Von Wegen Lisbeth: „Grande“

Für ein Albumdebüt ist „Grande“ ein nicht gerade bescheidener Titel. Von Wegen Lisbeth waren schon als Support von Element Of Crime und AnnenMayKantereit unterwegs. Wie klingt die erste, große Eigenständigkeit? Eine Rezension.


Von Wegen Lisbeth und Zugezogen Maskulin passen nicht so recht zusammen, befinden sich aber direkt aufeinanderfolgend in meiner Playlist. Beide Bands kommen aus Berlin und haben ein familiäres Verhältnis zur Ironie, weitere Gemeinsamkeiten lassen aber sich ebenso wenig finden wie ich mich mit deutschem Indie-Pop auskenne. Nichtsdestotrotz habe ich mir mal Von Wegen Lisbeths Debüt zu Gemüte geführt und mich an eine Rezension gewagt.

Grande – woran erinnert mich das nur? An Urlaub, an Speisekarten, an große Gefühle à la Amore; es könnte sich glatt um einen Gruß an die österreichischen Kollegen von Wanda handeln.

Mit 14 Titeln tischen Von Wegen Lisbeth dem Hörer eine Palette auf, die sich sehen – Verzeihung – hören lässt. Jedes Lied stellt eine kleine Geschichte aus dem alltäglichen Dasein junger Urbanesen dar. So führt der Opener Meine Kneipe in das Grande-Universum ein, das bei genauerer Betrachtung gar nicht mal so groß ist.

Quelle: YouTube

Was Von Wegen Lisbeth ausmacht, ist ihre Liebe zum mit „kleinen Scheißinstrumenten“ unterstützten Indie-Sound (wie im Interview mit sPiTV verraten wird) und eine fast schon stoische Leichtigkeit des Seins, die sich in ihren Lyrics ausdrückt. „Immer wenn ich kotzen muss, geht Liebe durch den Magen“, heißt es im Song Lisa. Irosie könnte man das nennen – eine Mischung aus Ironie und Poesie.

In Komm mal rüber bitte konkurrieren, untermalt mit schrägen Soundsamples, von außen verübter Leistungsdruck und die süßen Verlockungen des Alltags miteinander. Kollidiert das spätpubertäre Ausleben der Sexualität nicht mit den akademischen Anforderungen, die der Herr Vater stellt? Ein etwas altbackenes Bild, das jedoch weniger traditionell formuliert wird.

Der darauffolgende Song Drüben bei Penny setzt verletzbare Gefühle mit einem günstigen Produkt, das sich neben dem Kaffee in ebendieser Supermarktkette befindet, gleich. So melancholisch das auch klingt – Von Wegen Lisbeth haben sich darauf spezialisiert, den Hörer eher zum Schmunzeln als zum Heulen zu bringen. Good guys.

Quelle: YouTube

Fun fact: Gewisse Items werden zu Stellvertreter gescheiterter oder problematischer Beziehungen. Wie das iPhone in Chérie oder das Sushi in Sushi, wird in Becks Ice das gleichnamige Getränk mit einer erahnbaren (Ex-)Freundin in Verbindung gebracht. Von Wegen Lisbeth kreieren hier humorvolle Wortspiele, die auf dem ersten Blick ganz witzig sind und zum Großteil auch funktionieren: „Warum kommst du eigentlich unter Einfluss eines reichlich süßen Alkopop-Getränks auf eine Schnapsidee?“ – Ja, warum auch nicht?

An vielen Stellen frage ich mich dennoch, was hinter den spritzigen bis nachdenklich-humorvollen Lyrics stecken soll. Das Lied Bitch wirkt ein bisschen zu sehr darum bemüht, sich auf die leichte Schulter und gleichzeitig ernst zu nehmen. Immerhin: Liebe ist vielleicht doch nicht für alle da, wie Rammstein behaupteten, aber manche können damit eben gut umgehen. Von Wegen Lisbeth zum Beispiel!

Überraschenderweise entpuppt sich ausgerechnet der letzte Track als ein Party-hard-Song: In der Kneipe gibt’s nun Freigetränke und genau deswegen sind offenbar alle da. Neben Becks Ice gibt es bestimmt auch richtiges Bier und O-Saft. Unüberhörbar lehnen sich Von Wegen Lisbeth an die gute alte NDW, denn „jetzt wird wieder in die Lobby gespuckt“. Prost!

Die behandelten Themen auf Grande lassen sich auf eine Handvoll herunterkochen und wirken zum Teil ziemlich banal. Es kommt hier eher auf die lyrische Verpackung an; wie erwähnt haben Von Wegen Lisbeth ein poetisch-ironisches Verhältnis zu ihrer Umwelt und sich selbst. Dafür, dass sie nun ihr Debüt veröffentlichen, haben sie sich bereits einen Namen gemacht und werden – wer weiß – vielleicht sogar noch grande. Morgen ist Release, überzeugt euch selbst!

Titelbild: © Von Wegen Lisbeth

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