Raving Iran – Subversion am Mischpult

Underground-Partys der anderen Art. Dem Dokumentarfilm Raving Iran gelingt es, das künstlerische Leben in einem theokratisch-autoritären Staat auf beeindruckende und gefällig naive Weise nachzuzeichnen.


Die beiden jungen Musiker Anoosh und Arash, die sich Blade&Beard nennen, lieben es, pausenlos am Computer zu sitzen, um an ihren houselastigen Kompositionen zu feilen, Raves für Freunde zu organisieren und nächtelang durchzufeiern. So weit, so normal. Das gewissermaßen Einzige, aber umso schwerwiegendere Problem in diesem Zusammenhang: Die beiden leben in Teheran.

Ein kleiner Exkurs: Ab 1941 regierte der säkulare Shah Mohammad Reza Pahlavi den Iran, der wie die meisten postkolonialen Staaten von außerordentlicher Instabilität geprägt war, nach einer monarchischen Verfassung. Charakteristisch für die Kredibilität des Friedensnobelpreises wurde der Shah für ebenjenen nominiert, während er unter den eigenen Untertanen hingegen nicht zuletzt wegen seiner repressiven Maßnahmen und scheiternden Wirtschaftspolitik höchst umstritten war. Die Absetzung des Shahs erfolgte schließlich 1979 im Laufe der Iranischen Revolution, in die die inländische Bevölkerung große Hoffnungen setzten. Doch wie aktuell in vergleichbarer Form so häufig im Zuge des Arabischen Frühlings zu beobachten, wurde das zuvor verhasste autoritäre System durch nicht weniger repressive theokratische Mächte nach den Idealen des Ajatollahs Ruhollah Chomeini abgelöst, die die Staatsgeschicke bis heute lenken. Der vermeintlich republikanisch-demokratische Apparat hat die Herrschaft eines schiitischen Gottesstaates zur Folge, der Frauen in ihren Rechten massiv beschränkt, Pressezensur verhängt und westliche Elemente als sittenwidrig einordnet und verbietet.

In der Konsequenz lässt sich also feststellen, dass alles andere als gute Voraussetzungen für junge Künstler vorherrschen, die einer aus unserer Sicht harmlosen Leidenschaft nachgehen wollen. Dass sich Anoosh und Arash von all dem nicht aufhalten lassen, dokumentiert die Filmemacherin Susanne Regina Meures mit einfachen technischen Mitteln. Eine banale Touristenkamera, vor Ort gekauftes Ton-Equipment und ein zum versteckten Filmen genutztes iPhone mussten aus pragmatischen und sicherheitsbedingten Gründen ausreichen. Auf diese Weise erleben die Zuschauer٭innen von Raving Iran eine ganze Reihe von subversiven Handlungen, die jedoch keiner politischen Intention folgen.

Unter anderem wird gezeigt, wie sich das Duo um die organisatorischen Aufgaben für eine Party inmitten der Wüste bemüht, um dort ungestört von staatlichen Kräften ihre Musik aufzulegen. Für diese Veranstaltung, die primär dem Vergnügen dient, sehen sich Anoosh und Arash dazu gezwungen, illegale Maßnahmen wie das Zahlen von kaum aufzubringenden Schmiergeldern zu ergreifen. Während der Anfahrt mit dem Bus mitsamt allen unter der Hand eingeladenen Freunden und deren Bekannten sind zahllose Kontrollen zu überstehen. Welche Gefahren ihr Handeln birgt, ist beiden durch eigene Erfahrungen mit Haft und Folter schmerzlich bewusst.

Quelle: YouTube

Den bedrückenden Aspekten der Repression gegenüber der Zivilbevölkerung wird der absurde Charakter diverser Vorschriften zur Seite gestellt. So gestaltet sich bereits das Drucken ihres Albumcovers als äußerst heikle Angelegenheit, derer sich nahezu kein Copyshop annehmen möchte. Um eine Bewilligung für ihr musikalischen Wirken zu erlangen, gehen die beiden Protagonisten gar den Weg in das kulturelle Ministerium, das ungeachtet ihres für die versteckte Kamera provokativen Auftretens jegliche Ansätze ihres künstlerischen Werks abschmettert. In solchen Szenen schafft es der Film, der ernsthaften Thematik humoristische Details anzuhaften und die Lebensfreude Anooshs und Arashs in den Vordergrund zu stellen, die jedoch zunehmend durch die vorherrschenden Verhältnisse ins Wanken gerät.

Somit dreht sich Raving Iran auch um die Frage des Exils, die sich die Musiker trotz der emotionalen Verbundenheit zum Heimatland hinsichtlich ihrer zukünftigen Perspektiven stellen. Eine Frage, die ihre Gewichtigkeit nicht zuletzt mit Blick auf die zurzeit fehlende Sensibilität der europäischen Bevölkerung unter Beweis stellt. Meures tendiert dabei in ihrem Film dazu, eine explizite politische und moralische Positionierung zu vermeiden. Dies ist naturgemäß kaum realisierbar, überlässt das Urteilsvermögen aber somit immerhin den Zuschauer٭innen. Da auch der Faktor des musikalischen Genres eine eher untergeordnete Rolle spielt, stellt sich Raving Iran auch für diejenigen als sehenswert heraus, die elektronischer Musik aversiv gegenüberstehen.

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