Wer dachte, dass nach Lammbock nichts mehr kommt, hat seine Rechnung ohne Kiffer gemacht. Denn die bewegen sich langsam. Aber sie bewegen sich.
Und so finden 16 Jahre später alle wieder zueinander. Stefan (Lucas Gregorowicz) und Kai (Moritz Bleibtreu), einstige Betreiber einer Würzburger Pizzeria mit Namen “Lammbock”. Genauso die beiden Dauercamper Frank (Wotan Wilke Möhring) und Schöngeist (Antoine Monot Jr.) sowie Stefans Exfreundin Jenny (Alexandra Neldel). Die beiden waren schon bei Lammbock nicht mehr zusammen, aber so richtig hat das nie mit ihnen aufgehört. Dass inzwischen aus dieser kleinen Schauspielriege in den Klammern, die bei Lammbock noch an ihren Anfängen stand, Berühmtheiten unterschiedlichster Formate geworden sind, macht ein wenig den Reiz des Films aus.
Unter ihnen befindet sich ja nicht zuletzt einer der wichtigsten deutschen Gegenwartsdarsteller. Zwei haben inzwischen die Fronten gewechselt und sind, der eine für den Polizeiruf, der andere beim Tatort, unter die Kommissare gegangen. Andere haben sich als Tech-Nick oder Wanderhure Namen gemacht und Werbefernseh- bzw. Sat1-FilmFilm-Geschichte geschrieben. Dass Christian Zübert, dem wiederkehrenden Regisseur der Reihe, die Entwicklungen des deutschen Kinos nicht entgangen sind, zeigt auch das Fingerspitzengefühl, mit dem er den Cast, um “Freistatt”-Darsteller Louis Hoffmann etwa, auffrischt. Aber alle einfach zusammenzuwerfen und machen zu lassen reicht natürlich nicht. Worum geht’s hier?
Das Drehbuch macht aus Lommbock zunächst eine Bestandsaufnahme. Natürlich war Lammbock einst, wenn man es runterbricht, bloß ein gut gemachter Genrefilm, der zwei chaotische Freunde, die eigentlich nur Spaß, Gras und Ruhe suchten, mit den Wirren der sie umgebenden bürgerlichen, versteiften Gesellschaft konfrontierte. Nach eineinhalb Stunden war alles gesagt. Aber nur mal angenommen, die Biografien unserer Helden von einst hätten doch über die damals präsentierten 90 Minuten hinausgereicht: Wie wären sie verlaufen? Als Marihuana-Produzenten und gewiefte Dealer hätten sie es in Würzburg wohl nicht weit gebracht. Das Drogengeschäft hat sich geändert, wurde inzwischen von richtigen Geschäftsleuten übernommen. Und eigentlich waren die beiden ja schon in Lammbock zu alt für ihren Lebensstil und mussten sich mit dem an sie herangetragenen Anspruch auseinandersetzen, eine Erwachsenenpersönlichkeit auszuprägen.
Im drogenfeindlich präsentierten Bayern gab es da eigentlich nur zwei Optionen: anbiedern oder auswandern. Und während sich Kai nun für das erste entschied, wählte Stefan das zweite. Beide wohlgemerkt im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Denn so richtig glaubt sich weder der bayerische Patchworkfamilienvater noch der millionenschwer verlobte, in Dubai lebende Geschäftsmann seine Rolle. Dass Dubai ohnehin keine gute Idee für Drogenfreunde ist, sei an dieser Stelle vorweggenommen. Als Letzterer nun für Papierkram mal wieder in die Heimat reist, eskaliert die Situation im Grunde unmittelbar. Denn wie sehr man sich auch weiterentwickelt hat, fällt man doch auf vertrautem Terrain rasch in alte Rollen. Erschreckend vieles scheint mit feinen Unterschieden ohnehin beim Alten zu sein. Aus der Pizzeria Lammbock ist der Asia-Imbiss Lommbock geworden. Und während Kai und Stefan im Film einen stetig wachsenden Haufen vermeidbarer Probleme aus dem Weg schaffen müssen, gelingt es ihnen, wie schon in Film eins, sich zu den wichtigen Fragen vorzuarbeiten, denen, die das eigentliche Problem sind: Was wollen sie eigentlich vom Leben? Lommbock stellt indes nicht nur Lebenspläne infrage, sondern zerschießt sie systematisch, was aber völlig okay ist, da diese eben einfach nicht gut waren.
Ein bisschen fühlt sich der Film dabei an wie ein Klassentreffen. Eines, bei dem man als Filmzuschauer das Privileg genießt, als unsichtbarer Betrachter bloß zusehen zu dürfen und zu staunen, was da aus all den Hoffnungen von früher geworden ist. Das Blöde am Unsichtbarsein, Sam wird das bestätigen, ist allerdings, dass man nicht eingreifen kann. Und so wird man wieder wehrloser Zeuge gewohnt unangenehmer Szenarien. Auch wenn die vielleicht nicht an die Überraschungsparty-Staubsauger-Szene von einst heranreichen, kommt Lommbock doch ohne Frage für seine Kosten auf. Elegante Twists spielen hierbei eine wichtige Rolle. Und Wotan Wilke Möhring gelingt es womöglich gar, seinen kleinen Sidekick zur Rolle seines Lebens auszubauen.
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An selbstreferenziellen Verweisen mangelt es ebenfalls nicht. Schwächen hat der Film höchstens darin, als unabhängige Geschichte zu funktionieren. Vielleicht kommt er auch gegen sein prägnantes Vorbild etwas aufgeblasen daher. Aber geben wir dem Ganzen doch nochmal 16 Jahre. Lummbock, das große Trilogie-Finale, bügelt alles aus. Und wer weiß: Bis dahin ist Louis Hofman Dschungelkönig und Alexandra Neldel Oscarpreisträgerin. Mit etwas Glück sitzen Kai und Stefan dann (Achtung: Spoiler) hoffentlich auch nicht mehr im Gefängnis.
Merke: Lommbock fällt elegant zwischen die Zielgruppen und funktioniert in erster Linie als Fan-Arbeit eines Kultfilms, ist aber nicht nur für Liebhaber von Playstations und Gourmetpizzen unbedingt empfehlenswert. Geheimtipp: Vorher nochmal Lammbock gucken. Ist zurzeit auch bei Netflix. Zufälle gibt’s.
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