Altes, neu vermischt

Es ist nun wirklich nichts Neues: Ein Musiker macht ein Album, nachdem er als selbstinszenierter und furchtbar sensibler Weltenbummler irgendwie inspiriert wurde und dann allzu bekannte, leicht verdauliche Häppchen einer vermeintlichen Authentizität kredenzt. Bonapartes neues und inzwischen siebtes Album Was mir passiert präsentiert solch eine Musik.


Tobias Jundt, dessen Künstlername Bonaparte ist, hat sich für dieses Werk auf die Reise in die Metropole Abidjan in der Elfenbeinküste gemacht, um dort polyvalente Energien und anarchische Beats zu finden. Natürlich wurde er bei der dortigen Musikszene fündig und produzierte allerlei musikalische Hybriden: Seine westliche Popmusik mischt er in 15 neuen Tracks mit der einheimischen Musik. Auch mit Musikern der Elfenbeinküste, wie Jean-Claude „IC Guitare“ Emanuel Bidy oder Tanoh Adjobi „Oanda“ Saint Pierre machte er Aufnahmen. Dabei entstand auch der titelgebende Song.

Ein Schlüsselmotiv des neuen Albums ist dabei der Reisende, der Wanderer, der auf Reisen seine eigene Identität und seine eigene Herkunft entdeckt. Allein dies klingt natürlich hochtrabend, aber ist nichts als abgeschmackte und bourgeoise Banalität eines selbstdarstellerischen Selbstfindungstrips. So besteht ein Großteil von Bonapartes Album aus Phrasen, die manchmal in zweitklassigen Wortspielen verarbeitet werden, und einer angeblichen künstlerischen Authentizität. Dabei flieht Bonaparte in einen ziemlich lahmen Jargon der Eigentlichkeit. Er textet über das Warten auf ein besseres Leben, plädiert dafür, manche Dinge im eigenen Leben passieren zu lassen und zu genießen. Er singt über seine Liebe zum Kochen (in Ich koche), beschreibt, wie eine sexuelle Affäre plötzlich zu Liebe wird (in Ins Herz geschlafen), oder über marode gewordene, aber ganz abstrakt geschilderte Lebensentwürfe (in Chateau Lafite). All das ist ja ganz nett, aber wo genau hier jetzt das innovative Moment oder die spezifische Authentizität des Künstlers sein soll, bleibt mehr als offen. Was ist daran das Besondere, Hörenswerte? Denn anstatt tiefgründige Gedanken zum Leben zu produzieren, bleiben nur Floskeln, die immerhin zuweilen mit einer gewissen Ironie vorgetragen werden oder flachen Wortwitzen (Newsflash: Nur schlechte Autoren schreiben Wortwitze!).

Quelle: YouTube

Komplett verwerfen muss man die 15 Stücke inhaltlich aber nicht. Denn zumindest in zwei Songs sprengt er das langweilige Muster der Eigentlichkeit und wendet sich eher sozialen Problemen (politischer und kultureller Art) zu. Im Lied Big Data, das Bonaparte zusammen mit Farin Urlaub und Bela B singt, wird die digitale Sammelwut und der Verlust negativer Freiheitsrechte mit frechen, wenn auch oberflächlichen Versen kritisiert, mal ironisch, mal sarkastisch. Dieses Stück ist nicht schlecht, aber auch beinhaltet es keine Kritik, derer die Hörer sich nicht ohnehin schon bewusst wären. Da haben Die Ärzte schon Besseres geliefert. Für die eher geringe Qualität der Songs, ist es erstaunlich, welche Größen der zweitklassig singende Bonaparte sonst so für das Album hat gewinnen können: Sophie Hunger, Ruby Hazel und Fatoumata Diawara machen mit, machen die Texte aber auch nicht besser.

Spannender dagegen ist Bonapartes Das Lied vom Tod, der einzige gelungene Song, den der Künstler alleine zustande gebracht hat. Hier bemerkt er, dass alle Musikgenres tot seien, außer Techno, das aber komisch rieche. Ganz offen beschwert er sich hier, dass es keine Musik, keine Lieder mehr gebe, sondern zeitgenössisch nur noch der Beat entscheidend sei. Dabei wünsche er sich gerade ein Lied, zu dem er streiten, lachen und leben könne, also, stilistisch gar nicht so dumm, das Lied vom Tod – man könnte also sagen, das Lied, dass erstens das Sterben der Musik und den unaufhaltsamen Weg des Menschen in den Tod zu begleiten. Diese musikalisch vorgetragene Musikkritik hat durchaus etwas und zeigt, dass die Kunst, das Emotionale oder Aufrüttelnde der Musik – überspitzt formuliert – durch die reine Technik des Techno-Beats ersetzt werde.

Quelle: YouTube

Bis auf einen Song also nichts Besonderes und keine feinfühlige Authentizität. Auch der Sound selbst ändert daran reichlich wenig. Er erschafft zwar Hybriden aus Popmusik, Berliner Beats und der Musik der Elfenbeinküste, aber dies bestenfalls eine mal annehmbare Neumischung, mal schon fast ein reines Hipster-Klischee. Eine Neumischung von Stil und Klängen machen noch keine neue Musik. Zugestehen muss man, dass dadurch manche Tracks abgefahren klingen, selbst wenn sie kitschig werden.

Bonaparte versteckt sich also hinter seiner neuen Selbstinszenierung – diesmal fast ausschließlich auf Deutsch. Inhaltlich ist das Album Was mir passiert eine Banalität, die als feinfühlig und tiefsinnig daherkommt, aber, eben bis auf ein bis zwei Songs, trivial ist. Dafür lohnt sich ein Albumkauf sicherlich nicht. Die Musik ist zwar auch nicht innovativ, aber der Sound ist wenigstens abwechslungsreich, selbstironisch-emotional und der Mischung zumindest kein purer Mainstream und manchmal auch ungewöhnlich – aber selten wirklich gut.

Was mir passiert von Bonaparte erschien am 14. Juni bei Columbia/Sony Music und hat 15 Tracks.

Titelbild: © Dadi Thierry Kouame

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