkeit, von Sarkozy so gut wie nichts mitzukriegen, bis Margaret Thatcher sich endlich die Zeit nimmt, mit ihrer Eisernen Lady die Downing Street durchzupflügen. Plötzlich muss die Labour Party mit Berlusconi haushalten, was sich als fataler Fehler erweist. Papst Franziskus gibt Franco und Juan Carlos jeweils 0 Chancen, Yggdrasil verschlingt Odins Asenedda und Freya lässt sich von Gyllinborsti die Nutte kraulen. Die Merowingers schließen sich mit den Karolingers zu einer Art Kartell zusammen, welches Karl der Einfältige für was zu essen gehalten haben wird. Theodulf Hitler kommt während des Zweiten Kreuzzugs gemeinsam mit Richard Löwenherz auf den ottonischen Cäsaropapismus, muss aber schlussendlich Barbarossas habsburgische Antwort auf die Goldene Bulle fehlgeleitetem Ästhetizismus zurechnen. Wolfram von Eschenbach zieht sich in die Villa Massimo zurück, nur um Meister Eckharts Minnespuren mundtot vorzufinden. Da Graf Innozenz IIII. sich behutsam um den Investiturstreit kümmert, benötigt sein Pontifikat zwölf Zündkerzen, daher die Kreuzzüge mit Gottfried von Bouillon am Kochlöffel und Franz von Assisi am Heiligen Gral. Die Dominikaner nehmen ihn ohne zu zögern auf und lassen ihm frühgotische Gewölbe und dergleichen Tand angedeihen. Diverse Wandteppiche mit Gaukelhuren liefern dabei köstliche Vorlagen für Chansons, Romanteppiche und Mysterienspiele um allegorische Universitäten feat. Thomas von Aquin, Albertus Magnus (PI) und nicht zuletzt Wilhelm von Ockham (dessen Rasur nach wie vor aussteht). Die Scholastik tritt die Erbfolge der Stochastik an, die wiederum einem Schaschlikstick entwachsen zu sein scheint, jener nekromechanischen Ethik also, die in der Summa technologia das Missverhältnis zwischen „Steigen Brentano, Hoffmann und Büchner in eine Bahn, deren Endstation MarsEgel heißt“ und Sprossen beleuchtet (wobei Gott den Allerkürzesten zieht). Chruschtschow wird vorsichtig von Gagarins Epidermis abgelöst, und sobald die beiden endlich separat bzw. zurück auf der Erde sind, wird mit Breschnew der Prager Lenz vorformatiert. Gorbatschow darf endlich den Ostblock freirubbeln, und in der Russischen Föderation verwaltet nun Jelzin, ein waschechter Melissa-McCarthyist, die Cougar-Krise. Ben Gurion geht sogar in Fukushima einkaufen, um den Jom-Kippur-Krieg zügig an die OPEC auszulagern. Martin Luther King hat einen hochgradig eskapistischen Traum, der dank Watergate, Reagan, Saddam Hussein und Monica Lewinsky so richtig zustande kommt: Obama denaturiert Osama. Gerade als die Dekabristen in den Krimkrieg einmarschieren, begegnet Casanova mit Rossini, Bugatti und Puccini zum allerersten Mal der i-Deklination in ihrer ursprünglichsten Form. Puschkins Meisterwerk macht auf Gogolew einen derart großen Eindruck, dass sie schnurstracks der Slawophilie erliegt. Dostojetski versucht sich als Westler, verliert aber im letzten Moment gegen Hogan, der sich auf die Nichtannahme des Literaturnobelpreises spezialisiert hat. Johannes von Gutenberg bewegt sich mit nur einer Letter durch die Welt der Unicode-Enthusiasten, Wilhelm der Eroberer liest Michael Ironsides Hasenfuß auf und gammelt anschließend studiosusmäßig ab. Die Magna Carla wird zwischen den großen CEOs ihrer Zeit herumgereicht, was Jeanne d’Arc nicht unkommentiert lässt. Die Kathedrale von Canterbury wird fachmännisch gefällt, und Caedmon veröffentlicht sein vorerst letztes Buch über die Vorzüge von Eichelhähern. Dante Ali stimmt sich mit Geologen über die Jahresringe seines Invertdendrons ab, Rubens und Delacroix finden unabhängig voneinander eine relativ umständlich Abkürzung von Malen bis nach Zahlen-Mitte (Westf.). Das Sonett führt Petrarca auf direktem Wege ins Purgatorio, welches Kosmen gerade die Geschichte von sich gegenseitig abzählenden Erzählern („Decamerone, Decamertwo …“) einzuflüstern scheint. Oleg geflügelt Jaroslaw, Kasimir nach Kiew zu holen, stattdessen repariert Alex Newski Iwan dem Schnecklichen sein Gehäuse. Von den Bojaren geht ein Dosenpfand aus, als würde Ogorod hochgezogen, sprich: Ayatollah Iljitsch Chomeini kämmt Otto „Dicks“ Grosz so lange durch, bis der Rote Bayouware inkommensurabel steht. Jackson Pollock widmet sich einer Art Brut à la Man Ray, während Naivling Rousseau mit Gustave Eiffel eine Art Nouveau à la Christo einführt. Tzara de Chirico lässt den Oomphressionismus auf die Leute los: Kleedinsky und Marcy Mack sind nur die Spitze eines Verrücktenberges, dessen Stijl später mehrfach kopiert wird und schließlich als Duchamp im Bidet landet. Hering Baselitz stellt das von einem Asylheymgöblin widerwillig initiierte Kunstverständnis für etwas weniger als 0 €/St. ein – die erste Postmoderne beginnt zu lugen. Hugo Ball, zu dessen diversen Nomdeplymen bedeutende Namen wie Benjamin, Tucholsky, Predator, Kästner, Cranston und Mann gehören, tut es seinen Kollegen Boll, Grass und Ingeborg Kollektiv gleich. Durch Arno Schmidt wird der sozialistische Determinismus berühmt, aber auch Durs Grünbein. Armin Müller-Stahl kann Georges Perec für seine Anden-Doku gewinnen, Simone und Jean-Paul knistern als exzellentes Paar durch die Mesosphäre. Sklaverei gehört von jetzt auf gleich der Vergangenheit an, Lincoln lässt zu diesem Zweck mehrere Sezessionskriege testen, um schließlich Roosevelt den Untergang des Hauses Ashram zu kolportieren. Neben Hemingway, Wile E. Coyote und Philip Roth gelingt es auch Rushdie und Tagore, an die Frankfurter Schule zu wechseln. Adorno überhöht (via Arendt und Canetti) die Phänomenologie der Wissenschaftsexistenz zu einem poststrukturalistischen Hermeneuter, derdas Derridas Dekonstruktion in die Auflösung sämtlicher Tonalitäten reinreitet. Neue Musik von Jazzup (Rolling Stones) bis Technoboob (Sugar Babes) lernt nichts aus der Eurokrise, obwohl selbst Russland seit der Arabischen Maienzeit weiß, dass Gaddafi von Ai Weiwei manipuliert worden ist. Immerhin geht Nelson Mandela nach Darfur und beißt die Afrikanische Union, wie der einzige uns bekannte, von Al-Chwarizmi überlieferte Algorithmus zur Wiederbelebung der Gupta-Schwestern belegt. Wang Wei und Wu Zhen reißen sich doch noch einmal zusammen und schlagen Wang Po Su Shi bei den umstrittenen, da Jahrzehnte Wabi-Sabi-Buddhaspuk voraussetzenden Teezeremonien im Shinto-Gorinto-Nirvana. Mit Zen legt Herr Khmer im Pantheon der Gegurgel eine Geisterrakete vor Angkor, Popol the Vuh steht dem grandiosen Meisterwuchs Tezcatlipocas gegenüber, und Quetzalcoatl weiß dem Reich der bösen Nerven von Taseromachetl zu entspringen. Poe, Melville und Theroux gehören zu den einzigen Schriftführern ihrer Generation, die das homoerotisch verwegene Autorenduo Clemens & Twain dem Landadel zuzuordnen bereit sind. Winston Churchill veröffentlicht seine „great American novel“, während Lesben in den Wäldern immer urbaner ausfallen. Magellan und Vespucci kommen auf der Gutenberg-Bibel angeschifft, der Vatikan ist nattermäßig aber offenbar schon „ganz gut aufgestellt“. Giordano Bruno kann zwar fließend Machiavelli, doch erst Max & Morus gelingt der ultimative Quappensprung: anatomischer Bildhub-Florentiner für Perugia, Pisa für Donatellos Straße der Manierismen. Venedig und Venedig II geißeln einander mit mutierten Dialogen, Guy Maddin Luthers Thesenkrach zettelt den Vishnuismus und mit ihm gegenreformatorische Anglizysten an. Die Hagebutten greifen eigenmächtig vor, indem sie Rabelais nach dem Gargantuel trachten, Montaigne versucht sich eher schlecht als Brecht an einigen Essaismen. Mit Don Quijote kommt endlich ein Kenner der Materie an den Hof und beginnt unverzüglich mit der Umwandlung der vorrätigen Erasmen: Erst gleicht Hieronymus Bosch seinem unbeschnittenen Brueghel, dann exkommuniziert der Erzbischof York, dann setzt Bloody Mary Maria Stuart auf ihre Tudor-Liste – erst jetzt kann das Elisabethronische Zeitalter mit der überaus gut geölten Shakespeare-Marlowe-Maschinerie anlaufen. Hector Pascal macht sich einige Gedanken über Descartes’ „Ich denkatatron…“-Kakophrenie und läutet provisorisch den Barock ein. Rubens van Dyck sägt schon mal am eigenen Gespenst, obwohl Monteverdi zur überaus sorgfältigen Einlösung von Vivaldis fast 12.000 Disketten umfassenden Versprechen ansetzt. Seine Matthäuspassion gilt seit eh und je als Abgesang auf den Minderjährigen Krieg, also kommt es letztendlich auf eine Leibnitz’sche Madenfütterung mehr oder weniger nicht an. Maria de Medici kastriert kurzerhand Richelieu und lässt Armand de Bourbon gemütlich abtropfen. In Absolutismus getaucht, ernährt sich die damalige Weltbevölkerung quasi nur noch von Racines Canaille und Versailler Knötchen. Empirismen greifen sich gegenseitig unter den cartesianischen Chapeau, Velázquez wird an Oliver Cromwell geleast, dessen Habeas-Corpus selbst in Hobbes’ Locke nachweisbar ist. Der utilitaristisch behauchte Bacon schreibt Vermeers Rembrandt auf Rubens um, Spinoza dringt mit den Romanows ins Osmanische Reich vor, wo Selim der Gestrenge und Süleyman der Prächtige sich von Dschingis Khan für das Taj Mahal hin- und herrichten lassen. Im Steppenwolf findet die Ming-Dynastie lobende Erwähnung, aber auch die Wu-Schule und das Säckchen Jesuitengranulat. Dem Los Alamos Kabuki Theater, formerly known as „Siebenjähriger Krieg“, gelingt es, Klopstock, Lessing und Herbig zu induzieren. Goethe und Schiller müssen sich ihre Hûme allerdings brüderlich teilen und lassen deshalb Kant häufiger an prionische Transzendentalkritik ran. Der Dialektik Bachs stellen Händel und Mozart je eine (in geschmacklos vergoldetem Prachtschubert ausgelieferte) Zauberflöte entgegen. Opiumkriege werden direkt im Konkubineninnern entfacht und durchgeführt, wo während der Samuraizeit ordentlich Voodoo geflossen sein muss. Klassische Zulu-Anarchie findet in den Aschanti genauso Anwendung wie Franz Ferdinand in Hindenburg. Marquise de Pompadour muss sich endgültig Marie Antoinette stellen, es folgt eine konstitutionelle, von Robespierre feinfühlig auf die Spitze getriebene Demonarchie. Die Französische Revolution ist gut zu Mirabeau und Marat, die mit Bruder Grimm das Große Französische Traumvirat bilden. Diderot schreibt gemeinsam mit dem von Humboldt an der Uncyclopédie, Ultrahochstapler Pasteur entdeckt die Geisteswissenschaften für sich, die Gebrüder Montgolfier bereisen hochrangige Kunstfehler, nebenbei entstehen aber auch Gluck und Despotismus. Ganz unvermittelt kommt Montesquieu aus dem Gesellschaftsvertrag ins Strauchelner Stadttheater angebahnt und lässt sich vom Barbier in Residence die Sexvilla notdürftig beurkunden. Swift stimmt mit Dafoe darin überein, dass der Immaterialismus keinerlei Kausalität zulässt, dafür aber Napoleons Spanischen Erbfolgekrieg (an dem auch Farinelli erbfolgreich teilnimmt). Goya paust hauptsächlich bei Poltawa ab, Potemkin und Lomonossow lassen sich kurzfristig auf der Mayflower nieder und gründen die New Jersey Teabaggers. Noch am selben Tag wird die Declaration of Terraforming von sämtlichen Parteien unterzeichnet und Zar Johannes Pawel XOXO. führt Stresemann kurzfristig in Scheidemann ein. Das angelsächsische Kapital findet sich vor allem in Heckler, Koch, Neff & Volckmar wieder, daher stiefelt Rom über Guernica nach Nürnberg und lässts dort BAMFtlich krachen. Papst Prius VI. wird durch Ignatius von Toyota in einen erbitterten Kampf gegen einen Flying Chaucer verwickelt, der die Hauptrolle in Anaximander Rühlmanns sublim angedeutetem Ai-Kino übernimmt. Kolbène gründet das „Mäzenat der Bartholomäuse“, Shōgünther & Bushidieter gehen in den Wald und kommen nicht wieder …

*

Wie man sieht, hat man es bei 1 Kilo Kultur mit einer atemberaubenden, Respekt und Ehrfurcht einflößenden Ansammlung von stereotypen Klischees, banalen Trivialitäten und platten Binsenweisheiten zu tun. Wer an einem entsprechenden Quizzical interessiert ist, möge bei der Novelle fündig werden.


1 Kilo Kultur: Das wichtigste Wissen von der Steinzeit bis heute von Florence Braunstein und Jean-François Pépin erschien 2017 bei C. H. Beck in deutscher Übersetzung von Nikolaus Palézieux unter Mitarbeit von Alexander Kluy. Das Buch hat 1.296 Seiten und wiegt eintausend Gramm.